Tote Genitive und gespaltene Sprache: Literatur gegen die Sprachverhunzung

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Mit Bastian Sicks "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" aus dem Jahr 2004 wurde das Genre der humorvollen Sprachkritik auf dem Buchmarkt populär.

Über Namen scherzt man nicht. Insofern wäre es völlig verfehlt zu schreiben, dass Bastian Sick all die Fehler in der deutschen Sprache krank gemacht haben. Aber gestört haben sie ihn trotzdem, die falsch gesetzten Apostrophe (er nennt sie auch „Deppenapostroph“), die nicht korrekt verwendeten Konjunktive und all die anderen Unsauberkeiten und Fehler, die in der deutschen Sprache wieder und wieder auftauchen. Im Alltag – aber auch bei Profis, die es eigentlich besser wissen sollten. Als Schlussredakteur von Spiegel Online führte Sick seinen Kollegen die kleinen und großen Fehler vor Augen, die er zu korrigieren hatte.

Was als Rundmail mit ironischem Unterton in der Redaktion begann, wurde bald zu einer eigenen Kolumne. Am 22. Mai 2003 erschien zum ersten Mal der „Zwiebelfisch“, benannt nach einem Begriff aus der Sprache der Schriftsetzer, wenn ein Buchstabe versehentlich in einer anderen Typografie gesetzt wurde. 2004 wurde die Kolumne zu einem Buch – und Bastian Sick mit der Reihe „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ zur Leitfigur der Sprachpflege im deutschsprachigen Raum. Weil er verständlich und humorvoll Defizite aufdeckt. Und den eigentlich spröden Stoff der deutschen Grammatik und Rechtschreibung so unterhaltsam verpackt, dass er auch für Menschen jenseits des Sprachpurismus interessant ist. Ein Sprung in den Mainstream, den etwa Deutschlands strenger Sprachkritiker Wolf Schneider so nicht schaffte, der ab den 1970er-Jahren mit Büchern wie „Wörter machen Leute“ oder „Deutsch für Profis“ vor allem Professionalisten ansprach. Wenn auch die Titel seiner Bücher in Sicks Windschatten etwas peppiger wurden („Speak German!“ oder „Gewönne doch der Konjunktiv!“).


Davonschwimmende Fälle. Auch wenn es Sprachspielereien schon lange vorher gab, Sick machte das Genre populär. Und ermutigte Verlage, sprachspaltenden Autoren mehr Raum zu bieten. „Stilblüten“ von Helga Schmidt (Edition XXL) widmet sich Schrägem aus Journalismus und Behördenberichten. „Ein Vakuum ist ein großer leerer Raum, wo der Papst wohnt“ von Bernd Brucker (Heyne) sammelt Stilblüten aus Schulaufsätzen. Langenscheidt hat unter dem Titel „Übelsetzungen“ eine Reihe mit Bildern skurriler Übersetzungen gestartet. Und Eva Male hat ihre „Sprachspaltereien“-Kolumnen aus dem „Spectrum“ der „Presse“ auch als Buch herausgebracht – „Wenn uns die Fälle davonschwimmen“.

Übrigens: Bastian Sick hat nicht nur Freunde. So verfasste etwa der Berliner Sprachwissenschaftler André Meinunger im Jahr 2008 ein Buch, in dem er aufdeckte, wo Sick mit seiner Kritik danebenliegt. Titel des Buches: „Sick of Sick“. Tja.

Buchtipps

Bastian Sick. „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“, Folge 1. Kiepenheuer & Witsch; 9,30 Euro

Eva Male. „Wenn uns die Fälle davonschwimmen“, Amalthea; 7,95 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2014)

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