Lopatka: „Einseitig abrüsten in der Koalition geht nicht“

(c) Clemens Fabry
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Der ÖVP-Klubobmann steht trotz interner Warnung vor Hickhack dazu, dass Ministerin Heinisch-Hosek die Neuen Mittelschule überarbeiten müsse.

Die Presse: Sie haben den Stopp des Ausbaus der Neuen Mittelschule (NMS) überlegt. Wie sinnvoll ist es, das noch zu stoppen?

Reinhold Lopatka: Die Frage ist, ob man alles negieren kann, wenn nach dem sehr kritischen Rechnungshofbericht die Evaluierung zu Jahresbeginn 2015 ergibt, dass die Neue Mittelschule keines der gesteckten Zielen erreicht. Bildungsexperte Günter Haider hat gemeint, wir haben im sechsten Jahr der Neuen Mittelschule keinen Beleg dafür, dass die NMS mehr leistet oder sozial gerechter ist. Auch die Wiener Stadtschulratspräsidentin Brandsteidl hat erklärt, man muss das Konzept der Neuen Mittelschule überdenken. Es herrscht dringender Handlungsbedarf. Dann darf ich nicht so reagieren, wie Ministerin Heinisch-Hosek es gemacht hat. Sie hat Nein gesagt, das kommt nicht infrage. Es wird am Konzept festgehalten.


Noch einmal: Wie sinnvoll ist es? Da ist bis 2016 alles auf Schiene.

Dann muss man prüfen, ob die zusätzlichen sechs Stunden in der NMS sinnvoll eingesetzt sind. Wir haben immer gesagt, es muss mehr Autonomie und Differenzierung geben, es darf nicht alles vom Ministerium in Wien gemacht werden. Ich sehe wie Brandsteidl dringenden Handlungsbedarf.


Was soll dann also passieren?

Der Rechnungshof hat die Mehrkosten aufgezeigt: Ein AHS-Unterstufenschüler verursacht jährlich Kosten von 4700 Euro, ein NMS-Schüler von 7200 Euro. Da geht es um dreistellige Millionenbeträge. Ich will bei der Bildung nicht kürzen, damit mich niemand missversteht. Ich will einen optimalen Mitteleinsatz für die Bildung.


Heißt das auch zurück zur Hauptschule?

Klar ist, unsere AHS ist nach wie vor ein Schulmodell, das sich bewährt. Außerhalb davon müssen die Bildungsexperten die Evaluierung mitberücksichtigen. Wohin der Weg geht, kann ich heute nicht sagen. Aber ich darf nicht, nur weil dieser Weg eingeschlagen worden ist, an allem festhalten. Man muss sich ohne ideologische Scheuklappen ansehen, wie man hier zu Verbesserungen kommt. Das ist mein dringlicher Aufruf.

Insgesamt entsteht der Eindruck, das ist der nächste Koalitionskonflikt über schon gefasste Beschlüsse zum Ausbau.

Wir haben aber auch die Evaluierung beschlossen.


Es wäre doch vernünftiger gewesen, die NMS zuerst zu bewerten und dann auszubauen.

Ja, nachher ist man immer klüger. Aus der jetzigen Situation ist das Beste zu machen.


Gerade jetzt kommt aus der ÖVP die Aufforderung, das Koalitionshickhack zu beenden.

Wir sind zwei unterschiedliche Parteien. Da geht es für mich darum, dass die ÖVP weiterhin ein eigenständiges Profil hat, nämlich als Partei, die für Leistung, Familien und steuerliche Entlastung steht. Es geht aber um eine ehrliche Steuerreform und nicht um eine, bei der man am Beginn schon nachdenkt, wo man Steuern erhöhen kann. Das muss ich zuerst auf der Ausgabenseite einsparen. Da wird es weiterhin den politischen Diskurs in der Koalition geben, diese notwendige Auseinandersetzung ist zu führen.

Oberösterreichs ÖVP-Landeshauptmann Pühringer mahnt im „Standard“, auch die ÖVP müsse sich „am Riemen reißen“.

