Österreichisch: Ich trink mal eine Cola mit den anderen Jungs!

(c) Petra Winkler
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Eine aktuelle Studie zeigt: Manche bundesdeutsche Begriffe haben sich bei Jugendlichen schon durchgesetzt. Das Bildungsministerium verteilt nun Broschüren zu österreichischem Deutsch. Was aber beeinflusst unsere Sprache?

Wien. Buben wird es nicht mehr allzu lange geben: Zu diesem Schluss könnte man kommen, wenn man die ersten Ergebnisse einer Studie sieht, für die Forscher österreichweit rund 1200 Schüler zwischen 14 und 18 Jahren befragt haben. Fast 70 Prozent von ihnen verwenden demnach eher den Begriff Junge. Auch andere bundesdeutsche Ausdrücke haben sich bei den Jugendlichen bereits durchgesetzt: Acht von zehn sagen eine – und nicht ein – E-Mail, mehr als die Hälfte bestellen eine Cola, fast 80 Prozent verabschieden sich am ehesten mit Tschüss. Vor allem im Vergleich mit den Erwachsenen zeigt sich: Die junge Generation hat weniger Scheu vor bundesdeutschen Begriffen. Die befragten Lehrer hängen eher an der österreichischen Form – es geht um die Standardsprache, nicht um den Dialekt. Wie die Forscher um Rudolf de Cillia und Jutta Ransmayr (Uni Wien) zeigen, würde nur jeder fünfte Lehrer eine Cola bestellen, jeder dritte Lehrer verwendet das Wort Junge statt Bub, weniger als die Hälfte verschickt eine E-Mail. Die Schüler verwenden bundesdeutsche Formen aber nicht nur selbstverständlicher. Sie halten sie auch – eher als die Lehrer – für korrekter als die österreichische.

„Alles deutet auf einen generationenspezifischen Sprachwandel hin“, sagt de Cillia. Dass das Österreichische verschwindet, steht aber vorerst nicht zu befürchten: Bei der Mehrheit der abgefragten Beispiele bevorzugen die Schüler nämlich doch die österreichischen Ausdrücke. Knapp 90 Prozent verwenden demnach Jänner (und nicht Januar), acht von zehn schmeckt etwas sehr gut (und nicht lecker), und eine gute Note ist für die meisten immer noch ein Einser und nicht eine Eins – um nur einige Beispiele zu nennen.

Die Presse

Aufmerksamer Umgang

Weitere Analysen der Studie stehen noch aus, klar ist aber: Das österreichische Deutsch ist ein Thema. Das zeigt auch die Broschüre, die das Bildungsministerium seit dieser Woche verteilt: Sie soll Lehrern helfen, ihren Schülern den Stellenwert des Österreichischen zu vermitteln, und zu einem aufmerksamen Umgang mit der Sprache beitragen. Vorbemerkung im Heft: Es sei klar, dass sprachliche Entwicklung nicht aufzuhalten sei – jede lebende Sprache verändere sich. Familie, Freunde, Schule oder TV: „Die Presse“ hat sich angesehen, was die Sprache der Jugendlichen prägt und auf welche Art.

Einser in der Schule

In der Schule hat österreichisches Deutsch seinen fixen Platz: Das jeweils aktuelle „Österreichische Wörterbuch“ legt fest, was als richtige Schreibung gilt. Zwei Drittel der für die aktuelle Uni-Wien-Studie befragten Lehrer halten österreichisches Deutsch für ein wichtiges Thema im Unterricht. Sie verwenden auch eher österreichische Formen als ihre Schüler.

Trotzdem sind sie mitunter unsicher. So ist mehr als die Hälfte von ihnen – mehr oder weniger stark – der Meinung, dass das bundesdeutsche Deutsch „korrekter“ als das österreichische sei. Nur 44 Prozent halten das bundesdeutsche Deutsch nicht für überlegen. Forscher Rudolf de Cillia kritisiert, dass die aktive Beschäftigung mit dem österreichischen Deutsch in Schulbüchern häufig eher Spaßcharakter hat – und sich auf Dialektausdrücke beschränkt. Unter den Schülern dominiert jedenfalls bei einem schulischen Begriff klar die österreichische Form: Der Einser schlägt nach wie vor die Eins.

Chüün mit Freunden

WhatsAppen (statt smsen), chüün (also: chillen) oder YOLO (You only live once) – die Top drei bei der jüngsten Kür zum Jugendwort des Jahres zeigen: Neue Medien und Anglizismen haben ihren fixen Platz in der Jugendsprache. Genauso wie übrigens der Dialekt. Laut der Uni-Wien-Studie sprechen Jugendliche mit ihren Freunden zu 45 Prozent Dialekt.

Eine allgemeingültige Jugendsprache gibt es aber trotzdem nicht – denn wie untereinander gesprochen wird, hängt von regionalen Gegebenheiten genauso wie vom sozialen Umfeld ab. Dass Elemente von Migrantensprachen ins Deutsche integriert werden, wie in deutschen Großstädten, dürfte hierzulande weniger ausgeprägt sein, meint der Grazer Forscher Hermann Muhr. Er beobachtet aber, dass sich Jugendliche auch sozial stark durch Sprache voneinander abgrenzen. Abgrenzung – vor allem gegenüber der Elterngeneration – ist schließlich Ziel der Jugendsprache.

