Schäfer-Elmayer: „Freundlichkeit wird nie obsolet“

Thomas Schäfer-Elmayer
Thomas Schäfer-Elmayer(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Benimm-Papst Thomas Schäfer-Elmayer über antiquierte Regeln, die richtige Etikette in E-Mails und SMS, über Mobbing und das, was gutes Benehmen eigentlich ausmacht.

Die Presse: In der jüngsten Version Ihres „Schul-Elmayer“ finden sich Fragen wie: „Welche Kleidung wählt die Dame zum Tee? Geht der Herr vor oder hinter der Dame die Stiegen hinauf?“ Ist das wirklich ernst gemeint?

Thomas Schäfer-Elmayer: Das ist für Jugendliche verfrüht, würde ich auch sagen. Aber das Ziel ist ja, dass man den Jugendlichen etwas mitgibt, was sie dann auch einsetzen können, wenn sie es einmal brauchen.

Sie sagen verfrüht, mir kam eher der Gedanke: antiquiert.

Ich muss gestehen: Mir war gar nicht klar, dass diese Frage dasteht.

Gibt man das Thema gutes Benehmen so nicht ein bisschen der Lächerlichkeit preis?

Die Gefahr besteht natürlich, speziell bei dieser Teegeschichte. Wie man die Treppe hinaufgeht oder das Öffnen der Tür gehören aber zum Allgemeinwissen. Es schadet nicht, wenn man das weiß.

Sie schreiben: Manieren hat, wer die Spielregeln des Umgangs mit Menschen kennt. Ändern sich die nicht laufend?

Viele der Spielregeln sind seit Jahrhunderten dieselben. Die Anwendung verändert sich aber.

Haben Sie ein Beispiel?

Früher hat man sich zum Beispiel im Freien die behandschuhte Hand gereicht. Heute schlüpft praktisch jeder aus dem Handschuh heraus. Es ist wie bei einer Sprache, Benehmen ist ja Kommunikation. Wenn eine Botschaft nicht mehr verstanden wird, ist sie obsolet.

Wenn von Botschaften die Rede ist, betrifft das auch die Netiquette, also Etikette im Internet? Haben Sie schon einmal ein Smiley verwendet in einem E-Mail?

Nicht, dass ich wüsste. Ich schreibe in SMS oder internen Mails schon einmal LG oder mfG. Aber sobald eine Nachricht nach außen geht, sollte man sich an die Regeln des Schriftverkehrs halten.

Ist es schlimm, wenn ein 15-Jähriger in einem Mail keine Begrüßung formuliert, dafür dreimal LOL – also: „laughing out loud“ – schreibt und fünf Smileys macht?

Solange er das unter seinesgleichen macht, überhaupt nicht. Zum Problem wird es dann, wenn er versucht, so mit Menschen zu kommunizieren, die keine Ahnung haben, was das heißt oder wenn es im beruflichen Mail-Verkehr passiert.

Das wird sich etablieren. Finden das nicht nur die problematisch, die nicht reingewachsen sind?

Möglich. Aber man kann Missverständnisse schaffen. Deshalb sollte man so kommunizieren, dass es jeder versteht. Es ist eh schon schwer genug mit der Kommunikation.

Ist das einer der Punkte, der Ihnen an Jugendlichen am meisten auffällt?

Wo Sie hinschauen, sitzen die Jugendlichen mit dem Smartphone – und reden zu wenig miteinander. Dadurch leidet die verbale Kommunikation. Daher betone ich immer, wie wichtig es ist, dass man das Gespräch sucht. Damit wir da nicht verkümmern.

Wir zwei könnten schweigend nebeneinandersitzen – und mit den Smartphones kommunizieren.

Ja, aber es ist deshalb ein Problem, weil es die Fähigkeit unterminiert, das Taktgefühl zu trainieren. Wenn wir uns gegenübersitzen, gibt es ja noch viele andere Botschaften – Körpersprache, Gestik, Mimik und so weiter.

Dann schicken Sie mir doch einfach ein Smiley.

