Wie Ganztagsschule funktioniert, wer sie besuchen muss

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Unterrichtsministerin Claudia Schmied will die Umstellung auf Ganztagsschulen erleichtern. Die Lehrer sollen kein Veto mehr haben und pochen auf ein Mitspracherecht.

Wien. Die Debatte um den Ausbau der Ganztagsschule ist um einen Aspekt reicher: Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) will die Hürden für die Einführung von ganztägigem, verschränktem Unterricht senken. Alleine die Eltern sollen künftig darüber entscheiden, ob eine Klasse ganztägig geführt wird oder nicht – Lehrer sollen kein Veto mehr haben. Mit dieser Forderung im „Presse“-Interview sorgte Schmied für Wirbel: Die Lehrer pochen auf ein Mitspracherecht, auch Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) stellt sich quer: Er will, dass Schüler, Eltern und Lehrer am jeweiligen Standort gemeinsam darüber entscheiden.

• Echte Ganztagsschule. Es geht um die sogenannte „verschränkte“ Form der Ganztagsschule. Unterricht und Freizeit wechseln sich ab (siehe Grafik). Damit das Modell in einer Klasse bzw. Schule eingeführt wird, müssen zwei Drittel der betroffenen Eltern sowie zwei Drittel der Lehrer zustimmen. Reine Nachmittagsbetreuung kann hingegen nicht blockiert werden. Klassen- oder schulübergreifende Betreuung muss ab zwölf bzw. 15 Schülern angeboten werden.

• Plätze und Bedarf. Laut Umfragen wünscht sich mehr als die Hälfte aller Eltern einen Ganztagsplatz für die Kinder (verschränkt oder nicht), heißt es aus dem Ministerium. An den Pflichtschulen werden derzeit 119.000 Schüler ganztägig betreut – nur an rund hundert Standorten aber mit verschränktem Unterricht. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) forderte kürzlich, das Modell auf alle Schulstandorte auszudehnen. Die ÖVP steht dem kritisch gegenüber.

• Verpflichtung. Umstritten ist die verschränkte Form vor allem aus einem Grund: Ist die Entscheidung dafür gefallen, ist die ganztägige Teilnahme verpflichtend. Dass einzelne Schüler früher nach Hause gehen, ist nicht möglich, da auch am Nachmittag regulärer Unterricht stattfindet. Bildungsforschern zufolge entspricht der Wechsel zwischen Freizeit und Unterricht dem Lernrhythmus der Kinder. Sozial benachteiligte Schüler profitieren auch aufgrund von betreuten Lernphasen von der Ganztagsschule.

• Lehrer. Das verschränkte Modell hat auch Auswirkungen auf die Arbeitszeit der Lehrer. Sie müssen vermehrt auch nachmittags unterrichten. Insgesamt steigt der Bedarf an Pädagogen, denn auch die Lernstunden müssen von Lehrern übernommen werden. Für diese verdienen sie im Vergleich zu „normalen“ Unterrichtsstunden nur die Hälfte. Die Freizeitgestaltung übernehmen dann sogenannte Freizeitpädagogen – die Ausbildung dafür läuft bereits. Bezahlt werden diese vom Schulerhalter (also in den meisten Fällen von den Gemeinden).

• Sportvereine. Sind die Kinder erst einmal den ganzen Tag in der Schule, wird der Zulauf zu Sportvereinen und Musikschulen geringer. In verschränkten Ganztagsschulen sollten diese miteingebunden werden. Rechtlich ist das aber schwierig. Denn sowohl Trainer als auch Musikschullehrer gelten als schulfremde Personen und müssen stets von einem Lehrer oder Hortpädagogen begleitet werden.

• Finanzierung. Die SPÖ will das Geld für den Ausbau von (verschränkten und nicht verschränkten) Ganztagsschulen auf 160 Mio. Euro pro Jahr verdoppeln. Ein Teil davon soll in den Schulumbau gesteckt werden. Bis 2019 könnten so rund 200.000 Schüler ganztägig betreut werden. Die ÖVP ist von ihrem ursprünglichen Widerstand abgerückt. Sie pocht aber auf Beibehaltung der Wahlfreiheit zwischen reiner Nachmittagsbetreuung und Verschränkung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2012)

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