„Die Kinder brauchen Seelenpflege“

ANDERE SCHULEN. Die Paracelsus-Schule bei Salzburg ist eine Waldorf-Sonderschule. Die Kinder kümmern sich um Tiere und spielen im Wald. Sponsor ist die Familie Porsche.

ST. JAKOB. „Seit meiner Kindheit hatte ich den Wunsch, etwas Soziales zu machen“, sagt Daniell Porsche, Urenkel des Autokonstrukteurs Ferdinand Porsche bei der Besichtigung der Paracelsus-Schule in St. Jakob bei Salzburg. Der Spross aus der Porsche-Dynastie schaffte es nach langer Anstrengung, dass die heilpädagogische Waldorfschule seit zwei Jahren ein neues Zuhause hat: den Schützenwirt in St. Jakob am Thurn. „Nach vielen Jahren in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Volksschule in Niederalm war klar: Die Kinder brauchen mehr Platz und eine andere Umgebung“. Unter Einbindung der Lehrer und Eltern wurde ein Modell entwickelt, das sich nirgendwo so schön umsetzen ließ wie hier in St. Jakob.

Zu Beginn der Umbauarbeiten des alten Schützenwirts in eine heilpädagogische Waldorfschule wurden Stimmen in der Bevölkerung laut, die den Wirt im Dorf erhalten wollten. Und so ergab es sich, dass neben der Paracelsus-Schule ein neu gestalteter Schützenwirt entstand, der heute als Biogasthof geführt wird. „Zu unserem Glück fehlte noch der Turnsaal für die Schule“, meint Daniell Porsche. Der neue multi-funktionale Veranstaltungs- und Festsaal, der Jakobisaal, in dem sowohl geturnt als auch Theater gespielt wird oder Hochzeiten gefeiert werden, hat seinen Kindheitstraum vervollkommnet.

Porsche selbst ist Obmann des „Vereins Paracelsus-Schule Salzburg“ und arbeitet als Musik-Therapeut mit den Kindern: „Mir ist es wichtig, dass unsere Schüler nicht als verhaltensgestört abgestempelt werden. Es sind seelenpflegebedürftige Kinder, die mit ihrem Verhalten danach schreien, dass man ihnen hilft, sich richtig zu entwickeln.“

Sanfte Farben, wenig Kanten

Die Schule nimmt jedenfalls Schüler mit dem sogenannten SPF-Status auf: Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Dieser liegt laut Paragraf 8 Schulpflichtgesetz vor, wenn ein Kind zwar schulfähig ist, infolge physischer oder psychischer Behinderung dem Unterricht in der Volks- oder Hauptschule oder in der Polytechnischen Schule ohne sonderpädagogische Förderung jedoch nicht zu folgen vermag.

Beim Lokalaugenschein führt Direktorin Veronika Burtscher durch die Schule. Schon das Gebäude selbst strahlt durch sanfte Farben und wenig Ecken und Kanten eine beruhigende Stimmung aus. Derzeit werden hier 36 Schüler (6 -18 Jahre) betreut, drei davon wohnen im Internat. Die restlichen Kinder werden jeden Morgen in Salzburg und Umgebung durch den Samariterbund abgeholt und hergebracht. „Wir unterrichten in Kleinstklassen“, sagt Burtscher und öffnet die Türe zu einem kleinen kuscheligen Raum, wo drei bis sechs Schüler ihre Vormittage verbringen.

Der Tagesablauf ist ganz im Sinne Rudolf Steiners, dem Begründer der Waldorfschulen, rhythmisch gegliedert: Zu allererst wird den Kindern eine Bewegungs- und Tätigkeitszeit gegönnt. „Erst wenn der Bewegungsdrang gestillt ist, kann man an ruhige Betätigungen und Lernen im Sitzen denken“, meint Burtscher. Während der praktischen Tätigkeitszeit werden die Klassenverbände aufgelöst und die Gruppen je nach Eignung und Neigung so gebildet, dass auf die Bedürfnisse der Kinder eingegangen wird. Da wird im Wald oder im Garten gearbeitet, es wird Spielzeug hergestellt und Künstlerisches gestaltet.

Eine Gruppe ist jeweils an der Reihe, um die gemeinsame Jause vorzubereiten, nach der es mit dem Lernalltag losgeht. Die Lerninhalte orientieren sich am allgemeinen Lehrplan der Waldorfschulen – wiederum angepasst an die Bedürfnisse der Kinder. Der Hauptunterricht wird in drei- bis vierwöchigen Epochen abgehalten, sodass jedes Kind die Möglichkeit hat, sich in dieser Zeit intensiv mit Deutsch, Mathematik, Geografie, Geschichte, Tier- und Pflanzenkunde, Physik, Chemie und Menschenkunde auseinander zu setzen. Der Tag geht mit dem Fachunterricht weiter, wo z.B. Werken und Handarbeit, Musik oder Religion von Fachlehrern betreut werden. Wichtig ist in St. Jakob auch die tiergestützte Pädagogik, bei der Tiere des mitbetreuten Bauernhofs als Co-Therapeuten dienen. Die Kinder lernen an Ziege, Hund oder Hase einen unverkrampften Zugang zu Fürsorge und Vertrauen.

Eltern helfen mit

Sieglinde Wendt betreut die Kerzenwerkstatt, in der sich Schüler auf das Kerzengießen und -ziehen konzentrieren. Wendt war die Gründerin der Paracelsus-Schule vor 20 Jahren. Damals erkannten vier Eltern der Walddorfschule in Salzburg, dass ihre Kinder in großen Schulklassen nicht gut aufgehoben waren, gründeten den „Verein Paracelsus-Schule Salzburg“ und holten die erfahrene Waldorflehrerin an Bord. Sie erinnert sich: „Auch damals halfen die Eltern tatkräftig mit, um ihre Kinder zu fördern.“ Schwierig wird es erst, wenn die Eltern selbst überfordert sind. Doch wegen der intensiven Zusammenarbeit mit den Eltern zum Wohl des Kindes kommt das in der Paracelsus-Schule selten vor, betont die Direktorin Burtscher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2008)

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