Die Mängel der Neuen Mittelschule

Heinisch-Hosek
Heinisch-Hosek (c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Die Leistungen lassen zu wünschen übrig, das Teamteaching funktioniert nicht wirklich, und das Notensystem ist verwirrend: Die Rufe nach einer Reform der NMS werden immer lauter.

Wien. Schönreden war gestern. Heute sieht man den Problemen bei der Neuen Mittelschule (NMS) ins Auge. Zumindest könnte man die Politiker-Aussagen in den vergangenen Tagen und Wochen mit etwas Optimismus so interpretieren.

Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) gestand vor gut einer Woche, dass bei der NMS „nicht immer alles optimal funktioniert“. Und Salzburgs Landeschef Wilfried Haslauer (ÖVP) forderte vor wenigen Tagen sogar ein Korrekturpaket für die Neue Mittelschule. Konkrete Pläne blieben aber beide schuldig. Deshalb hat sich „Die Presse“ angesehen, warum das einstige Prestigeprojekt an Glanz verloren hat – und was verbessert werden muss.

1Das Prestigeprojekt: Startbonus ging verloren, Leistung mangelhaft.

Das Ziel war klar: Die Neue Mittelschule sollte besser sein als die Hauptschule – oder gar dem Gymnasium Konkurrenz machen. Daran ist der neue Schultyp, wie es scheint, vorerst gescheitert. Zumindest legen das die ersten Vergleiche nahe. Die Bildungsstandard-Testung im Fach Englisch zeigte nämlich nicht nur, dass Gymnasiasten klar bessere Leistungen erbringen als NMS-Schüler. Sie machte auch deutlich, dass die NMS nicht besser ist als die Hauptschule.

Einen umfassenden Leistungsvergleich zwischen den Schultypen gibt es aber (noch) nicht. Eigentlich sollte die NMS schon vor ihrer flächendeckenden Einführung evaluiert werden. Die Regierung sagte das allerdings ab. Nun gilt es, die Evaluierung schnell voran zu treiben und auf die Ergebnisse auch mit entsprechenden Maßnahmen zu reagieren.

2Das Teamteaching: Gemeinsames Unterrichten als Mogelpackung.

Der gleichzeitige Einsatz von zwei Lehrern unterschiedlicher Schultypen im Unterricht ist das Herzstück des neuen Schultyps. Die eigentlich gewünschte Wirkung hat das Konzept aber noch nicht erzielt.

Eigentlich sollten NMS-Lehrer von Lehrern höherer Schulen unterstützt werden. Gesetzlich verankert ist diese Zusammenarbeit aber nicht. Und in der Praxis finden sich derzeit zu wenig motivierte AHS- und BHS-Lehrer, die freiwillig an Neuen Mittelschulen unterrichten. Der zunehmende Lehrermangel erschwert die Situation zusätzlich. Dementsprechend stehen beim Teamteaching vielfach – etwa im Mangelfach Mathematik – einfach zwei NMS-Lehrer in der Klasse.

Außerdem sieht das Gesetz vor, dass das Teamteaching in den Fächern Mathematik, Deutsch und Englisch stattfinden muss. Diese Vorgabe ist aber nicht nur schwer zu erfüllen, sie gefällt auch nicht jedem. Der oberösterreichische Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer (ÖVP), der gestern gemeinsam mit seinen Kollegen zum Gespräch bei der Ministerin geladen war, wünscht sich beispielsweise, dass Schulen selbst entscheiden können, in welchen Fächern sie die zwei Lehrer einsetzen.

Einerseits könnten damit bewusst Schwerpunkte gesetzt werden. Andererseits besteht die Gefahr, dass dann in Zeichnen und Musik zwei Lehrer unterrichten – nicht aber in zentralen Unterrichtsfächern wie Mathematik oder Deutsch. Das würde die ursprüngliche Idee konterkarieren.

3Der Weg in die AHS: NMS-Schüler werden häufig abgewiesen.

Mit dem Zitat „Wir nehmen keine Schüler aus der Neuen Mittelschule“ sorgte eine Wiener AHS kürzlich für Aufregung. Es machte eines deutlich: Das elementare Ziel der NMS, die Durchlässigkeit zwischen den Schultypen zu erhöhen, wurde (noch) nicht erreicht. Da hilft auch die gesetzliche Gleichstellung nur bedingt. Beim Übertritt in Oberstufengymnasien sind NMS-Absolventen jenen aus der AHS-Unterstufe bei entsprechenden Noten zwar rechtlich gleichgestellt. Ein Wechsel in ein achtjähriges Gymnasium ist aber immer noch schwierig.

4Der gemeinsame Schultyp: AHS weigern sich, zur NMS zu werden.

Das Türschild zu wechseln und zur Neuen Mittelschule zu werden, ist offenbar nur für Hauptschulen attraktiv. Die Gymnasien, die ursprünglich ebenso für das Projekt gewonnen werden sollten, waren nicht zu begeistern. Und so sind von mehr als 900 Neuen Mittelschulen, die es derzeit bereits in Österreich gibt, lediglich elf frühere Gymnasien. Dass das dem Image der neuen Schulform schadet, weiß auch Bildungsministerin Heinisch-Hosek. Sie kündigte bereits an, an den Gymnasien verstärkt für eine Umwandlung zur NMS zu werben.

5Die Noten: Zwei Systeme bei der Beurteilung stiften Verwirrung.

Auch am neuen Benotungssystem der NMS hagelt es Kritik – sowohl von Lehrern als auch von Eltern. Statt der Leistungsgruppen gibt es nun in den Hauptfächern zwei Beurteilungssysteme: Die besseren Schüler werden nach „vertieften“ Bildungszielen bewertet – hier gibt es die Noten „Sehr gut“ bis „Genügend“. Wer schlechter ist, wird in der „grundlegenden“ Bildung eingestuft. Hier können die Schüler nur „Befriedigend“ bis „Nicht Genügend“ erhalten.

Ein Wirrwarr: Wenn sich etwa ein schlechter Schüler von einem Vierer auf einen Zweier verbessert, rutscht er ins bessere Benotungssystem und erhält erst wieder einen Vierer. Die Erstellung von Schularbeiten und die Notenvergabe überfordern viele Lehrer. „Das wirre Notensystem untergräbt das Vertrauen“, sagt Bildungswissenschafter Stefan Hopmann. Die Gewerkschaft drängt nun darauf, zur Notenskala Eins bis Fünf zurückzukehren. Angesichts der Verwirrung dürfte das eine gute Idee sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2014)

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