Schmied: "Zweiklassen-Gesellschaft in Schulen auflösen"

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Schmied: "Zweiklassengesellschaft in Schulen auflösen"(c) Clemens Fabry
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Ihre Reformen habe sie bewusst in Richtung Gesamtschule gemacht, sagt Ministerin Schmied (SPÖ). Sie sorgt sich um ihre Reputation und will nach der Wahl sowohl Wissenschafts- als auch Unterrichtsministerin werden.

Die Presse: Sie haben kürzlich gesagt, dass die neue Lehrerausbildung und das neue Dienstrecht Schritte in Richtung Gesamtschule sind. Haben Sie die ÖVP als Gesamtschulgegner mit diesen Reformen in einen Hinterhalt gelockt?

Claudia Schmied: Nein. Die ÖVP kann man im Bildungsbereich in keinen Hinterhalt locken. Ihre Vertreter sind vorsichtig und prüfend.

Inwiefern wird der Weg zur Gesamtschule durch diese Reformen geebnet?

Weil wir die Zweiklassengesellschaft in den Schulen auflösen. Es wird bei der Ausbildung kein Unterschied mehr zwischen AHS- und Hauptschullehrern gemacht. Es gibt künftig einfach einen Sekundarstufenlehrer, der das Studium mit dem Master abschließt.

Das heißt, dass Sie die Reformen bewusst in Richtung Gesamtschule gemacht haben.

Natürlich.

Ihre Aussagen verwundern mich. Noch im April haben Sie in einem „Presse“-Interview erklärt, dass die neue Lehrerbildung „die Frage der Schulform nicht antastet“. Und dass sich darüber nur Journalisten Gedanken machen.

Das ist richtig.

Nun sagen Sie ja selbst, dass diese Reformen die Einführung der Gesamtschule begünstigen.

Was ich damit gemeint habe, ist, dass die Schulform künftig keine Rolle mehr spielt. Es gibt in Zukunft einen Sekundarstufenlehrer, der für eine Altersgruppe ausgebildet wird und nicht für das Türtaferl (AHS, Hauptschule oder Neue Mittelschule, Anm.). Wie lange es diese Schilder noch gibt, entscheidet die nächste Regierung. Machbar ist eine Umstellung schon in der nächsten Legislaturperiode.

Das Dienstrecht wurde von der ÖVP-nahen Lehrergewerkschaft als „ideologisches Machwerk“ bezeichnet. Das können Sie dann wohl auch kaum von der Hand weisen.

Machwerk ist entwertend. Ich habe nichts gegen den Begriff Ideologie einzuwenden. Dass es in der Bildungspolitik große Unterschiede in den Konzepten gibt, ist bekannt. Es gibt eingefahrene Debatten.

Glauben Sie, dass die Mehrheit der Bevölkerung für oder gegen die Gesamtschule ist?

Ich möchte das Thema nicht zu einer Abstimmungsfrage machen. Ich glaube, dass Überzeugungsarbeit geleistet werden muss und dass gute Beispiele publik gemacht werden müssen.

Wenn Sie sagen, dass Überzeugungsarbeit geleistet werden muss, dann impliziert das ja, dass Sie glauben, dass die Mehrheit dagegen ist.

Ich sage noch einmal: Das ist kein Abstimmungsthema.

Ihr Parteikollege Michael Häupl kann sich dazu aber sogar eine Volksbefragung vorstellen.

Der Meinung schließe ich mich nicht an. Ich will keine verkürzte Ja/Nein-Debatte haben.

Wollen Sie die Bevölkerung durch Überzeugungsarbeit zu ihrem Glück zwingen?

Nein. Aber ich habe ein Politikverständnis, das einen Gestaltungswillen dokumentiert. Für mich beginnt politisches Handeln nicht mit der Meinungsumfrage, sondern mit Zielvorstellungen. Dann habe ich den Ehrgeiz, die Leute davon zu überzeugen.

Das heißt, Sie sind kein Fan des Ausbaus der direkten Demokratie.

Für mich ist Politik eine Form des aktiven Gestaltens. Die größte Form der Volksbefragung und -abstimmung steht am 29.September an.

Was erwarten Sie sich eigentlich von einer Gesamtschule?

Das Einkommen der Eltern soll nicht mehr über die Karriere entscheiden. Jeder soll seine Möglichkeiten ausschöpfen können.

In einer Woche ist in Ostösterreich Schulstart. Können Sie garantieren, dass es genügend Lehrer gibt?

Wir werden punktuelle Probleme haben, die wir durch Sondermaßnahmen lösen. Es sollen Überstunden geleistet und Studenten im Unterricht eingesetzt werden. Auch Pensionisten wollen wir zur Rückkehr motivieren.

Unter dem Lehrermangel leidet auch Ihr Prestigeprojekt, die Neue Mittelschule, bei der in Hauptfächern zwei Lehrer eingesetzt werden müssen.

Nein, dieser Einsatz ist garantiert.

Fehlen die Lehrer dann in anderen Schulformen?

Nein. Wir haben in bestimmten Regionen und Fächern Probleme.

Sie versuchen dieser Tage ordentlich Werbung in eigener Sache zu machen. Machen Sie sich Sorgen um Ihre Reputation?

Wenn ich das eine oder andere Interview lese, dann schon. In Wahlkampfzeiten werden Dinge schlechtgeredet. Dabei habe ich in den letzten Jahren sehr viel auf den Weg gebracht. Die Chronik des Rückblicks wird das zu würdigen wissen.

Auch parteiintern gelten Sie als umstritten, wollen aber Ministerin bleiben. Wie sehen Sie Ihre Chancen?

Wenn man mich nach der Wahl fragte, würde ich Ja sagen.

Glauben Sie, dass Sie gefragt werden?

Warten wir ab. Sie müssen sich um meine Zukunft aber keine Sorgen machen.

Würden Sie nach der Wahl gern einem fusionierten Unterrichts- und Wissenschaftsministerium vorstehen?

Unter fachlichen Gesichtspunkten ist dieser Idee einiges abzugewinnen. Gerade jetzt, da die beiden Ressorts gemeinsam die neue Pädagogenbildung umsetzen.

Zur Wahl: Mit Blick auf die Bildungspolitik müssten Sie sich ja Rot-Grün wünschen.

Ja. Mit den Grünen wäre vieles leichter umzusetzen. Die ÖVP ist in Bildungsfragen gespalten.

Ich nehme an, Sie stört die Position von ÖVP-Chef Michael Spindelegger?

Es gibt Teile der ÖVP, die schon weiter sind. Etwa der Wirtschaftsflügel und die Landeschefs von Vorarlberg, Tirol und Salzburg.

Wie stehen Sie zu einer Dreierkoalition?

Es ist zu zweit schon eine Herausforderung. Zu dritt stelle ich mir das sehr schwierig vor.

Dennoch: Wer wäre neben der ÖVP ein möglicher Partner?

Sicher die Grünen. Die FPÖ würde ich ausschließen, und mit dem Team Stronach habe ich mich noch nicht so beschäftigt.

Zur Person

Claudia Schmied (54) ist seit Jänner 2007 Ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur. Kanzler Alfred Gusenbauer hat sie in die Regierung geholt, unter Werner Faymann blieb sie im Amt. Davor war die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin unter anderem Vorstandsmitglied bei der Kommunalkredit und wirtschaftspolitische Beraterin von Finanzminister Rudolf Edlinger (SPÖ).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2013)

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