Bildung: Nicht jede Reform hat diesen Namen verdient

Töchterle und Schmied konnten vieles (noch) nicht durchsetzen.
Töchterle und Schmied konnten vieles (noch) nicht durchsetzen.(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Fünf Jahre SPÖ-ÖVP-Koalition brachten die Zentralmatura (und deren Verschiebung), die Abschaffung der Hauptschule, ein langes Hin und Her bei den Studiengebühren und neue Zugangsbeschränkungen an den Unis.

Bildung war in den vergangenen fünf Jahren unter Rot-Schwarz eines der bestimmenden Themen. Geschockt durch die schlechten Ergebnisse bei internationalen Vergleichsstudien sollte wieder Boden gutgemacht werden. „Die Presse“ hat sich angeschaut, was Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) und Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) gelungen ist, was nicht – und welche Reformen diese Bezeichnung eigentlich gar nicht verdient haben.

Neutral: Zentralmatura

Die Einführung der Zentralmatura hat Eltern, Schüler und Lehrer zugleich verärgert – teils berechtigt, teils aber auch nicht. Während die Kritik am Vorhaben selbst – also daran, dass Schüler künftig das Gleiche leisten müssen, um die Matura zu bestehen – oft von Eigeninteressen geprägt war und damit oft ins Leere ging, hat die überhastete Umsetzung zu Recht für Widerstand gesorgt. Das Ganze gipfelte in der Verschiebung der Zentralmatura.
Nun wird man erst 2015 sehen, was diese bewirkt.

Plus: Bildungsstandards

Die Ergebnisse der ersten Testung waren mehr als ernüchternd, das schmälert aber nicht das Instrument. Auch wenn manche Kritiker monieren, vom Wiegen werde die Sau nicht fetter: Die Standards in einer Schulrealität zu etablieren, die mit Evaluierung in der Regel wenig anfangen kann, muss man als Erfolg anerkennen. Wird mit den Standards selbst auch noch transparent umgegangen – hier haperte es zuletzt noch –, sind sie sicherlich einer der Erfolge.

Minus: Lehrerdienstrecht

Seit Jahren wird verhandelt. Und auch wenn die Regierung vor der Wahl – mit oder ohne Gewerkschaft – noch eine Punktation schaffen sollte: Ein großer Wurf wird es wohl nicht. Ein modernes Dienstrecht getraute sich die Regierung nie zu fordern. Das, was modern war, wird von der ÖVP-dominierten Gewerkschaft rausreklamiert. Die übrigens nur so stark ist, wie die Regierung schwach ist, was nicht zuletzt an der ÖVP liegt: Die wollte ihre Klientel (zu) lange nicht verschrecken.

Neutral: Lehrerausbildung

Die neue Lehrerbildung wurde als großer Wurf gefeiert. Ganz so toll ist die Reform aber nicht. Zwar werden künftig alle Lehrer – also auch Volks- und Hauptschullehrer – mit einem Master abschließen, von der versprochenen gemeinsamen Ausbildung aller ist man dennoch weit weg. Zudem ist unklar, wie die Zusammenarbeit von PH und Uni funktionieren soll.

Neutral: Neue Mittelschule

In der aktuellen Regierungsperiode wurde das Ende der Hauptschule eingeläutet. Spätestens ab Herbst 2018 wird diese gänzlich durch die Neue Mittelschule (NMS) ersetzt. Das Ziel: Die NMS soll besser als die Hauptschule sein. Die Qualität soll etwa durch das gemeinsame Unterrichten von Hauptschul- und AHS- bzw. BHS-Lehrern gesteigert werden. Dieser Wunsch der Unterrichtsministerin scheitert aber zusehends an der Realität: Der Lehrermangel macht das Unterrichten als Team unmöglich. Kritiker sagen deshalb, dass durch die Reform lediglich die Türschilder ausgewechselt wurden.

Plus: Nachmittagsbetreuung

Auch wenn die veröffentlichen Zahlen zur Nachmittagsbetreung für Verwirrung sorgen (hineingerechnet wird da offenbar alles, was mit Betreuung zu tun hat): Der Ausbau ist gelungen, nach langem Hin und Her – die ÖVP gab sich widerspenstig – wurden die Mittel lockergemacht. Binnen fünf Jahren soll die Platzzahl verdoppelt werden (200.000). Was fehlt, sind flächendeckend verschränkte Angebote, also Schulen, an denen sich Unterricht und Freizeit abwechseln.