Oma kocht Karfiol

Familie. Die Familie ist der Bereich, in dem Sprache den Einflüssen von außen weniger als andernorts ausgesetzt ist. Man spricht meist so miteinander, wie man es von Anfang an gewöhnt ist. Für das österreichische Deutsch bedeutet dies: Hier wird noch der Bartwisch gesucht, der Karfiol gekocht und über die Stiege gestolpert.

So sprechen nach eigenen Angaben mehr als 40 Prozent der von den Forschern um Rudolf de Cillia befragten Schüler mit ihren Eltern und Geschwistern Dialekt, mit den Großeltern sogar mehr als 45 Prozent. Zum Vergleich: In der Schule sind es weniger als zehn Prozent. Klar ist generell: Abseits von Wien spielt der Dialekt eine größere Rolle, in den Städten sind dafür auch andere Sprachen stärker vertreten. Zuwanderer behalten oft über Generationen ihre Sprache.

Und auch wenn Eltern pubertierender Kinder ihren Glauben daran zum Teil verlieren: Entscheidend für den Spracherwerb ist die Frage, in welcher Qualität und Menge in frühen Jahren mit dem Kind gesprochen wurde.

Ein Date im TV

Österreichisch geprägte Sprache hören Jugendliche im Fernsehen nur selten. Das ergibt sich schon aus der Auswahl der Sender, wie die aktuelle Uni-Wien-Studie zeigt: Die Schüler schauen neben ORF eins vor allem die deutschen Sender Pro7 und RTL, als Kinder schalteten sie am häufigsten SuperRTL und Kika ein.

Dazu kommt, dass die Sprechvorbilder, mit denen sich die Jugendlichen am ehesten identifizieren können, weniger die (österreichischen) Nachrichtensprecher sind als die jungen Charaktere in TV-Serien – und die sprechen meistens Bundesdeutsch.

In Deutschland beklagt man den Einfluss des Fernsehens interessanterweise auch. Vor allem synchronisierte Formate stehen in der Kritik: So würden Kunstwörter wie etwa „jemanden daten“ erzeugt, die inzwischen Eingang in die Sprache der Jugendlichen gefunden haben.

OMG, das Internet

Wenn es um sprachliche Defizite geht, wird als Sündenbock oft das Internet ausgemacht: Dort würden etwa keine Rechtschreib- oder Grammatikregeln befolgt. Belegt ist, dass die Kommunikation in sozialen Netzwerken wie Facebook stark mündlich gefärbt ist. Interjektionen wie „Oh“ sind verbreitet, ebenso finden sich Abkürzungen wie „lol“ (laughing out loud) oder „OMG“ (Oh my god) in der Online-Kommunikation häufig.

Forscherin Heike Ortner von der Uni Innsbruck glaubt aber nicht, dass das zum sprachlichen Verfall führt. Eher entstehe eine eigene Ausdrucksform – die aber nicht zwingend auf die sonst gesprochene und geschriebene Sprache abfärben muss. Probleme gebe es dann, wenn Jugendliche nicht unterscheiden könnten, in welcher Kommunikationssituation sie sich befinden, sprich: ob die Netzsprache gerade passt.

Anglizismen sind online naturgemäß verbreitet. Aber auch für das österreichische Deutsch ergibt sich eine Nische: Im Netz wird auch relativ viel auf Österreichisch bzw. im Dialekt kommuniziert.

Veranstaltung der Uni Wien

Am 28. Juni findet in der VHS Urania in Wien die Veranstaltung "Deutsch 3.0 – Perspektiven auf und aus Österreich" statt. An der Podiumsdiskussion zum Thema wird unter anderem "Presse"-Redakteurin Rosa Schmidt-Vierthaler teinehmen. Gesprochen wird über die Zukunft des Deutschen im Allgemeinen und über die sprachlichen Verhältnisse in Österreich im Speziellen.

Wissen

Österreichisches Deutsch. Seit den Habsburgern ist eine österreichische Variante des Deutschen ein Thema – vor allem wegen eigener Begrifflichkeiten in Verwaltung und Kulinarik. In der Donaumonarchie flossen zahlreiche Lehnwörter aus den Kronländern ein.
Insgesamt orientierte man sich aber lange an Deutschland. Erst nach dem Nationalsozialismus gab es eine Distanzierung, die dann auch bewusst über die Sprache ausgetragen wurde. So wurde in der Schule der Begriff „Unterrichtssprache“ statt „Deutsch“ verwendet.

Wörterbuch. 1951 entstand das identitätsstiftende „Österreichische Wörterbuch“, das in den Schulen – inzwischen in der 42. Auflage – noch immer verwendet wird. Forschungsprojekte zur österreichischen Varietät des Deutschen wurden aber erst in den 1990er-Jahren in Angriff genommen.

23 Wörter. Beim EU-Beitritt 1995 ließ Österreich die Sprache symbolisch als Kulturgut anerkennen. 23 spezifische Begriffe aus der Kulinarik wurden aufgelistet, von Beiried über Marillen bis Weichseln. 2004 erschien das „Variantenwörterbuch“, das die deutsche Sprache in verschiedenen Ländern und Regionen berücksichtigt. Dass nun die Bildungsministerin Broschüren zum österreichischen Deutsch ausgibt, soll für einen bewussteren Umgang mit der Sprache sorgen.

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