Vielleicht hat er da an seinen Landesmann Stöger gedacht, der völlig unbegründet die ÖVP attackiert hat: bei Abtreibungen in Westösterreich, beim Rauchverbot und beim Adoptionsrecht für Homosexuelle.


Stöger ist doch SPÖ-Politiker. Pühringer hat ganz ausdrücklich die ÖVP gemeint.

Das ist wie beim Abrüsten: Einseitig abzurüsten geht auch bei der verbalen Auseinandersetzung nicht.


Dass die ÖVP in Umfragen unter 20 Prozent liegt, beunruhigt Sie nicht so wie Pühringer?

Nein. Bei der EU-Wahl ist die ÖVP zuletzt mit 27 Prozent Erster geworden. Bei allen Landtagswahlen 2013 waren wir erfolgreicher als in den Umfragen. Außerdem haben wir in der Legislaturperiode noch nicht einmal eines von fünf Jahren.


Schließen Sie Personalveränderungen an der ÖVP-Spitze aus?

Ja. Die Bilanz von Parteiobmann Spindelegger ist weit besser, als ihm das manche unterstellen.


Droht die Koalition wegen der Steuerreform zu platzen?

Nein. Ich gehe davon aus, dass wir gemeinsam ein Ergebnis schaffen.


Wie soll bei den konträren Ausgangspositionen denn ein Ergebnis zustande kommen?

Indem man intern arbeitet und sich nicht über Medien mitteilt, was unbedingt in der Steuerreform beinhaltet sein muss.


Bei Vermögensteuern und Steuerreform so schnell wie möglich im Jahr 2015 kann die SPÖ kaum ohne Gesichtsverlust zurück.

Wir haben Ende Mai im Parlament einen Entschließungsantrag auch mit den SPÖ-Gewerkschaftern beschlossen. Darin sagen wir ganz klar, dass 2015 der Beschluss gefasst werden soll. Diesen Zeitplan werden wir einhalten.


Dann wird sich die Koalition den Herbst über nur wegen der Steuerreform bekriegen.

Nein. Jetzt arbeiten die Experten, dann wird das in der politischen Steuerungsgruppe bewertet. Ich erwarte, dass alle Beteiligten sehr ergebnisorientiert an die Sache herangehen. Jeder öffentliche Kommentar, das gilt für alle Beteiligten, bewirkt das Gegenteil.


Rechnen Sie mit einem Verzicht der SPÖ auf eine Vermögensteuer? Bleibt es beim Nein der ÖVP zu Vermögensteuern?

Ich teile der SPÖ jetzt nicht in einem Interview etwas zur Steuerreform mit. Wir sind mit der SPÖ einig: Diese Arbeit ist ein Schlüsselprojekt dieser Koalition für den Herbst und für 2015.


Gerade auch die Leistungsbereiten stöhnen besonders unter der Steuerlast – und die ÖVP bremst bei der Steuerentlastung.

Nein, die ÖVP bremst überhaupt nicht. Wir sind selbstverständlich für eine Steuerentlastung. Aber nochmals: Eine nachhaltige Entlastung kann es nur geben, wenn ich auf der Ausgabenseite Ergebnisse erziele. Mit einer Vermögensteuer wäre ausgabenseitig null erreicht.

Zur Person

Reinhold Lopatka. Der 54-jährige Steirer ist seit Dezember des Vorjahres Klubobmann der ÖVP im Parlament. Er zählt spätestens seit den rot-schwarzen Koalitionsverhandlungen 2013 zum engen Kreis um Vizekanzler und Parteiobmann Michael Spindelegger. Politisch ist Lopatka in der steirischen ÖVP groß geworden, als Bezirksparteiobmann von Hartberg-Fürstenfeld ist er trotz seiner Funktion in Wien weiter in der schwarzen Basis verankert. In der SPÖ-ÖVP-Koalition war Lopatka immerhin bereits dreimal als Staatssekretär in verschiedenen Bereichen tätig: zuerst 2007/08 für Sport, von Dezember 2008 bis April 2011 dann im Finanzministerium und von September 2012 bis zur Wahl 2013 im Außenamt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2014)

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