Am Mittwoch lief die Begutachtungsfrist zum neuen Lehrerdienstrecht aus. Die "Presse" hat sich die strittigen Zahlen genauer angesehen.
Wien. Umstritten: Dieses Wort beschreibt den Regierungsvorschlag zum neuen Lehrerdienstrecht wohl am besten. Nicht anders ist es zu erklären, dass bis gestern Abend bereits mehr als 400 Stellungnahmen dazu eingetroffen sind. Heute, Mittwoch – also nur vier Tage vor der Nationalratswahl –, läuft die sechswöchige Begutachtungsfrist aus.
Die Gewerkschaft hat nie einen Hehl daraus gemacht, was sie von dem Vorschlag hält: nämlich nicht viel. Ein Grund dafür ist das neue Gehaltsschema, das für junge Lehrer künftig gelten soll. Während es die Regierung als besonders attraktiv verkauft, warnt die Gewerkschaft vor Einbußen von bis zu einer halben Million Euro im gesamten Erwerbsleben. Stellt sich die Frage: Wer hat recht? Und warum unterscheiden sich die Zahlen so sehr? „Die Presse“ hat versucht, Antworten darauf zu finden.
1. Regierung und Gewerkschaft starten nicht vom selben Ausgangspunkt.
Die höheren Einstiegsgehälter sollen eigentlich das große Plus der Reform sein. Das Unterrichtsministerium rechnete das anhand einiger praktischer Beispiele vor: Da wäre etwa ein Volksschullehrer, dessen Einstiegsgehalt derzeit monatlich bei 2084Euro brutto liegt. Künftig sollen es 2420Euro im Monat sein. Das Gehalt eines Hauptschullehrers, der Deutsch und Geschichte unterrichtet, steigt durch die gekippte Gehaltskurve, die das neue Lehrerdienstrecht vorsieht, von 2158 Euro auf 2646 Euro – so weit die Zahlen des Unterrichtsministeriums. „Der Vergleich hinkt“, sagt die Pflichtschullehrergewerkschaft. Denn schon jetzt würden Lehrer bei ihrem Berufseinstieg mehr verdienen, als das Ministerium in seinen Berechnungen behauptet.
Der Grund dafür liegt im Anstellungsverhältnis der Junglehrer. Die meisten von ihnen erhalten in den ersten fünf Jahren keine fixe Anstellung, sondern nur befristete Verträge. Für diese gilt eine völlig andere Gehaltstafel. De facto bekommt ein Junglehrer also ein höheres Einstiegsgehalt, als das Ministerium annimmt, ein Volksschullehrer 2168,90 Euro brutto (ohne Abgeltung seiner Tätigkeit als Klassenvorstand). Das ist zwar weniger als im neuen Gehaltsschema vorgesehen, der Unterschied ist aber geringer als von der Regierung suggeriert, moniert die Gewerkschaft.
2. Pflichtschullehrer sehen den neuen Masterabschluss nicht abgegolten.
Auch, wenn die Pflichtschullehrer in finanzieller Hinsicht trotz aller Kritik vom neuen Dienstrecht profitieren – ganz glücklich sind sie dennoch nicht damit. Denn auch die Pflichtschullehrer sollen, sobald die neue Lehrerbildung wirksam ist, ihr Studium mit einem Master abschließen. Das wird ihrer Meinung nach unzureichend abgegolten. Sie würden dann am liebsten das verdienen, was AHS- und BHS-Lehrer derzeit kassieren. Das wird allein schon deshalb nicht passieren, da es so hohe Gehälter nach Auffassung der Gewerkschaft überhaupt nicht mehr geben wird. Gerade AHS- und BHS-Lehrer werden Gehaltseinbußen hinnehmen müssen.
3. Lehrer an höheren Schulen verlieren insgesamt am meisten Geld.
Dass vor allem AHS-Lehrer Einbußen zu beklagen haben, liegt weniger an den unterschiedlich berechneten Einstiegsgehältern und mehr an den nicht abgegoltenen Mehrstunden, die das Dienstrecht vorsieht. Alle Lehrer haben künftig eine Unterrichtsverpflichtung von 24Stunden – egal, welches Fach sie unterrichten. Bislang war das anders. AHS-Lehrer mit besonders arbeitsintensiven Fächern mussten weniger – zum Teil nur 17 Stunden – unterrichten. Mehr Geld gibt es für diese zusätzlichen Stunden nicht. Doch genau das würde sich die Gewerkschaft wünschen. In die eigenen Modellberechnungen fließen diese Stunden sehr wohl ein. Allein deshalb differieren die ministeriellen und gewerkschaftlichen Zahlen in hohem Ausmaß. Hinzu kommt, dass Regierung und Gewerkschaft grundsätzlich unterschiedliche Berechnungsmethoden verwenden.
4. Lehrer und Ministerium rechnen nach unterschiedlichen Methoden.
Dass die Berechnungen so sehr differieren, hat auch mit der vom Ministerium vorgenommenen Abzinsung zu tun. Das Unterrichtsressort geht bei der Berechnung des Lebenseinkommens nämlich davon aus, dass das verdiente Geld jährlich vier Prozent an Wert verliert. Die Gewerkschaft übt an dieser Methode Kritik: „So wird der Schwerpunkt der Berechnung bewusst auf die vorderen – im neuen Gehaltssystem besser bezahlten – Jahre gelegt.“ Die Zahlen würden verzerrt – zugunsten des Ministeriums.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2013)