Deutsch: „Integrierte Förderung besser als Intensivkurse“

(c) Clemens Fabry
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Kinder müssten beim Deutscherwerb fünf bis acht Jahre unterstützt werden, sagt Professorin Inci Dirim.

Die Presse: Wieder wird über Extraklassen für Sprachförderung diskutiert. Was halten Sie davon?

Inci Dirim: Ich finde gesonderte Klassen sehr problematisch. Die Forschung zeigt, dass das weder im Hinblick auf die Sprachförderung noch im Hinblick auf das Zusammenleben der Schüler sinnvoll ist.

Was schlagen Sie vor?

Es hat sich gezeigt, dass integrierte Angebote bessere Erfolge erzielen als separate Intensivkurse. Spracherwerb findet nicht gesondert statt, sondern er bezieht sich aufs Fach. Da könnte man Schülern Fachkräfte zur Seite stellen oder mit zwei Lehrern im Teamteaching arbeiten. Dann gibt es die sogenannte durchgängige Sprachbildung, bei der sich Schüler in jedem Fach mit der Bildungssprache Deutsch auseinandersetzen können – ob sie einen Migrationshintergrund haben oder nicht.

Und für die Quereinsteiger?

Für Kinder, die neu dazukommen, sollte es parallel zusätzliche, kursähnliche Angebote geben. Aber das sollte sie nicht hindern, am regulären Unterricht teilzunehmen.

Was bringt es, wenn ein Kind ohne Deutschkenntnisse im Mathematikunterricht sitzt?

Da können die Kinder sich schon einmal an die Klassenatmosphäre gewöhnen, Freundschaften schließen, die Lehrkräfte kennenlernen, sich mit dem Material beschäftigen. Und integrativ gefördert werden. Die zusätzlichen Förderangebote sollten sich dann idealerweise auf das beziehen, was im regulären Unterricht passiert.

Was halten Sie von befristeten Intensivkursen zu Beginn?

Wenn sie sehr kurz sind, vielleicht. Aber es ist immer gut, wenn die Schüler so schnell wie möglich in reguläre Klassen integriert werden. Und man muss sagen, dass man sich von kurzfristigen Intensivangeboten nicht zu viel versprechen sollte: Studien zeigen, dass Kinder in der Bildungssprache Deutsch fünf bis acht Jahre unterstützt werden müssen. An langfristigen Fördermaßnahmen kommt man also nicht vorbei.

Auch frühe Förderung sollte ausgeweitet werden, Stichwort zweites Kindergartenjahr. Gute Idee?

Es ist wertvoll, wenn früh damit begonnen wird. Aber die Förderung muss mit dem verzahnt werden, was dann in der Schule erwartet wird. Und: Auch ein zusätzliches Kindergartenjahr entbindet nicht von der Notwendigkeit von Förderangeboten in der Schule. Wenn die Förderung nicht fortgesetzt wird, sind die Effekte innerhalb kürzester Zeit weg.

Warum das?

Weil die sprachlichen Anforderungen sich von Jahr zu Jahr ändern, abstrakter werden. Und das muss in der Situation gelernt werden, mit Unterstützung. Ich kann nicht sagen: Ich fördere die Kinder jetzt ein Jahr lang – und dann haben sie alle sprachlichen Mittel, die sie in den folgenden fünf Jahren brauchen werden. Das geht leider nicht.

Gibt es überhaupt genug Lehrende, die für Sprachförderung ausgebildet sind?

Es brauchte auf jeden Fall mehr.

ZUR PERSON

Inci Dirim (*1965 in Gladbeck, D) ist Professorin für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Uni Wien. Zuvor war sie u.a. an der Uni Hamburg tätig. Dirim ist Germanistin und hat in Erziehungswissenschaften promoviert. [ Uni Wien ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2014)

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