Das kann ich machen, in Wirklichkeit bin ich aber vielleicht grantig. Und jetzt kommen wir zum Punkt: Es geht um Einfühlungsvermögen. Und dafür brauche ich möglichst viel Menschenkenntnis. Die ich bei der elektronischen Kommunikation eher nicht erlerne.

Man hat oft den Eindruck, es handle sich bei gutem Benehmen nur um Oberflächlichkeiten. In Wirklichkeit geht es also um Einfühlungsvermögen?

Ich mag den Begriff Taktgefühl. Es geht um taktvollen Umgang mit anderen Menschen. Darum, dass man möglichst in jeder Situation das Richtige tut. Benimmregeln halte ich für Wissen, das man anwenden kann oder nicht – je nachdem.

Fehlt den Jugendlichen heute in diesem Punkt etwas?

Von zu Hause bekommen sie viel weniger mit als früher. Weil man da gemeinsam gegessen hat, die Eltern mehr Zeit hatten. Sie wachsen heute viel freier auf, in ihren Freundeskreisen, wo sich eigene Umgangsformen entwickeln.

Was sind die No-gos, die Sie bei Jugendlichen am häufigsten beobachten?

Ein Punkt ist sicherlich Mobbing, das ist auch ein wichtiges Kapitel in dem Buch, besonders auch Cybermobbing. Das ist bösartig, feige und destruktiv. Ich denke, dass man den Tätern und denen, die mitmachen, die Lust an der Sache nehmen muss.

Was hat das Thema Mobbing mit gutem Benehmen zu tun?

Mobbing ist schlechtes Benehmen zur Potenz. Deshalb hat es auch seinen Platz in dem Buch.

Fällt Ihnen eine Benimmregel ein, die nie obsolet sein wird? Die man sich aufschreiben und in die Geldtasche stecken kann?

Ich würde sagen, die Fundamente des guten Benehmens: Rücksichtnahme, Aufmerksamkeit, Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit. Jeder, der sich nur diese vier Dinge immer wieder vornimmt, trägt zum positiven Miteinander bei. Und das verbessert unsere Lebensqualität.

AUF EINEN BLICK

Darf man während einer Unterhaltung die Hände in die Hosentaschen stecken? Welche Kleidung trägt die Dame zum Tee? Wie pünktlich soll man zu einer Einladung erscheinen? Und gelten die Höflichkeitsregeln auch in E-Mails? Antworten auf Fragen wie diese finden sich in der neuen Version des „Schul-Elmayer“ für die Oberstufe. Speziell geht es um das richtige Verhalten im und um den Beruf sowie um die Etikette im Internet. Einige ausgewählte Regeln.

•Grüßen. Wer grüßt zuerst? Der Herr die Dame, im Beruf der Rangniedere den Ranghöheren, der Gastgeber die Gäste. Sich selbst stellt man laut Elmayer stets ohne Titel vor, andere dagegen immer mit dem akademischen Grad.

•Duzen.
Es bietet immer der Ältere dem Jüngeren, der Vorgesetzte dem Mitarbeiter und die Dame dem Herrn das Duwort an – nicht umgekehrt. Nach der Firmenfeier sollte man abwarten, ob es beim abendlichen Du bleibt.


•Kleidung.
Passend zum Anlass. Zur Matura trägt die Dame ein dezentes, elegantes Kleid, Kostüm oder Hosenanzug. Der Herr trägt Anzug, weißes Hemd, Krawatte und Lederschuhe.


•Netiquette.
Ein E-Mail gilt ab 100 Zeilen als überlang. Für Anrede und Abschlussgruß sollte dennoch Platz sein. Vor dem Weiterleiten von Mails sollte gefragt werden, Groß- und Kleinschreibung sollten beachtet werden.

Hände in der Hosentasche gelten beim Gespräch übrigens als Zeichen fehlender Manieren. Zu einer privaten Einladung sollte man man fünf bis 15 Minuten zu spät kommen. Und zum Tee trägt die Dame Nachmittagskleid oder Kostüm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2014)

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