Gegen Krieg und Klimawandel: Wenn Schüler die Welt retten

(c) Bayrhammer
  • Drucken

Der preisgekrönte US-Pädagoge John Hunter stellte sein World Peace Game in Österreich vor. Heimische Lehrer wollen es weiterführen.

Emmersdorf. Es gibt ein Problem – eines, angesichts dessen die Politiker kurz sprachlos wirken. Und dann drauflos streiten. Auf einer Insel sind Soldaten in der Uniform des fiktiven Landes Mittelerde aufgetaucht. Das könnte Krieg bedeuten. Schließlich steht Helene (14) auf, Premierministerin von Mittelerde. Und sie schafft es, einen Krieg vorerst abzuwenden: Die Soldaten seien nicht ihre, nichts liege ihr ferner als eine Invasion.

Es ist – wenn auch vereinfacht – die große Politik, die da im Turnsaal der Neuen Mittelschule Emmersdorf (NÖ) stattfindet. Seit vier Tagen spielen knapp 40 Schüler aus der NMS, dem Stiftsgymnasium Melk und aus dem internationalen Zweig des Sport-BORG St. Pölten mit dem preisgekrönten US-Pädagogen John Hunter sein World Peace Game. Ein Planspiel, dessen Ziel auf den ersten Blick fast pathetisch wirkt: Frieden.

Vier Ebenen aus Plexiglas voller Figuren stehen da, eine Miniaturwelt in Schichten. Weltraum, Luft, die Erde mit vier fiktiven Nationen und das Wasser. Jedes Kind hat seine Rolle: Premier, Minister, Weltbank-Chef, UN-General, Waffenhändler. Über Wetter, Börse und Erfolg oder Misserfolg der Vorhaben bestimmt eine eigene Figur: die Wettergöttin. Es gilt, 50 Krisen zu bewältigen – von Grenzkonflikten über Chemieunfälle und Cyberhacking bis hin zum Klimawandel. Die Herausforderung: Es reicht nicht, wenn das einem Land gelingt. Alle müssen am Schluss besser dastehen als am Anfang. Schafft es ein Land nicht, verlieren alle.

Etwas, das noch nie vorgekommen ist, sagt John Hunter (auch in Emmersdorf nicht). Und er arbeitet schon lange mit dem Spiel: Vor 35 Jahren beginnt er mit seinen Schülern, globale Probleme anhand eines Planspiels zu lösen.

Start vor 35 Jahren in USA

Er lehrt damals (wie heute) im US-Staat Virginia, geprägt ist er als Afroamerikaner durch Martin Luther King und nach Reisen durch Indien durch Gandhi. Pädagogik versteht er zunehmend als Weg, um Menschen heranzubilden, die aktiv Anteil nehmen an dem, was rundherum passiert. Das Time-Magazin kürt ihn 2012 zu einem der inspirierendesten Bildungsaktivisten. Dass der 59-Jährige nun in Emmersdorf sitzt, hat die Denkwerkstatt Globart initiiert, die ihm vor zwei Jahren ihren jährlichen Award verliehen hat.

Hunter ermutigt die Schüler, er warnt sie, er treibt sie an. Was er nicht macht: Vorschläge. Seine Herangehensweise ist eine von Trial und Error, eine ohne vordefiniertes Richtig oder Falsch. Keine Selbstverständlichkeit im Umgang zwischen Erwachsenen und Kindern, noch weniger in der Schule, in Zeiten von standardisierten Tests. Etwas, das auch Hunter selbst nicht immer leicht fällt. „Ich muss immer der Versuchung widerstehen, zu sagen, was ich denke.“ Aber er habe gelernt, die Kinder agieren und sie mit den Folgen selbst zurechtkommen zu lassen.

Auch den Lehrern bereitet das Schwierigkeiten. „Manchmal habe ich das Gefühl, ich platze fast“, sagt eine Lehrerin. Knapp 20 Pädagogen werden von Hunter zu Spielleitern ausgebildet, inklusive pädagogischem Hintergrund. Sie sind begeistert. „Man sieht die Entwicklungsschritte der Kinder“, schildert Englischlehrerin Ingrid Spielleutner. „Wie sie mutiger werden. Wie sie kooperieren, das große Ganze sehen.“ Sie will das Spiel künftig im Unterricht verwenden. (beba)

Mehr Informationen bei globart.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.