"Wissenschaftler sind nicht automatisch gute Lehrer"

Wissenschaftler nicht automatisch guter
Wissenschaftler nicht automatisch guter(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Uni-Minister Karlheinz Töchterle und Schulministerin Claudia Schmied sprechen beim "Presse"-Doppelinterview über vergessene Kindergärtner und Mängel in der Ausbildung der AHS-Lehrer.

Die Presse: Sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass in der Bildungspolitik nur Blockade herrscht. Wie schwierig ist eine konstruktive Zusammenarbeit – mit zwei Parteien im Hintergrund, die in Bildungsfragen so konträrer Meinung sind?

Claudia Schmied: Das gemeinsame Wollen ist entscheidend. Außerdem weiß jeder von uns beiden, was er dem anderen zumuten kann. Mit unserer Einigung bei der neuen Lehrerbildung haben wir vorgelebt, wie Zusammenarbeit funktionieren kann.

Karlheinz Töchterle: Da kann ich nur zustimmen. Natürlich gibt es zwischen uns beiden auch Meinungsverschiedenheiten. Die Kunst ist, trotz unterschiedlicher Meinungen gemeinsame Ziele zu erreichen.

Ihre Antworten verwundern. Sie haben die neue Lehrerbildung zwar gemeinsam präsentiert, wenige Stunden später gab es aber bereits den ersten Streit. Sie sind sich nicht einig, ob AHS-Lehrer künftig – anders als bisher – auch an pädagogischen Hochschulen ausgebildet werden dürfen oder weiterhin nur an Unis.

Schmied: Ich weiß, dass wir Menschen Dramen lieben. Und damit arbeiten auch die Medien. Die Wahrheit ist: Mit dem Gesetzesentwurf zur neuen Lehrerbildung soll es uns gelingen, eine völlig neue Pädagogenbildung nach internationalen Standards zu schaffen. Die Frage nach Schultypen und Strukturen, über die auch Journalisten immer gerne diskutieren, tastet die neue Lehrerbildung nicht an. Dass ÖVP und SPÖ in der Strukturfrage unterschiedlicher Meinung sind, ist bekannt.

Die Meinungsverschiedenheit in der Frage, ob AHS-Lehrer eine andere Ausbildung erhalten müssen als etwa Lehrer an Hauptschulen und Neuen Mittelschulen, bleibt aber bestehen.

Schmied: Nein. Die Regelung ist völlig klar. Jeder Lehrer, der in Zukunft in der Sekundarstufe unterrichten will (AHS, BHS, NMS etc., Anm.), hat einen vierjährigen Bachelor zu absolvieren – und zwar an einer PH oder einer Uni oder einem Uni-PH-Verbund. Und dann muss er noch einen mindestens eineinhalbjährigen Master machen. Diesen Master dürfen PH nicht allein anbieten, sondern müssen Kooperationen mit Unis eingehen. Der unabhängige Qualitätsrat sichert die Qualität.

Töchterle: Wer an einer AHS oder NMS unterrichten will, hat Vorsorge zu treffen, sich im Bachelorstudium so zu bilden, dass er den Master an der Uni schafft.

Was heißt das für angehende Lehramtsstudenten? Haben diese die Sicherheit, dass sie auch ein Bachelorstudium an einer PH jedenfalls berechtigt, an der Uni den Master anzuschließen?

Töchterle: Schon jetzt müssen die Unis gewisse Zeugnisse von PH anerkennen. Das soll entsprechend ausgeweitet werden.

Schmied: Es wird wohl nicht im Interesse der Institutionen sein, Bachelorstudien anzubieten, die sich als Sackgasse entpuppen. Jeder Lehrer braucht künftig den Masterabschluss, in der Sekundarstufe „uni-konform“.

Warum, Herr Minister, verweist Ihr Ministerium demonstrativ auf einen Paragrafen in Ihrem Gesetzesvorschlag, der besagt, dass an der bestehenden Kompetenzverteilung – die PH bildet NMS- und Hauptschullehrer aus, die Unis die AHS-Lehrer – festgehalten werden soll? Ist das ein Zugeständnis an die AHS-Lehrergewerkschaft?

Töchterle: Es geht nicht um Zugeständnisse. Die PH sind derzeit für die Ausbildung von NMS- und Hauptschullehrern hauptverantwortlich, die Unis für die AHS. Die Starrheit dieses Systems soll gelockert werden. Entscheidend ist die Qualität der Lehrer, und diese steigern wir mit der neuen Ausbildung. Auch jene der AHS-Lehrer.

