Pühringer: "Stolz ist ein sündhaftes Verhalten"

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Landeschef Josef Pühringer (ÖVP) über seinen Sieg im Kampf um eine Medizin-Fakultät, den Wunsch nach einer fünfjährigen Volksschule und die Versäumnisse beim Lehrerdienstrecht.

Die Presse: Herr Landeshauptmann, in Ihrem Leben vor der Politik waren Sie selbst Lehrer. Ist es den Lehrern tatsächlich nicht zumutbar, zwei Stunden länger zu unterrichten?

Josef Pühringer: Es geht nicht darum, ob Lehrer zwei Stunden länger unterrichten, sondern um die Gesamtsituation. Das Umfeld, in dem Lehrer arbeiten, ist einfach nicht gut – etwa hinsichtlich der Arbeitsplätze in den Konferenzzimmern. Auch die Bezahlung der Lehrer ist nicht gut.

Sie verstehen also die Kritik der Lehrergewerkschaft an dem Dienstrechtsmodell, das die Bundesregierung vorgelegt hat?

Das Problem dieser Verhandlungen liegt in ihrer unendlichen Geschichte. Ich meine, dass man diese Verhandlungen zügiger hätte führen müssen. Das Aufeinanderzugehen hat mir zu spät begonnen. Die Fronten sind mittlerweile zu verhärtet. Eines noch: Mir ist klar, dass eine Gewerkschaft als Interessenvertretung immer 110 Prozent fordert. Sie darf aber auch nicht vergessen, dass sie Teil eines Ganzen ist und Verantwortung trägt, dass es eine gute Lösung gibt.

Sie teilen also die Meinung Ihrer Bundespartei, dass das Dienstrecht
vor der Wahl im Herbst zu einem
guten Ende gebracht werden soll?

Ja, das wäre natürlich sehr wünschenswert. Aber es gilt das Prinzip „Qualität vor Zeit“.

Insgesamt hat man das Gefühl, dass Rot-Schwarz in Bildungsbelangen seit Jahren kraftlos agiert.

Ich glaube, dass viel passiert ist, was jetzt im Schatten steht. Denken Sie an die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl auf 25. Das hat allein in Oberösterreich zu mehr als 1000 zusätzlichen Lehrerstellen geführt. Aber es ist richtig, dass wir in der Bildung einen Schub brauchen. Leider sind die Ansatzpunkte, über die derzeit immer diskutiert wird – also Schulformen und Dienstrecht –, falsch gewählt.

Meine Frage, ob Sie wie Ihre ÖVP-Kollegen aus Tirol und Vorarlberg ebenfalls für eine gemeinsame Schule sind, kann ich mir demnach sparen.

Die können Sie sich sparen. Eltern müssen Wahlfreiheit haben. Man kann mit mir alles ausprobieren – aber im Bereich der Schulversuche. In Wahrheit geht es mir jedoch um andere Themen. Wir brauchen eine Schule, die auf die Stärken der Schüler setzt und öfter danach fragt, was der Einzelne kann – und nicht danach, was er nicht kann. Untersuchungen zeigen – bei mir selbst war das übrigens auch so –, dass man in der Oberstufe 80 Prozent der Zeit für Fächer aufwendet, die man nicht kann. Und nur zwanzig Prozent für Dinge, in denen man begabt ist. Das führt dazu, dass Begabungen der Jugendlichen nicht voll entwickelt werden.

Ihr Lösungsansatz?

Ich wünsche mir eine Erhöhung der Wahlfächerstunden. Nicht jeder muss zum Beispiel Physik auf Maturaniveau beherrschen. Mir ist es wesentlich lieber, ein sprachbegabter Schüler leistet in seinem Bereich 130 Prozent – und in Chemie und Physik dafür nur 70 Prozent.

Wenn es Ihnen um Begabungen geht, müssen Sie doch auch sehen, dass wir viele Schüler auf dem Weg zu höherer Bildung zu früh verlieren.

Ich bin für die Stärkung der Volksschule. Die Kulturtechniken – Lesen, Schreiben, Rechnen – müssen gestärkt werden. Der Vorwurf, unsere Kinder könnten nicht einmal mehr lesen, den müssen wir endlich loswerden. Ich spreche mich daher schon lange für eine Verlängerung der Volksschulzeit aus, etwa auf fünf Jahre. Dieses Jahr kann man dann im weiteren Bildungsverlauf in den anderen Schulformen kürzen.

Sie haben sich mit Ihrer Forderung nach einer Linzer Medizin-Fakultät durchgesetzt. Wie stolz sind Sie, dass Sie allen bewiesen haben, dass vor allem in Wahljahren die eigentliche politische Macht bei den Ländern liegt?

