Kurz: Deutsch vor Schuleintritt lernen

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Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) fordert Vorschuljahr für Kinder mit Sprachdefiziten und „Crashkurse“. Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) lehnt „Ghettoklassen“ jedoch ab.

Wien. Die derzeitige Regelung ist klar: Eingeschult werden Kinder dann, wenn sie dem Unterricht folgen können – und zwar ohne körperlich, geistig oder emotional überfordert zu sein. Mangelnde Deutschkenntnisse sind also kein Grund für eine spätere Einschulung. Spricht ein Kind kaum Deutsch, sitzt es als sogenannter außerordentlicher Schüler in der Klasse. Geht es nach Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP), soll sich genau das ändern.

Wer nicht gut genug Deutsch spricht, darf nicht eingeschult werden. Die deutsche Sprache soll noch vor Schuleintritt erlernt werden und zwar in einem Deutsch-Förderjahr – die Kinder sollen also die Vorschule besuchen. Denn: „Wer nicht Deutsch kann, kann dem Unterricht nicht folgen“, sagt Kurz im Gespräch mit der „Presse“. Außerordentliche Schüler sind an heimischen Schulen keine Seltenheit. Österreichweit gab es im Schuljahr 2009/10 rund 20.100 davon. Bislang beschränkte sich die Sprachförderung auf maximal elf Stunden pro Woche. Das sei zu wenig, bemängelt Kurz.

Handlungsbedarf sieht Kurz auch, was die sogenannten Quereinsteiger betrifft, also jene Schüler, die während des Schuljahres aus dem Ausland zuwandern. Sie sollen künftig drei- bis sechsmonatige „Crashkurse“ besuchen, so die Forderung des Staatssekretärs. In der Praxis heißt das, dass diese Kinder zunächst in eigenen Gruppen unterrichtet werden sollen. Fächer wie Turnen und Zeichnen, die weniger Sprachkenntnisse erfordern, sollen in der „Stammklasse“ absolviert werden. Wer seinen Sprachrückstand aufholt, soll zusehends in den Klassenverband integriert werden.

Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) hält nur wenig vom Vorstoß des Staatssekretärs. „Wir sind gerne bereit, über alle konstruktiven Vorschläge zu diskutieren, nicht aber über Ghettoklassen, wie das die FPÖ und der Herr Staatssekretär fordern“, heißt es aus dem Ministerium. Auch vom Wiener Stadtschulrat kommt Kritik. Kurz sei schlecht informiert. In Wien gebe es derartige Förderungen bereits. Kurz entgegnet: Es sei verwunderlich, dass man im Unterrichtsministerium vor Ghettoklassen warnt, während der Wiener Stadtschulrat sich rühmt, derartige Projekte bereits installiert zu haben.

Schmied will mehr Geld von Fekter

Bewegung scheint in die Verhandlungen zum neuen Lehrerdienstrecht zu kommen. Die Unterrichtsministerin kündigte an, den Vorschlag nachbessern zu wollen, mit dem die Regierung in die Verhandlungen mit der Lehrergewerkschaft gegangen ist. Nachdem absehbar sei, dass über den derzeitigen Vorschlag mit den Lehrervertretern keine Einigung möglich sein werde, „müssen wir uns als Regierung an den Tisch setzen“, so Schmied in der ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum“. Letztlich entscheidend sei dabei, ob Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) zustimme, dass die Regierung beim neuen Lehrerdienstrecht mehr Geld als bisher geplant in die Hand nimmt. Eine klare Antwort kommt dazu aus dem Finanzministerium: Mehr Geld werde es nicht geben. Immerhin sei das Budget des Unterrichtsministeriums im Zeitraum von 2008 bis 2016 ohnehin bereits um 20 Prozent aufgestockt worden. Für das Jahr 2016 wurden rund 8,7 Milliarden Euro veranschlagt.

„Schulen auch in den Ferien öffnen“

Unterstützung von der ÖVP erhält die Unterrichtsministerin, was den Ausbau der Ganztagsschule betrifft. Entgegen der bisherigen Parteilinie fordert ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon ein ganztägiges Schulangebot „in zumutbarer Entfernung vom Wohnort“. Die von der ÖVP gestellten Landesschulräte gehen sogar noch einen Schritt weiter. Sie fänden es sinnvoll, wenn es auch in den Ferien ein ganztägiges Betreuungsangebot gäbe. „Bei Bedarf sollten auch in dieser Zeit Schulen geöffnet sein. Die Betreuung muss nicht allein durch Lehrer vorgenommen werden“, so Oberösterreichs Landesschulrat Fritz Enzenhofer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2012)

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