Minus: Verwaltungsreform

Ja, vor dem Sommer wurde noch ein Paket durchgewinkt, das den Titel Reform der Schulverwaltung trug. Von einer großen Reform hat dieses allerdings wenig: De facto geht es dabei nur um eines: um die Abschaffung der Bezirksschulräte, die jährlich fünf Mio. Euro an Einsparung bringt. Zweifellos ein richtiger Schritt, bei den Baustellen in der heimischen Schulverwaltung (Stichwort Kompetenzwirrwarr) allerdings lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein.

Neutral: Sprachförderung

Der Streit um die Sprachkenntnisse als Kriterium für die Schulreife hielt die Öffentlichkeit wochenlang auf Trab – das präsentierte Papier war dann recht mager. Die Direktoren sollen künftig über die Art der Förderung entscheiden. Kinder in die Vorschule zu stecken soll künftig möglich sein (teils wurde das jetzt so gehandhabt), ebenso wie die Förderung parallel zum normalen Unterricht.

Plus: Kindergarten

Die Kindergartenpädagoginnen haben in den vergangenen Jahren (zumindest für ihre Verhältnisse) laut aufgeschrien. Während sich bei Betreuungsverhältnissen, Ausbildung und Bezahlungen dennoch kaum Verbesserungen zeigten, gab es andernorts Fortschritte: die Einführung eines Gratiskindergartens und der Kindergartenpflicht für Fünfjährige. Zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung. Doch: Obwohl bundesweit sogar über ein zweites Gratiskindergartenjahr diskutiert wird, wurde das erste in der Steiermark schon wieder teilweise zurückgenommen.

Minus: Studiengebühren

Dass das Thema zuletzt wieder für Wirbel gesorgt hat, zeigt: Hier wurde kräftig gepfuscht. Töchterle geriet bei dem Thema gleich mehrfach auf rechtlich unsicheres Terrain. Letztlich scheiterte er nicht nur an der SPÖ, sondern auch am eigenen Taktieren. Nun gilt erst wieder jene Regelung, die Töchterle stets als „Flickwerk“ zurückgewiesen hatte. Den Unis indes entgingen so ein (bis zwei) Semester lang die Einnahmen durch die Gebühr.

Neutral: Uni-Schranken

Immerhin: Die SPÖ ließ sich überzeugen, dass es ganz ohne Schranken an den Unis nicht geht. Herausgekommen ist aber mit den Beschränkungen in fünf Studienfeldern eine extrem inkonsistente Lösung. Eine, die die Rektoren teils gar nicht nutzen wollen. Die TU Wien etwa verzichtete aus Protest auf die Beschränkung in Architektur: Die Zahl der vorgeschriebenen Anfängerplätze sei ohnehin viel zu hoch angesetzt.

Plus: Hochschulmilliarde

Auch wenn es letztlich nicht ganz eine Milliarde war: Die sogenannte Hochschulmilliarde ist einer der großen Erfolg der Regierung (und speziell Karlheinz Töchterles). Mit den jährlich knapp 300 Millionen Euro wurde eine finanzielle Katastrophe an den Unis abgewendet. Dass das Geld in Zeiten eines Sparpakets lockergemacht wurde, machte etwas Hoffnung.

Neutral: Hochschulplan

Nach jahrelangen Ankündigungen gelang es, Schritte in Richtung koordinierter Hochschullandschaft zu setzen. Etwa mit der Einführung der „Hochschulkonferenz“, in der unter anderem Rektoren und ÖH vertreten sind. Das Gremium hat zwar nur beratende Funktion – demonstrierte aber (etwa bei der Medizinfakultät Linz) bereits Stärke.

Minus: ÖH-Wahlrecht

Weiterhin warten müssen die Studenten auf die schon lange geforderte Reform des ÖH-Wahlrechts. Das Ziel: Die Studierenden sollen ihre Bundesvertretung wieder direkt wählen. Dagegen wehrt sich nur die stimmenstärkste ÖH-Fraktion, die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft. Töchterle will die parteieigenen Studierenden nicht verärgern – und blieb tatenlos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2013)

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