Die soziale Herkunft der Schüler und der Migrationshintergrund beeinflussen die erwartbare Leistung von Schulen und Regionen.
Wien. Die Ergebnisse der Bildungsstandards haben – wie schon viele internationale Studien zuvor – bewiesen, dass der Bildungserfolg in Österreich deutlich vom sozialen Status, dem Bildungsabschluss der Eltern sowie dem Migrationshintergrund abhängt. Diese Faktoren wirken sich nicht nur auf die Leistung des Einzelnen, sondern auch auf jene der Schule bzw. einer gesamten Region aus. Vereinfacht gesagt: Für eine Wiener Brennpunktschule ist es schwieriger, gute Leistungen zu erzielen als für eine AHS in einer Kleinstadt.
Inwieweit die Schule bzw. die dort unterrichtenden Lehrer gute Arbeit leisten, ist anhand der erreichten Punktezahl bei den Bildungsstandards also nicht wirklich ablesbar. Um die tatsächliche Leistung ersichtlich zu machen, wurde bei der Auswertung der Ergebnisse auch ein sogenannter „fairer Vergleich“ berechnet. Bei diesem werden auch die strukturellen Rahmenbedingungen miteinbezogen. Konkret werden elf Faktoren berücksichtigt und gewichtet, etwa die Schulgröße, der Migrantenanteil und der Sozialstatus der Eltern. Eine Rolle spielt auch die Schulform – also, ob es sich bei der Schule um eine Neue Mittelschule bzw. Hauptschule (NMS) oder ein Gymnasium handelt. Dadurch ergibt sich nicht nur für jede Schule, sondern auch für jedes Bundesland ein anderer Erwartungswert. Arbeitet die Schule gut, so übertrifft sie diesen, arbeitet sie schlecht, liegt die Punkteanzahl unter dem eignen Erwartungswert.
Diese Form der Auswertung brachte vor allem für Kärnten ein ernüchterndes Ergebnis. Kein anderes Land bleibt so weit unter dem eigenen Erwartungswert. Sowohl die Schüler der Hauptschulen bzw. Neuen Mittelschulen als auch jene aus dem Gymnasium erreichen um rund zwanzig Punkte weniger als eigentlich zu erwarten wäre (siehe Grafik). Aber auch das Burgenland schöpft das vorhandene Potenzial nicht aus. Die Gymnasien bleiben rund zehn Punkte unter dem Erwartungswert, Haupt- und Neue Mittelschulen liegen sogar fast 15 Punkte darunter. Anders in Wien. Hier arbeiten die Lehrer unter besonders schwierigen Rahmenbedingungen. In Anbetracht der Umstände leisten die Schulen solide Arbeit, so das Ergebnis des „fairen Vergleichs“. Wien erreicht in etwa die für die Stadt erwarteten Werte. Am besten schneidet auch bei dieser Auswertung Oberösterreich ab. Das Land übertrifft die erwarteten Ergebnisse bei weitem. Die Gymnasien sind um knapp 20 Punkte besser als angenommen.
Gewichtung ist „fatale Botschaft“
Diese Art der Auswertung ist jedoch nicht unumstritten. Der Bildungswissenschaftler Stefan Hopmann von der Universität Wien hält den „fairen Vergleich“ etwa für eine „fatale Botschaft“. Man verteilt damit nämlich die Botschaft: „Wenn du unten bist, ist das nicht so schlimm, wenn es immer noch etwas mehr ist, als die anderen können. Und wenn du oben bist, nützt dir das nichts, weil es immer noch jemanden gibt, der mehr kann als du.“ Außerdem sei es falsch, das Abschneiden der Schüler lediglich als Leistung der Schule zu werten. Zudem gebe es noch hundert andere Gründe, die das Ergebnis beeinflussen.
Mehr Geld für Problemschulen S.21
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2012)