„Wir sind keine Knödelakademie“

(c) Reuters (Nir Elias)
  • Drucken

Berufsbildende höhere Schulen haben oft gegen Klischees zu kämpfen. Ein Lokalaugenschein in der HBLA Hollabrunn zeigte, dass die Schüler dort mehr als nur kochen.

„Wir haben übrigens noch nie einen Knödel gemacht“, behauptet die Klassensprecherin der Maturaklasse in der HBLA Hollabrunn. Gegen das Klischee „Knödelakademie“ kämpfen die höheren Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe immer noch. Der Begriff taucht sogar in Online-Schimpfwörterbüchern auf. Dort erfährt man, dass dies eine scherzhafte Bezeichnung für Höhere Bildungslehranstalten (HBLA) sei, wo Mädchen Handarbeiten und Kochen lernen – nur um später gute Hausfrauen zu werden.

„Wir arbeiten seit 15 Jahren in die Gegenrichtung“, betont Leopold Mayer, der seit den 1980er Jahren in der HBLA Hollabrunn unterrichtet und diese seit fast zehn Jahren als Direktor leitet: „Die Schüler lernen hier nicht, die rundesten Knödel zu machen, sondern im Job zu bestehen.“ Denn beim Arbeiten im Echt-Betrieb der Großküche, wo täglich zu Mittag fast 200 Leute versorgt werden, lernen die Schüler am besten wie man Gas gibt.

Generalisten werden wichtiger

„Heutzutage suchen Betriebe am liebsten einen 20-jährigen mit 20 Jahren Berufserfahrung“, so Mayer. Darum bemühen sich die Berufsbildenden Höheren Schulen, ihren Schüler Betriebserfahrung mitzugeben und sie auf das Berufsleben vorzubereiten. Nach fünf Jahren schließt man hier mit der Matura ab und hat zusätzlich den Nachweis einer Lehrabschlussprüfung in der Hand.

Je nach Wahl des Ausbildungsschwerpunktes können die Absolventen etwa als Bürokaufmann, Koch oder Gastgewerbeassistent zu arbeiten beginnen. „Unser Hauptaugenmerk liegt auf der Vielfalt. Wir bilden die Schüler nicht als Fachidioten aus, sondern lassen sie in eine Vielzahl von Berufen hineinschnuppern“, sagt Mayer. Auch das passt sehr gut zu den Anforderungen der Wirtschaft an junge Arbeitnehmer, es werden immer mehr Generalisten anstatt Spezialisten gesucht. „Ich vergleiche unser Angebot gern mit dem sechsbeinigen Hund von Agip“, scherzt Mayer: „Von unseren sechs Fachbereichen sind alle gleich wichtig“.

Da gibt es erstens die Fremdsprachen-Ausbildung, wo neben Englisch, Französisch oder Russisch noch Spanisch als dritte lebende Fremdsprache auf Maturaniveau gewählt werden kann. „Für das Studium Exportorientiertes Management oder Tourismusmanagement an der FH Krems ist eine dritte Sprache obligatorisch“, erzählt Kerstin Resch, Klassensprecherin der Maturaklasse, über die Möglichkeiten nach dem Schulabschluss. Zweitens ist hier die wirtschaftliche Ausbildung wichtig. Drittes Standbein ist die Fachpraxis: Neben dem Echt-Betrieb der Großküche wird in Übungsfirmen die Berufspraxis trainiert. „Derzeit liegen berufspraktische Tage bei allen Schultypen im Trend. Bei uns ist es seit 15 Jahren eine Selbstverständlichkeit, dass die Schüler einige Tage pro Schuljahr in das echte Arbeitsleben schnuppern. Zusätzlich ist ein dreimonatiges Berufspraktikum verpflichtend“, so Mayer. Das Feedback der Schüler ist positiv – wo sonst lernt man Fachpraxis so hautnah kennen. „Und wenn es einem nach dem Reinschnuppern nicht gefällt, weiß man wenigstens: Danke – das ist nichts für mich“, sagt Kerstin Resch.

Keine Schmierereien mehr

Die weiteren Pfeiler der Ausbildung sind natürlich die Allgemeinbildung und das kreative Arbeiten. „Dabei lernen die Schülerinnen nicht nur nähen!“, wehrt sich Mayer gegen gängige Vorurteile. Ob bei Holzarbeit, Fließenmosaiken oder Stoffverarbeitung, die Lehrer wollen das kreative Potenzial der Schüler fördern. Das sieht sieht man in fast allen Räumen der Schule: Angefangen hat es vor vielen Jahren mit einer Verschönerungsaktion der Toilettenanlagen. „Nachdem die Schüler selbst die WC-Räumlichkeiten gestaltet haben, gab es nie wieder Schmiererein und blöde Sprüche an der Wand“, sagt Mayer stolz. Darum ging die Verschönerungsaktion weiter, und Keller- und Klassenräume sind vielfältig und bunt dekoriert – tatsächlich ohne Graffitis. Als sechstes Standbein zählt Mayer die Wahl des Ausbildungsschwerpunktes auf: Ab dem zweiten Jahr können die Jugendlichen entweder Sozialverwaltung, Ernährung und Wellness oder Spanisch als Schwerpunkt wählen. Die jeweilige Berufsvorbereitung macht dann zirka zehn Prozent der Gesamtstundenzahl aus. Während alle humanberuflichen Schulen grundsätzlich die gleichen sechs Standbeine haben, sind die angebotenen Schwerpunkte sehr schulspezifisch (siehe unten). Den Ablauf der Gastronomieausbildung können Gäste der Schule in Hollabrunn jedenfalls selbst miterleben: In der Lehrküche wird gehobene Küche und Service geübt. Serviert wurden als Beilage zum Wildschweingulasch – Knödel.

WEBTIPP

Überblick über berufsbildende Schulen in Niederösterreich:

www.schulfuehrer.asn-noe.ac.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.