Teach for Austria: Wir bleiben der Schule treu

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Bald sind die zwei Jahre vorbei, die Uni-Absolventen verschiedenster Fächer – von Wirtschaft bis Physik – an Brennpunktschulen unterrichten. Mehr als die Hälfte wollen weiterhin im Bildungsbereich arbeiten.

Wien. Adib Reyhani hat eine Idee: Der 30-Jährige will Schulen dabei helfen, neue Technologien in die Klassen zu bringen. „Das ist ein riesiger Aufwand – und derzeit müssen Schulen den eigentlich von innen stemmen.“ Was dazu führt, dass es an manchen Schulen funktioniert, an anderen Standorten, vielfach den ohnehin benachteiligten, aber weit und breit nichts von neuer Technologie zu sehen ist. Reyhani hat eigentlich Wirtschaft studiert, er hat einige Jahre als Unternehmensberater gearbeitet. Hätte man ihn vor zwei Jahren gefragt, hätte er womöglich auch etwas Eigenes gegründet. Aber ziemlich sicher nichts, das mit Schule zu tun hat. Der Grund dafür, dass das jetzt anders ist, heißt Teach for Austria.

Die Initiative schickt Uni-Absolventen verschiedenster Fächer – von Sozioökonomie bis Quantenphysik – für zwei Jahre in Brennpunktschulen. Die Idee kommt aus den USA und ist inzwischen in über 30 Ländern etabliert, seit 2011 auch in Österreich. Adib Reyhani unterrichtet seit inzwischen anderthalb Jahren an der NMS Herzgasse im zehnten Wiener Gemeindebezirk und gehört damit zur ersten Generation der heimischen Lehrer auf Zeit. Wie er haben mehr als die Hälfte der insgesamt 23 Teilnehmer auch nach diesem Schuljahr vor, dem Bildungsbereich auf irgendeine Art und Weise treu zu bleiben: gut eine Handvoll von ihnen als Lehrer – noch ein paar Jahre oder auch für länger –, andere als Trainer oder als Erwachsenenbildner, als Gründer eines Sozialunternehmens im Schulbereich oder einer NGO.

Schulleiter und Privatschulen

In den USA arbeitet rund die Hälfte der inzwischen etwa 28.000 früheren sogenannten Fellows im Schulbereich, wiederum die Hälfte davon als Lehrer. An die 700 Schulleiter sind erst über die Initiative dorthin gelangt, immer mehr arbeiten auch in der Schulverwaltung oder in der Bildungspolitik. In Deutschland, wo es das Programm seit 2009 gibt, sind zwei ehemalige Lehrer auf Zeit gerade dabei, im Berliner Arbeiterbezirk Wedding eine Privatschule zu gründen: für Migranten und sozial Schwache, für jene Schüler, die anderswo zu kurz kommen.

Das passt gut in das Konzept der Initiative: Sie will eine Art kleine Revolution anzetteln, einen Wandel anstoßen durch Leute von außerhalb des etablierten Systems – auch in Österreich. „Es ist natürlich ein Ziel, dass ein Teil der Fellows dem Schulbereich erhalten bleibt“, sagt Walter Emberger, Chef von Teach for Austria. „Wenn dann in der Lehrergewerkschaft, im Landesschulrat und im Kabinett der Ministerin jemand von uns sitzt, ist das sicher förderlich. Wir wollen ja Impulse geben.“ Auch wenn er selbst überrascht ist von dem großen Anteil der Noch-Fellows, die auch weiterhin Lehrer bleiben wollen. „Damit beweisen wir jedenfalls, dass Lehrer ein viel attraktiverer Job ist als oft dargestellt.“

Im ersten Jahr sah das übrigens noch ganz anderes aus. „Hätte man da gefragt, wer an der Schule bleiben will, hätten sie gesagt: ,Ich bin froh, wenn ich das erste Jahr gut überstehe‘“, erzählt Emberger. Dass die Lehrer auf Zeit bisweilen straucheln, gehört wohl dazu. Immerhin ist das pädagogische und didaktische Rüstzeug nach einem intensiven, aber kurzen Training zunächst eher dünn. Die Schulen, in die sie geschickt werden, sind dafür umso herausfordernder: viele Migranten, niedrige soziale Schicht, bildungsferne Familien. „Heute sieht es so aus, dass ein paar der Fellows womöglich ihr Leben lang Lehrer bleiben“, sagt Emberger.

Noch ein paar Jahre Lehrerin

Lena Hanusch könnte eine davon sein. Zumindest will die 30-jährige studierte Afrikanistin vorerst ein paar Jahre in der Klasse dranhängen. Am Anfang ihres zweiten Schuljahres sei ihr erst bewusst geworden, wie viel sie im ersten Jahr gelernt habe, erzählt sie. Und wie schade es sei, gerade dann aufzuhören, wenn sie den Dreh erst heraushabe. Zudem ist Lena Hanusch Klassenvorstand einer ersten Klasse in der Wiener Sportmittelschule im zehnten Bezirk – sie will sie bis zum Abschluss begleiten. Solange es in Österreich an regulär ausgebildeten Lehrern fehlt, kann sie auch ohne Lehramtsprüfung jedes Jahr einen Sondervertrag bekommen.

Dass sie im Schulbereich bleiben will, ist für Hanusch jedenfalls klar: Sie macht an der PH derzeit eine Ausbildung zur Lesedidaktikerin. Auch ein richtiges Lehramtsstudium kann sie sich grundsätzlich vorstellen. Nur fehlt neben dem Lehrerdasein im Moment die Zeit: So ein Lehrerjob ist doch stressiger als gemeinhin angenommen.

AUF EINEN BLICK

Initiative. Teach for Austria schickt Hochschulabsolventen aller Studienrichtungen nach einem kurzen pädagogischen Training für zwei Jahre als Lehrer in sogenannte Brennpunktschulen in Wien und Salzburg. Seit 2011 gibt es die Initiative in Österreich. Die Idee kommt aus den USA, inzwischen gibt es das Programm in mehr als 30Ländern. In den Vereinigten Staaten bewirbt sich jeder fünfte Harvard-Absolvent für Teach for America.

Bewerbung. Im September sollen bis zu 50 neue Lehrer auf Zeit an Schulen in Wien und Salzburg starten. Bewerben können sich Hochschulabsolventen aller Studienrichtungen, Onlinebewerbungen sind auf teachforaustria.at laufend möglich. Die nächste Deadline ist der 16.März (Sonntag), danach werden noch bis Ende April eventuelle übrige Plätze an geeignete Bewerber vergeben. Die Ausbildung beginnt mit 1.Juni. Die Hälfte der Plätze ist bereits weg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2014)

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