Die Fragestellung ist eine typisch journalistische.

Dann hoffe ich jetzt, dass ich keine typische Politikerantwort bekomme.

Stolz ist jedenfalls der falsche Ausdruck. Stolz ist, das sage ich auch als ehemaliger Religionslehrer, ein sündhaftes Verhalten. Und es geht mir nicht um Macht. Es geht darum, dass man als verantwortungsvoller Politiker um Dinge kämpft, die man als richtig erkannt hat.

Dass außerhalb Oberösterreichs so gut wie alle Experten die Sinnhaftigkeit dieser Medizin-Fakultät infrage stellen, macht Sie nicht nachdenklich?

So ein Verhalten ist mir nicht neu. Es waren damals auch alle gegen die Gründung der Uni Linz. Gott sei Dank haben wir uns durchgesetzt. Oberösterreich als stärkster Wirtschaftsraum Österreichs muss sich langfristig in Richtung Volluniversität entwickeln. Die Medizin ist da ein wichtiger Schritt. Auch unsere Wirtschaft wird davon – Stichwort Medizintechnik – profitieren. Und glauben Sie mir, viele Experten sind von unserem Konzept überzeugt.

Ich bin sicher, dass niemand davon überzeugt ist, dass Ihre Fakultät den Ärztemangel – und das war eines Ihrer Hauptargumente – beseitigen wird.

Das Konzept dient sehr wohl dazu, den Ärztemangel zu beseitigen.

Wir bilden doch nicht zu wenige Ärzte aus – wir verlieren sie nur aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen.

Sehen Sie sich die demografische Entwicklung an! Ich kann beweisen, dass in Oberösterreich im Jahr 2020 rund 200 Ärzte in Pension gehen. Es studieren aber nur rund 100 Oberösterreicher pro Jahr Medizin. Und ein Teil davon geht in andere Länder. Da muss ich als Landeshauptmann handeln.

Nur weil Sie ein paar Studienplätze anbieten, werden plötzlich auch nicht alle oberösterreichischen Maturanten Arzt in Oberösterreich werden wollen.

Natürlich müssen wir uns darum kümmern, dass die Leute nicht in die Schweiz und nach Deutschland abwandern. Natürlich müssen wir den Job attraktiver gestalten. Aber es wird kein Allheilmittel geben. Alle Maßnahmen sind Teil eines Puzzles. Und die Med-Fakultät ist ein wichtiges Puzzlestück. Das lasse ich mir nicht nehmen!

Woher kommt plötzlich das Geld für die Med-Fakultät? Land und Gemeinden steuern ja 225 Millionen Euro bei.

Wir können das finanzieren. Wie wir die Summe zwischen Land und Gemeinden aufteilen, ist noch zu klären. Ich gehe von einem Verhältnis vor circa 60 zu 40 Prozent aus. Ob wir dafür einen Kredit aufnehmen, ist noch unklar. Aber das ist unsere Sache.

Ein Blick auf die Nationalratswahl: Oberösterreich gilt als schwarz-grüner Vorreiter. Halten Sie, falls es rechnerisch möglich wäre, eine derartige Koalition auf Bundesebene für sinnvoll?

Das wird sich rechnerisch nicht ausgehen. Falls doch, wäre es einen Versuch wert. Auch wenn Schwarz-Grün im Land sicher leichter ist als im Bund. Ich warne jedenfalls vor Dreierkoalitionen. Jeder will seine Handschrift sichtbar machen. Und drei Handschriften nebeneinander sind kaum machbar.

Einer Zusammenarbeit mit Frank Stronach erteilen Sie damit eine Abfuhr.

Zuerst ist einmal der Wähler am Wort. Aber zu Frank Stronach: Ich respektiere seine wirtschaftlichen Leistungen. Mit seinem Grundsatz, „Wer das Gold hat, macht die Regeln“, kann man aber keine Politik machen. Außerdem: So wie er einfach ein paar Abgeordnete zusammenzusammeln, die in ihren Mutterparteien keine Chance mehr haben, ist noch keine große Leistung.

Zur Person

Josef Pühringer (63) ist seit dem Jahr 1995 Landeshauptmann von Oberösterreich. Während seines Jus-Studiums an der Universität Linz war Pühringer als Religionslehrer tätig. Seit 2003 führt der ÖVP-Politiker eine schwarz-grüne Koalition an.

Med-Fakultät. Pühringer gilt als Mastermind hinter den – mittlerweile erfolgreichen – Bestrebungen des Landes, eine eigene medizinische Fakultät an der Universität Linz zu errichten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2013)

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