Zu wenig Geld, zu viel Arbeit: Woran sich die Lehrer stoßen

APA (Techt)
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Eckpunkte. Die Gewerkschaft nennt den Entwurf zum neuen Dienstrecht „leistungs-, arbeits- und qualitätsfeindlich“.

„Leistungs-, arbeits- und qualitätsfeindlich“ – mit diesen Worten qualifiziert die Lehrergewerkschaft den Regierungsentwurf zum neuen Dienstrecht ab. In der Kritik steht das Vorhaben der Regierung, ein neues Lehrerdienstrecht aufzusetzen, schon seit Beginn der Verhandlungen im April 2011. Mit der Mitte August getroffenen Entscheidung, den Entwurf ohne Zustimmung der Gewerkschaft in Begutachtung zu schicken, hat sich die Regierung bei der Gewerkschaft aber endgültig unbeliebt gemacht. In der sechswöchigen Begutachtungsfrist folgten rund 1700 kritische Stellungnahmen. Doch nur auf wenige Anregungen wurde Rücksicht genommen. Die Hauptkritikpunkte sind dieselben. „Die Presse“ hat sich diese näher angesehen.

1. Arbeitszeit: Die Erhöhung der Unterrichtszeit ist für AHS- und BHS-Lehrer nicht tragbar.

Der Regierungsentwurf sieht eine Erhöhung der Unterrichtszeit vor: Künftig sollen alle neu eintretenden Lehrer 24 Stunden pro Woche unterrichten. Wer zusätzliche Tätigkeiten übernimmt – wie das etwa Klassenvorstände und Mentoren machen –, erspart sich zwei Stunden und unterrichtet 22.

Dieser Plan sorgt vor allem bei Lehrern in Gymnasien und berufsbildenden höheren Schulen (BHS) für Unmut. Dort wäre der Anstieg der Unterrichtszeit von den derzeit üblichen 17 Stunden in Schularbeitsfächern auf 24 Stunden besonders hoch. Fünf bis sieben Unterrichtsstunden mehr pro Woche würden die Arbeitszeit – also die Zeit inklusive Vor- und Nachbereitung des Unterrichts – um ein Vielfaches erhöhen. Außerdem müssten die Lehrer dann zusätzliche Klassen übernehmen und hätten damit „deutlich weniger Zeit und Nervenkraft für die einzelnen Schüler“, so die Befürchtung der Lehrergewerkschaft. Eine Erhöhung der Unterrichtszeit würde zudem mit einer Reduktion der Arbeitsplätze einhergehen.

2. Gehalt: Die Gewerkschaft warnt vor finanziellen Verlusten von bis zu einer halben Million Euro.

Das neue Dienstrecht bringt eine einheitliche Gehaltskurve für alle Lehrer. Junge Lehrer sollen künftig mehr verdienen – konkret soll das Einstiegsgehalt bei 2420 Euro brutto im Monat liegen. Derzeit verdienen Landeslehrer 2025 Euro im Monat und Bundeslehrer 2220 Euro. Die Gehaltskurve soll dann aber weniger stark ansteigen. Das Höchstgehalt eines Lehrers wird nach 39 Jahren 4330 Euro betragen. Zum Vergleich: Derzeit liegt es bei 4500 Euro für Landeslehrer und bei 5140 Euro für Bundeslehrer. Was dieser geänderte Gehaltsverlauf für den Verdienst innerhalb des gesamten Berufslebens bedeutet, darüber scheiden sich die Geister. Die AHS-Gewerkschaft warnt vor Verlusten von bis zu einer halben Million Euro. Die Regierung rechnet anders und sieht keine Verluste für die Lehrer.

3. Ausbildung: Dass künftig Bachelorabsolventen in AHS unterrichten dürfen, sorgt für Unmut.

Die Lehrergewerkschaft fürchtet einen Qualitätsverlust. Das neue Dienstrecht sieht nämlich vor, dass Lehrer künftig schon nach Abschluss eines vierjährigen Bachelorstudiums auch an AHS und BMHS unterrichten dürfen. Derzeit ist dafür der Abschluss eines (rund fünf Jahre dauernden) Magisterstudiums nötig. Die Bachelorabsolventen sind durch das neue Dienstrecht aber dazu verpflichtet, innerhalb von fünf Jahren ihren Masterabschluss nachzuholen – sonst droht die Kündigung. Das Problem dabei: Die Kündigung ist lediglich ein Recht des Dienstgebers und keine Pflicht. Die Lehrergewerkschaft warnt angesichts des zunehmenden Lehrermangels vor einem dauerhaften Einsatz der Bachelorabsolventen.

4. Unterricht: Für Kritik sorgt, dass Unterricht in fachfremden Gegenständen möglich ist.

Heftig umstritten ist auch ein anderer Punkt: Der Entwurf sieht vor, dass Lehrer künftig vorübergehend aus wichtigen Gründen Fächer unterrichten dürfen, für die sie gar nicht ausgebildet sind. Ein Mathematiklehrer könnte also gezwungen werden, Deutsch zu unterrichten. Das ist derzeit zwar in Haupt- und Neuen Mittelschulen Usus, der Gewerkschaft ist es dennoch ein Dorn im Auge.

5. Verwaltung: Die Lehrergewerkschaft fordert Entlastung durch Unterstützungspersonal.

Schon seit Jahren fordert die Gewerkschaft mehr Schulpsychologen, Sozialarbeiter und Verwaltungspersonal. Um im internationalen Vergleich mithalten zu können, brauchte es 13.000 zusätzliche Posten in diesem Bereich, so die Lehrervertreter. Im Dienstrechtsentwurf ist diesbezüglich keine Regelung vorgesehen. Die Regierung hat in den vergangenen Monaten lediglich 2000 zusätzliche Bedienstete in Aussicht gestellt.

("Die Presse" Printausgabe vom 19.11.2013)

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