Spätere Trennung in Schule? ÖVP-Spitze rudert zurück

KOALITIONSVERHANDLUNGEN: SPINDELEGGER / FAYMANN
KOALITIONSVERHANDLUNGEN: SPINDELEGGER / FAYMANN(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Die Idee einer zweijährigen Orientierungsphase nach der Volksschule dürfte vom Tisch sein. Wieder einmal zeigen sich die Fronten in der ÖVP.

Wien. So rasch kann also ein möglicher Kompromiss wieder vom Tisch sein: Die zweijährige Orientierungsphase nach der Volksschule, die von den Koalitionsverhandlern zuletzt ins Spiel gebracht wurde („Die Presse“ berichtete) dürfte in der Volkspartei einiges an Staub aufgewirbelt haben – unter den ÖVP-nahen AHS-Lehrergewerkschaftern war sogar von einer „Amputation beider Unterschenkel“ des Gymnasiums die Rede.

Parteichef Michael Spindelegger ruderte am Freitag jedenfalls zurück: Im „Standard“ beharrt er auf der Erhaltung des Gymnasiums. „Wir geben das Gymnasium nicht auf, da braucht sich niemand Sorgen machen.“ Die Volkspartei wolle die AHS in vollem Umfang erhalten. Für die ÖVP sei das ein zentraler Punkt in den Verhandlungen. Und weiter: „Ich hielte es für völlig absurd, dass man das Gymnasium jetzt opferte.“

Tatsächlich war auch in dem Vorschlag, den die Verhandlungsgruppe mit dem Salzburger Landeschef Wilfried Haslauer (ÖVP) formuliert hatte, nicht die Rede davon, die AHS zu opfern oder gar abzuschaffen: Es sollte lediglich ein Schulversuch gestartet werden, mit dem die Entscheidung über die weitere Bildungslaufbahn der Schüler um zwei Jahre hinausgeschoben würde – in Form einer Orientierungsphase für die Zehn- bis Zwölfjährigen. So sollte das heikle Thema Gesamtschule für beide Parteien halbwegs gesichtswahrend gelöst werden.
Wie „Die Presse“ erfahren hat, ist vonseiten der Volkspartei in diesem Punkt vorerst aber keine Bewegung angedacht. Spindelegger dürfte alle Schritte in diese Richtung abgesagt haben. Was passieren soll, ist eine Aufwertung der Volksschule sowie ein Ausbau der schulischen Tagesbetreuung (der für die kommenden Jahre aber ohnehin bereits von der alten Regierung paktiert und auch mit den Ländern fixiert ist).
Fronten innerhalb der ÖVP

Was sich aktuell wieder einmal zeigt, ist aber, dass in puncto Schule die Fronten nicht allein zwischen der SPÖ und der ÖVP verlaufen (weshalb das Thema eines derjenigen ist, die in den kommenden Tagen auch auf Chefebene besprochen werden sollen, siehe auch Bericht Seite vier). Nein, einmal mehr wird offenbar, dass auch innerhalb der Volkspartei die Positionen zur Schule alles andere als deckungsgleich sind.

Nicht nur wegen der sogenannten Westfront, der neben Günther Platter (Tirol) und Markus Wallner (Vorarlberg) auch Bildungsverhandler Wilfried Haslauer angehört und die es bei der Schule mit der offiziellen Parteilinie nicht ganz so genau nimmt. Sondern auch mit Erwin Pröll: Immerhin ist die Orientierungsphase dem ziemlich ähnlich, was der niederösterreichische Landeschef schon vor Jahren vorgeschlagen hat. Mehr noch: In Niederösterreich läuft der Schulversuch zur Neuen Mittelschule bereits unter einem ähnlichen Etikett. Und im Gespräch mit der „Presse“ hatte Pröll noch am Donnerstag betont: Eine Trennung der Schüler in verschiedene Schultypen mit zehn Jahren sei zu früh.

Nicht zuletzt herrscht dem Vernehmen nach in der Gruppe der Bildungsverhandler Unmut über den Rückzieher Spindeleggers. Es sei noch alles offen, hörte man am Freitag aus dem Umfeld der Verhandlungsgruppe. Noch werde über alles diskutiert.

Deutsche Idee aus den 1970ern

Übrigens wäre die Idee einer Orientierungsphase nichts originär Österreichisches: Eine sogenannte Orientierungsstufe gab es ab den 1970er-Jahren auch in deutschen Bundesländern – in unterschiedlicher Ausprägung. In Niedersachsen etwa führte die damalige rot-schwarze Koalition einen eigenen Schultyp für die Zehn- bis Zwölfjährigen ein (sogar in eigenen Schulgebäuden). Gut drei Jahrzehnte später wurde er von der CDU wieder abgeschafft. Was es in einigen Ländern bis heute gibt: Die ersten beiden Jahre der Unterstufe werden – in den unterschiedlichen Schultypen – als Orientierungsphase betitelt, Kinder werden weiter genau beobachtet, ein Wechsel soll einfacher möglich sein.

Im Bezug auf die Chancengerechtigkeit – das zentrale Argument – habe die Orientierungsstufe übrigens keinen nennenswert positiven Effekt gehabt, sagt Claudia Schuchart, die sich an der Uni Wuppertal eingehend mit dem Modell beschäftigt hat.

("Die Presse", Printausgabe 30.11.2013)

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