Schmied: Zukünftig wird es – so wie bei den Berufsbildern – diese Starrheit des Systems gar nicht mehr geben. Qualität und Kompetenz zählen, das gilt auch für die Institutionen. Der Gesetzesvorschlag öffnet den Weg, erstklassige Curricula für Studierende vor allem in Kooperation von Unis und PH zu entwickeln.

Woran, Herr Minister, krankt derzeit die Ausbildung der AHS-Lehrer?

Töchterle: Es gibt immer noch Uni-Institute, die der Meinung sind, es genüge, einen guten Wissenschaftler auszubilden – im Glauben, dass dieser automatisch auch ein guter Lehrer ist. Dem ist aber nicht so. Das Schulfach Mathematik und das Wissenschaftsfach Mathematik – das gilt auch für jedes andere Fach – sind zwar namensgleich. Sie unterscheiden sich aber grundlegend, weil sie ja auch unterschiedliche Ziele verfolgen.

Woher kommt dieses Denken an den Unis?

Töchterle: Das ist historisch bedingt. Bis ins 18. Jahrhundert waren Pädagogen theologisch ausgebildet. Dann haben die Philologen das Geschäft übernommen. Die Philologen haben sich dabei immer als Wissenschaftler gefühlt, nicht als Lehrer. Der Philologe als Lehrer war eigentlich ein verhinderter Universitätsprofessor, der an der Schule seine Zeit zugebracht hat und dort auch die Kinder unterrichten musste. Diese Denkweise ist teilweise noch an Unis verhaftet. Die Professionsorientierung ist derzeit vor allem eine Stärke der pädagogischen Hochschulen. Die Unis ziehen nach.

Schmied: Wir brauchen die besten Pädagogen für alle Schüler. Darum sind die Kooperationen zwischen den Institutionen auch so wichtig.

Wie werden die Schüler die neue Lehrerausbildung im Unterricht spüren? Was können die neuen Lehrer denn besser?

Schmied: Lehrer sollen Begeisterung für das Lernen wecken können. Und aus einem tiefen inneren Verständnis des Faches heraus professionsorientiert agieren.

Töchterle: Wir haben einen zweiseitigen Kompetenzkatalog formuliert. Die künftigen Lehrer werden hoch kompetent sein, was ihre Fächer, aber auch was Entwicklungs- und Lernpsychologie betrifft sowie hinsichtlich Mehrsprachigkeit, Migration, Interkulturalität.

Viele Kindergartenpädagogen sind enttäuscht, dass sie im neuen Konzept – entgegen der Ankündigungen – wieder einmal vergessen wurden.

Töchterle: Wir tun sehr wohl etwas in dem Bereich. Wir haben aber in der Forschung großen Nachholbedarf bei Frühkindpädagogik und bauen jetzt sukzessive die wissenschaftliche Kompetenz aus. Dann wird man Elementarpädagogik auch studieren können.

Schmied: Wir könnten jetzt noch gar kein Studium anbieten. Aber ich bin mir sicher, dass es zu einem weiteren Ausbau kommt und wir mehr Bakip-Absolventen (Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik, Anm.) für ein Lehramtsstudium begeistern können.

Die Wahrheit ist doch, dass die Gemeinden signalisiert haben, dass sie gar kein Interesse an besser ausgebildeten – und damit teureren – Kindergärtnern haben.

Töchterle: Ich bin überzeugt, dass es Gemeinden gibt, die bestausgebildetes Personal haben wollen. Zudem erwarte ich mir, dass es ambitionierte Bürger gibt, die sagen: „Lieber Bürgermeister, für unseren Kindergarten ist nur das Beste gut genug. Stell auch eine akademische Kraft an.“ Die Regierung will und kann die Gemeinden dazu nicht zwingen.

Vor nicht allzu langer Zeit waren Ihre Ministerien noch ein gemeinsames Ressort. Eine Zusammenlegung würde die Abläufe deutlich vereinfachen.

Schmied: (Lacht.) Was den Abstimmungsbedarf betrifft, wäre es wohl besser, wenn man mein Ressort mit dem Finanzministerium zusammenlegen könnte.

Können wir davon ausgehen, dass Sie beide nach der Wahl hier wieder gemeinsam sitzen wollen?

Schmied: Wir warten die Wahl ab, dann stellt der Parteivorsitzende sein Team zusammen. Wenn man mich fragt, würde ich Ja sagen.

Töchterle: Bei mir ist es ganz ähnlich. Ich arbeite gut mit Claudia Schmied zusammen und würde es weiter gerne tun.

Ist das eine Absage an Günther Platter, der Sie als Bundespräsident ins Spiel gebracht hat?

Töchterle: (Lacht.) Die Präsidentschaftswahl ist in drei Jahren. Daran denk ich noch nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2013)

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