Contra: Verbieten statt verstehen

Viele Lehrer unterrichten an der Welt da draußen vorbei. Das ist sehr bequem.

Es hätte keines weiteren Beweises bedurft, dass viele Schulen – und ihre Lehrer – so ihre liebe Not damit haben, die Lebensrealität ihrer Schüler zu verstehen. Und dennoch gelingt es den Verantwortlichen mit der Debatte um Handyverbote einmal mehr, ihre Hilflosigkeit ziemlich eindrucksvoll unter Beweis zu stellen. Der relativ schlichte Grundsatz, nach dem sie handeln: Womit wir nicht umgehen können, das verbieten wir halt einfach.

Damit machen es sich die betroffenen Schulen leicht: Die Lehrer müssen gleich gar keine Gedanken darauf verschwenden, wie sie moderne Kommunikationsmittel sinnvoll in den Unterricht einbinden oder gar selbst nutzen könnten, um mit ihren Schülern – etwa im Web 2.0 – in Kontakt zu treten. Den Vorwurf, irgendwie an der Welt da draußen vorbeizuunterrichten, müssen sie sich im Gegenzug gefallen lassen. Und die Chance, Kindern frühzeitig einen bewussten Umgang mit dem Handy nahezubringen, vergeben sie leichtfertig.

Das Argument, die Handys würden den Unterricht stören, gilt übrigens nicht. Wer sich von faden Stunden ablenken will, kann das auch ohne Handy vorzüglich. Das haben Generationen zuvor – man erinnere sich an die eigene Schulzeit – bewiesen. Und: Wer sich als Lehrer nicht den nötigen Respekt verschaffen und Interesse wecken kann, sollte wohl die Unterrichtsgestaltung überdenken. Dazu bräuchte es aber ein gediegen Maß an Selbstreflexion. Wie gut, dass einem eine funktionierende Verbotsgesellschaft derart unangenehme Dinge erspart.

christoph.schwarz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2013)

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