AHS: Wenn Schüler wie Wissenschaftler denken sollen

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„Vorwissen-schaftliche Arbeit“ bei der Matura soll Schüler auf die Uni vorbereiten.

Sie ist einer der Eckpunkte der neuen AHS-Matura: die verpflichtende „vorwissenschaftliche Arbeit“. Ab dem Schuljahr 2011/12 ist die bisherige „Fachbereichsarbeit“ passé, durch die Schüler sich eine mündliche Maturaprüfung ersparen konnten. Stattdessen muss dann jeder AHS-Maturant eine 15 bis 17 Seiten lange Arbeit verfassen – eine deutlich abgespeckte Version der Fachbereichsarbeit also. Das Thema soll schon am Ende der siebenten Klasse vergeben werden.

Man reagiere damit unter anderem auf die (berechtigte) Kritik der Universitäten, dass AHS-Maturanten derzeit nicht ausreichend auf das Studium vorbereitet würden, heißt es aus dem Bildungsministerium. Diesen Anspruch sollten derzeit nur der Deutschunterricht explizit erfüllen (durch die seit 2004/05 festgeschriebene Vermittlung von „Methoden und Kompetenzen wissenschaftlichen Arbeitens“) und die – allerdings freiwillige – Fachbereichsarbeit samt dem dazugehörigen Freifach „Einführung in die Praxis des wissenschaftlichen Arbeitens“.

Details noch unklar

Das soll sich mit der neuen AHS-Maturaregelung, die diesen Mittwoch den Ministerrat passieren wird, ändern. „Wenn alle Schüler eine solche Arbeit schreiben, müssen wir sicher über die richtige Vorbereitung darauf reden“, so ein Sprecher von Unterrichtsministerin Claudia Schmied. Wie diese konkret aussehen soll, ist noch ungewiss. Schließlich habe man noch vier Jahre Zeit, um solche Details zu klären. Diese werden dann per Verordnung festgeschrieben.

Bisher ist die Vorbereitung laut der Wissenschaftsdidaktikerin Angelika Steets an den Schulen ungenügend. Und zwar nicht nur für das wissenschaftliche Schreiben an den Unis, sondern auch für das vorwissenschaftliche Schreiben an den Schulen selbst. Den Schülern, so ihre Kritik, fehle es Grundlagenwissen über Ziel und Zweck wissenschaftlichen Arbeitens, der Umgang mit Fachliteratur (Verstehen und Verwerten für die eigene Arbeit) würde nicht ausreichend eingeübt und das Schreiben nicht als eine „spezifische Form der Wissensverarbeitung“ verstanden.

Spielerische Annäherung

Als frühen, spielerischen Zugang zum vorwissenschaftlichen Arbeiten können Projektarbeiten verstanden werden, die Schüler schon zu Beginn der Oberstufe, also lange vor der Matura, erstellen. Ein Beispiel für dieses – teils spielerische – Hintasten zum wissenschaftlichen Arbeiten ist ein Projekt der 6D des Peraugymnasiums in Villach. Auf 17 Seiten haben sich die Schüler mit den Themen Mobbing, Vandalismus und Happy Slapping beschäftigt.

Zumindest die groben Vorgaben einer wissenschaftlichen Arbeit wurden dabei eingehalten: Es werden Begriffe definiert (etwa Happy Slapping, bei dem Jugendliche Unbeteiligte attackieren, den Angriff per Handy-Kamera aufzeichnen und die Videos verschicken), Quellen angegeben, Aussagen mit Statistiken unterlegt. Im theoretischen Teil wird die Gesetzeslage erörtert und die Diskussion über einen Zusammenhang zwischen Gewalt und Medien (Film und Musik) angerissen.

Zwei empirische Studien (mit sehr kleiner Stichprobe) untersuchen die Themen Gewalt und Vandalismus: Wie bewerten Erwachsene die Situation an den Schulen? Was sind die Gründe dafür, dass Jugendliche gewalttätig werden? Zum Thema Mobbing haben die Sechstklassler eine eigene Umfrage unter Schülern der fünften bis achten Klasse durchgeführt, statistisch ausgewertet und die Ergebnisse in Diagrammen dargestellt. Ein laut „Studienautoren“ erstaunliches Ergebnis: Am Peraugymnasium gebe es mehr weibliche als männliche Täter, wobei nach der Art der Gewalt unterschieden werden müsse: „Weibliche Täter neigen eher zu gewaltlosen Formen (des Mobbings, Abm.) wie zum Beispiel Beleidigungen, Gerüchte verbreiten usw. Männliche Täter tendieren zu körperlichem Mobbing.“

„Presse“ vs. „Krone“

In einem „Experteninterview“ wird eine Polizistin zu Gewalt und Schlägereien in Villach befragt, in einer kurzen Medienanalyse Artikel über Jugendgewalt aus den Tageszeitungen „Presse“ und „Krone“ verglichen. Texte, Gedichte, Zeichnungen, sogar ein Lied über Jugendgewalt bilden den „kreativen“ Teil der Arbeit, die hauptsächlich in der Freizeit der Schüler entstanden ist. Geleitet hat sie von Deutschlehrerin Margit Zednicek. Und zwar ganz ohne zu zensieren, wie die Schüler betonen.

DIE NEUE ARBEIT

www.peraugym.atNeben der „teilzentralen“ schriftlichen Prüfung (siehe Artikel unten) in künftig vier Fächern ist die verpflichtende „vorwissen-schaftliche Arbeit“ die dramatischste Änderung der Matura ab 2001/12.

Dabei müssen alle Schüler verpflichtend eine 15 bis 17 Seiten lange Arbeit verfassen. In welcher Form sie darauf vorbereitet werden sollen, ist derzeit noch nicht geklärt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2008)

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