Deutschförderlehrer: „Pool bei Weitem nicht ausgeschöpft“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Es gebe viele qualifizierte Lehrkräfte ohne Lehramtstudium - die würden aber im Schulsystem nicht beschäftigt, kritisieren Experten.

Es fehlen qualifizierte Lehrkräfte für die Deutschförderung – doch nicht nur deshalb, weil zu wenige Personen eine entsprechende Ausbildung absolviert haben. Sondern auch, weil diejenigen, die sich auskennen, nicht an den Schulen beschäftigt werden, sagt Sabine Schmölzer-Eibinger, Professorin für Deutsch als Zweitsprache an der Uni Graz. Das Problem: Viele ausgebildete Lehrkräfte für Deutsch als Zweitsprache haben kein klassisches Lehramtsstudium absolviert – sondern ihre Qualifikation etwa im Rahmen eines Moduls oder eines Lehrgangs an der Uni erlangt.

„Der Pool an qualifizierten Lehrkräften ist bei Weitem nicht ausgeschöpft“, sagt Schmölzer-Eibinger. Alleine die Uni Graz habe in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr als 400 Lehrgangsabsolventen „genau für diese Aufgabenstellung“ ausgebildet. „Ein wesentlicher Teil von ihnen wird aber vom Schulsystem nicht beschäftigt. Dabei ließe sich so kurzfristig sicher ein Teil des Lehrkräftemangels lösen.“ Aus dem Bildungsministerium ist hier aber keine Ausweitung oder Änderung angedacht: Der Schwerpunkt liege auf dem Schulen von Lehrenden - „auch und gerade jene, die nicht Sprachen unterrichten“.

Sprachcoaches als Unterstützung

Letzteres stimmt jedenfalls mit der zentralen Forderung der Experten überein: Mittelfristig müsse man natürlich auf Ausbildung setzen – und zwar optimalerweise eine, die jeden angehenden Lehrer mit dem Thema Deutschförderung in Berührung bringt, egal welches Fach er später unterrichten wird. In Deutschland gibt es einen Trend in diese Richtung. In Österreich hat man – trotz der Reform der Curricula im Zuge der neuen Lehrerausbildung – bislang noch nicht nachgezogen.

Auch neue Berufsbilder seien gefordert – etwa Sprachcoaches, wie es sie in Berlin bereits seit mehreren Jahren gibt: Das sind Lehrer, die entweder an einer Schule oder mobil für mehrere Schulen dafür da sind, um andere Pädagogen bei Bedarf zu beraten. Im Auftrag des Ministeriums habe man an der Uni Graz sogar ein Curriculum erarbeitet, sagt Schmölzer-Eibinger: „Das liegt seit zwei Jahren in der Schublade.“ Dazu das Ministerium: Es werde keine neue Funktion der Sprachcoaches geben, vielmehr würden bereits im Dienst stehende Lehrkräfte an den Pädagogischen Hochschulen dafür qualifiziert.

Notwendig wäre beides - Ausbildung und Unterstützung - allemal. Laut einer deutschen Studie fühlen sich zwei Drittel der Lehrer überfordert mit der Situation, dass in ihren Klassen Schüler mit Sprachförderbedarf sitzen. „Man kann nur annehmen, dass die Situation in Österreich ähnlich aussieht“, sagt Schmölzer-Eibinger.

Forschung: „Man stellt sich taub“

Letztlich fehle es auch an entsprechender Förderung für Forschung in dem Bereich Deutsch als Zweitsprache. „Ich habe das Gefühl, da stellt sich Österreich taub“, sagt Schmölzer-Eibinger. „Es bräuchte dringend eine Forschungsoffensive.“ Gelder für unterrichtsbezogene fachdidaktische Forschung zu lukrieren, sei derzeit fast unmöglich. „Es ist sehr schwierig, Projekte im Bereich der Fachdidaktik bewilligt zu bekommen, auch wenn das mit Grundlagenforschung auf höchstem Niveau einhergeht.“

(beba)

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