Dänemark: Regierung schickt Lehrer zurück in die Schule

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Nahezu vier Wochen haben die Kommunen rund 69.000 Lehrer nicht in die Schulgebäude gelassen - ab Montag beginnt jedoch der Unterricht für 900.000 Schüler wieder.

Kopenhagen. „Ich bin so froh, dass ich wieder in die Schule gehen darf!“ Der Jubel von Agnete Vienberg Hansen, der 15-jährigen Vorsitzenden des Schülerverbandes, ist typisch für die Stimmung in Dänemark nach vier Wochen ohne Unterricht. Ab Montag ist es wieder so weit: Mit einem Zwangseingriff beendet die Regierung in Kopenhagen den Arbeitskonflikt, den der Kommunalverband durch die Aussperrung von 69.000 Grund-und Berufsschullehrern ausgelöst hat. Dieser Konflikt bescherte unfreiwillig fast 900.000 dänischen Schülern verlängerte Osterferien.

Verzweifelte Eltern, gelangweilte Schüler

Denn Ferien sind schön, aber überlange Ferien können nervig werden, wenn es an Freizeitalternativen hapert und die Abschlussprüfungen immer näher rücken. Hatten die Schüler und ihre Eltern den Konflikt anfänglich von der heiteren Seite genommen, so wurde mit Fortdauer der Ruf nach einem Regierungsdiktat zur Beendigung des von den Kommunen geführten Arbeitskampfes immer lauter. Da hatten die meisten Eltern ihre Urlaubstage aufgebraucht, ihre Familiennetzwerke überbelastet, die Kinder zu oft zur Arbeit mitgeschleppt und ihnen zu viel Zeit vor dem Fernseher oder dem Computer gestattet. In einem Land, in dem so gut wie alle Eltern berufstätig sind, ist die Betreuung der Sprösslinge eine Voraussetzung für das Alltagsleben: Entsprechend groß waren zuletzt die Demonstrationen für eine Beendigung des Ausstandes.

Die Mitte-links-Regierung hatte noch anfangs der Woche auf das dänische Modell verwiesen, nach dem die Arbeitsmarktparteien ihre Konflikte selbst zu lösen pflegen. Nachdem am Mittwoch jedoch eine „Kaffeerunde“ der Hauptunterhändler von Lehrergewerkschaft und Kommunalverband, zu der die Organisation „Schule und Eltern“ geladen hatte, völlig ergebnislos blieb, schwenkte sie um. „Nach vier Wochen Konflikt und ohne Anzeichen reeller Verhandlungen ist es jetzt notwendig, den Unterricht unserer Kinder zu sichern“, sagte Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt, als sie am Donnerstag das Eingreifen der Regierung verkündete.

Am Freitag soll das Parlament den Vorschlag behandeln, eine Mehrheit für den Vorschlag ist durch die Unterstützung der bürgerlichen Opposition sicher. Am Montag sollen die Schulen wieder geöffnet werden, auch wenn die schriftlichen Prüfungen, die eigentlich in der nächsten Woche beginnen sollten, um 14 Tage verschoben werden.

„Discount-Schule ohne Vorbereitung“

Der Streitpunkt des Konflikts, die Arbeitszeit der Lehrer, wird durch ein Modell gelöst, das weitgehend den Interessen der Arbeitgeber folgt: „Dafür haben sie seit Jahrzehnten gekämpft, jetzt haben sie gewonnen“, urteilt Arbeitsmarktforscher Flemming Ibsen. Dafür griffen sie sogar zum drastischen Mittel der Massenaussperrung, die im öffentlichen Dienst äußerst ungewöhnlich und in vielen Ländern sogar verboten ist. Die bisher gültige Regel, die für jede Unterrichtsstunde eine gewisse Vorbereitungszeit pro Schüler garantiert, wird durch ein flexibleres Modell ersetzt, das den Rektoren das Recht auf die Verteilung der Arbeitszeit gibt.

Die Rosinen für die Lehrer sind klein: Statt der sonst im öffentlichen Dienst üblichen Monatsnorm behalten sie eine Jahresnorm, die ihnen neben arbeitsintensiveren Wochen auch mehr Freizeit als anderen Berufsgruppen bringt. Außerdem stellt die Regierung extra Mittel für Lohnerhöhungen und Weiterbildung der Grundschullehrer zur Verfügung. Während sich der Kommunalverband mit dem Ergebnis zufrieden zeigt, hält die Lehrergewerkschaft an der Warnung vor einer Discount-Schule ohne ausreichende Stundenvorbereitung fest.

„Dies ist kein Eingriff, sondern ein Angriff und Übergriff“, kommentierte die Vizevorsitzende der Lehrergewerkschaft, Lene Søgaard. Ab Montag wird es jedenfalls hektisch in den Schulen: Zwei Millionen Unterrichtsstunden sind ausgefallen, jetzt muss das Pensum für die Abschlussprüfungen der neunstufigen Grundschule im Blitztempo nachgelernt werden – ehe Ende Juni die richtigen Ferien beginnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2013)

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