Schmied: "Nicht jede Schule braucht ein Konferenzzimmer"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) will künftig die Eltern - und nicht mehr die Lehrer - entscheiden lassen, ob einzelne Schulen als verschränkte Ganztagsschulen geführt werden.

Die Presse: Erst vor wenigen Tagen hat die Koalition bei ihrer Klausur wichtige schulpolitische Themen, etwa die Ausweitung Ihrer Ganztagsschule, auf den März vertagt. Wenig später zeigt sich die ÖVP plötzlich doch generös und will früher verhandeln. Können Sie mir erklären, welch eigenartige Strategie die Regierung da verfolgt?

Claudia Schmied: Bei der Klausur am Freitag ist vieles im Bildungsbereich beschlossen worden, von der „PädagogenInnenbildung Neu“ bis zu der Streichung der Bezirksschulräte. Das dürfen Sie nicht unterschlagen. Zur Ganztagsschule: Mir persönlich wäre es natürlich wichtig gewesen, bei der Klausur Planungssicherheit und Budgets bei den Ganztagsschulen zu beschließen. Das war dann zwar nicht möglich. Ich freue mich jetzt aber über die konstruktive Haltung der ÖVP.

ÖVP-Chef Michael Spindelegger hat der SPÖ vorgeworfen, bei der Klausur „inhaltlich nicht gut vorbereitet“ gewesen zu sein. Was ist daran konstruktiv?

Ich nehme den neuen Schwung auf und beschäftige mich nicht detektivisch damit, was nicht funktioniert. Vielleicht hat die ÖVP die Ganztagsschule in einer ersten Reaktion zu schnell ins ideologische Eck gestellt. Und jetzt beim zweiten Mal hinschauen bemerkt, dass wir diesen Weg weitergehen wollen.

Die ÖVP will sich noch in diesem Jahr einigen, Kanzler Werner Faymann fordert gar 100 Prozent Ganztagsschulen. Wie rasch kann es wirklich gehen?

Wir benötigen für den Ausbau einen 15a-Staatsvertrag, da für die betroffenen Pflichtschulen die Gemeinden zuständig sind. Wir müssen dafür mit den Ländern Vereinbarungen schließen. Die Gemeinden benötigen Finanzierungs- und Planungssicherheit – wir streben daher Vereinbarungen an, die bis in das Jahr 2018 reichen.

Wie lange wird es dauern, bis alle Schulen ganztägige Angebote haben?

Das ist ein Entwicklungsprojekt. Mit der Aufstockung der Bundesmittel auf 160 Millionen Euro werden wir jetzt 200.000 Schüler erreichen. Insgesamt gibt es 680.000 Betroffene. Wir werden also noch weitere Ausbaustufen benötigen.

Die SPÖ wünscht sich vor allem „verschränkte“ Ganztagsschulen – also ein Modell, in dem am Nachmittag nicht nur Betreuung stattfindet, sondern der Unterricht über den ganzen Tag verteilt wird.

Ja. Ich vertraue in der Frage, ob der Unterricht verschränkt stattfinden soll, auf die Schulstandorte. Der Staat soll die finanziellen Möglichkeit bereitstellen, die Entscheidung soll an den Schulen fallen. Das bringt die Verantwortung dorthin, wo sie hingehört. Ich halte hier nichts von obrigkeitsstaatlicher Bevormundung, aber es soll ein Angebot geben.

Ohne Zustimmung der Lehrer vor Ort ist es gesetzlich nicht möglich, verschränkte Ganztagsschulen zu schaffen. Die Lehrer sind aber skeptisch.

Man muss dieser Entwicklung die Zeit geben, die sie benötigt. Wer zu viel von außen vorgeben will, löst vor allem im System Schule rasch Widerstände aus. In Zukunft sollten darüber die betroffenen Eltern entscheiden.

Viele Lehrer bemängeln, dass sie keine adäquaten Arbeitsplätze haben, um den ganzen Tag an der Schule Dienst zu versehen. Wird es für den Aus- und Umbau das nötige Geld geben?

Das Problem muss gelöst werden. Der Umbau der Gebäude ist aber nicht der einzige Lösungsansatz. Ich wünsche mir von den Schulen auch eine noch bessere Arbeitsorganisation. Nicht jede Schule benötigt ein Konferenzzimmer im klassischen Sinn. Eine Konferenz lässt sich auch in der Aula oder im Gemeindesaal abhalten. Viele Fachlehrer haben ihre Arbeitsplätze zudem in ihren Chemie- oder Physiksälen oder in der Bibliothek. Der Arbeitsplatz der Lehrer ist zudem schwerpunktmäßig bei den Schülern. Wir brauchen also neue, kreative Lösungen – statt eines Konferenzzimmers etwa Besprechungsräume, um das Teamteaching vorzubereiten. Zudem muss nicht jeder für jede Tätigkeit immer an der Schule sein. Es soll eine Kernarbeitszeit an der Schule geben. Aber vorbereiten oder korrigieren kann man, wenn man will, auch zu Hause. Viele dieser Fragen werden sich mit dem neuen Dienstrecht klären.

Das Thema Lehrerdienstrecht wurde erneut verschoben. Gehen Sie davon aus, dass Sie die ÖVP noch überzeugen können, sich hier von ihren Gewerkschaftern zu emanzipieren?

Die ÖVP ist in einem Rollenkonflikt. Ich gehe aber davon aus, dass wir zu einer gemeinsamen Dienstgeberposition kommen. Aber vielleicht ist das auch Zweckoptimismus, weil ich das neue Dienst- und Besoldungsrecht unbedingt will.

Der Rechnungshof hat Ihnen bei der Gründung des Bildungsinstitut BIFIE Mängel vorgeworfen und die hohen Ausgaben kritisiert. Würden Sie zugeben, dass bei der BIFIE-Gründung nicht alles gut gelaufen ist?

Ich halte die Ausgliederung des BIFIE für richtig. Dadurch wurde die Effektivität erhöht. Ich nehme den RH aber sehr ernst. Wir müssen bei ausgegliederten Institutionen auf Ordnung achten und Konsequenzen ziehen, wenn etwas falsch läuft.

Stichwort Ordnung: Wie kann es laut Rechnungshof sein, dass im Museum für angewandte Kunst tausende Objekte fehlen – und keiner weiß, warum?

Ich warte hier den Endbericht des Rechnungshofs und die Stellungnahme der Museumsleitung ab.

Angeblich wurden Lieferanten in die Besucherzahlen eingerechnet, um eine bessere Bilanz abzuliefern.

Falls dem so war, ist das nicht okay.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2012)

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