Gesamtschule: Unbegründete Angst vor Niveausenkung?

Gesamtschule Unbegruendete Angst Nivellierung
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Eine deutsche Studie vergleicht Berliner Gesamtschulen mit dem differenzierten Schulsystem in Hamburg. Zumindest im Fach Deutsch zeigt sich, dass sowohl schwache als auch leistungsstarke Schüler profitieren.

Berlin. Dass die Einführung der Gesamtschule positive Auswirkung auf die Leistung schwächerer Schüler hat, gilt als nahezu unumstritten. Immerhin könnten sie von den begabteren Schülern lernen. Umgekehrt ist die Angst groß, dass die besseren Schüler auf der Strecke bleiben. Kritiker der Gesamtschule warnen deshalb vor einer „Nivellierung nach unten“. Diese Angst ist (großteils) unbegründet – das besagt zumindest eine aktuelle Studie aus Deutschland.

Erstmals wurden die Leistungen der Gesamtschulen unter die Lupe genommen. Die Hamburger Erziehungswissenschaftler Johannes Bastian und Ulrich Vieluf verglichen dabei 13 Berliner Gesamtschulen mit Schulen Hamburg, wo es ein differenziertes Schulsystem gibt. In der siebten sowie in der neunten Schulstufe wurde der Wissensstand der Schüler erhoben. Um sinnvolle Vergleiche anstellen zu können, wurden die Schulen je nach sozialer Zusammensetzung in drei Gruppen unterteilt.

In der ersten Gruppe wurden etwa Schulen miteinander verglichen, die von vielen Jugendlichen mit nicht deutscher Muttersprache und verhältnismäßig weniger gut ausgebildeten Eltern besucht werden. Die dritte Gruppe bildeten Schulen mit einem niedrigen Anteil an Jugendlichen mit nicht deutscher Muttersprache und einem vergleichsweise hohen Anteil an Eltern mit Hochschulreife. Gruppe zwei lag dazwischen.

Das Ergebnis: Zumindest im Unterrichtsfach Deutsch nutzt der gemeinsame Unterricht nicht nur den Schwächern. Auch die leistungsstarken Schüler profitieren. Im Bereich Leseverständnis erzielen die Berliner Gesamtschüler deutlich höhere Leistungszuwächse. Und das in allen drei genannten Gruppen. Ein ähnliches Bild zeigt sich, was die Verbesserung der Rechtschreibung betrifft. Auch hier erzielen die Gesamtschulen laut Studie „beachtliche Fördererfolge“. In allen drei Schulgruppen liegt der mittlere Lernzuwachs der Schüler höher als bei den Hamburger Vergleichsschulen.

Die getesteten Berliner Gesamtschulen dürften die Förderung von Deutschkenntnissen zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht haben. Dass besonders auch die leistungsstarken Schüler profitierten, lässt auf eine starke innere Differenzierung schließen.

Englisch: Geringere Lernzuwächse

Weniger deutlich fallen die Ergebnisse in den Bereichen Mathematik, Englisch und Naturwissenschaften aus. Im Bereich Englisch erzielen die Gesamtschulen etwas geringere Lernzuwächse als die Hamburger Vergleichsschulen. Die Wissenschaftler kommen aber zu dem Schluss, dass das vor allem auf die Unterschiede im Lehrplan zurückzuführen ist.

Was den Mathematikunterricht betrifft, erzielen die Gesamtschulen in der Vergleichsgruppe drei (niedriger Anteil nicht deutscher Muttersprache, gebildetes Elternhaus) einen ebenso hohen Lernzuwachs wie die Hamburger Vergleichsgruppe. Der Fördererfolg in den Gruppen eins und zwei ist an der Gesamtschule etwas geringer als an den Hamburger Schulen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2012)

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