Neue Schulfächer: Glück statt Latein?

(c) Petra Winkler
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Zu Schulstart werden die Rufe nach neuen Gegenständen wieder lauter, von Glück bis Ernährung. Was in der Schule unterrichtet werden soll und worauf man verzichten könnte.

Glück, Ernährung, Ethik und immer wieder Wirtschaftsunterricht für alle: Gegen Schulstart tauchen Forderungen nach neuen Schulfächern wieder gehäuft auf. Und die Liste der Gegenstände, die (nach Meinung von Experten, Betroffenen oder Interessensvertretern) unbedingt in den Lehrplan gehören, ist lang.

Gleichzeitig ist der zumindest in den Gymnasien in den Grundzügen seit der Zeit Maria Theresias bestehende „ausufernde“ Fächerkanon vielen schon jetzt ein Dorn im Auge. Er gehöre entrümpelt, gestrafft, überarbeitet. Bleibt die Frage: Welche Gegenstände sollten in der Schule mehr Platz bekommen? Welche wackeln? Und welche haben Chancen, tatsächlich unterrichtet zu werden? „Die Presse“ hat sich die Debatten angesehen.

1. Die Herausforderer: Von Wirtschaft über Politik und Ethik bis Glück

Wirtschaft steht an erster Stelle jener Fächer, für deren Einführung immer wieder geworben wird. Für Experten ist die Kombination mit Geografie an den Gymnasien eine Fehlkonstruktion. In vielen anderen Ländern sei ein eigenes Fach Standard. Unterton: kein Wunder, dass heimische Schüler wenig Ahnung von Wirtschaft und Finanzen hätten. Ebenso vorne dabei: Politische Bildung. Auch das ist derzeit an den meisten Schulen mit anderen Unterrichtsgegenständen gepaart. Nicht nur die Schüler drängen auf eine Reform: Auch im Unterrichtsausschuss war das bereits Thema. Berufsorientierung als eigenes Fach fordert die Wirtschaft, Studienorientierung forderten vor einiger Zeit die Studentenvertreter.

Bei der Frage des Kanons wollen jedenfalls viele mitreden: Immer wieder Thema ist Ernährung, wie von Medizinern gerade gefordert wurde. „Internet“ als eigenes Fach forderten EU-Experten im Frühjahr. Über Ethik als Pflichtfach – wie es sich die SPÖ wünscht – wird seit Langem heftig diskutiert. Derzeit ist Ethik an rund 200 Standorten als Ersatzpflichtgegenstand für Schüler verankert, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben. Und das Fach Glück ist schon an mehr als 100 Schulen Realität.

2. Auf der Überholspur: Turnen und Naturwissenschaften

Der Turnunterricht hat spätestens seit den Olympischen Spielen und der davon angestoßenen Debatte an Rückenwind gewonnen. Rund 150.000 Menschen unterschrieben für die sogenannte tägliche Turnstunde, die Idee ist sogar im Regierungsprogramm verankert: als tägliche Bewegungseinheit. Denn eine eigene tägliche Unterrichtsstunde muss es auch nach Ansicht des Unterrichtsressorts nicht unbedingt sein: Die Bewegungseinheit könne auch in der Pause stattfinden.

Auch ein Dauerbrenner, besonders wenn es um die zukünftigen Jobaussichten geht: die Naturwissenschaften. Hier geht es nicht alleine um mehr Stunden, sondern auch um die Neugestaltung – etwa die Zusammenlegung von Biologie, Chemie und Physik zu „Science“.

3. Die Wackelkandidaten: Latein, Französisch?

Direkt die Abschaffung einzelner Fächer zu fordern, traut sich kaum jemand. Dennoch kommt rasch Latein ins Spiel, wenn es um eine Reform des Fächerkanons geht. Seit den 1960ern wurde die Sprache immer wieder in Frage gestellt. Dass Latein trotzdem seinen Platz hat, ist dem Bildungsbürgertum zu verdanken, das den praktischen Nutzen nicht als wichtigstes Kriterium für seinen Wert sehen will. Inzwischen gibt es auch wieder einen Anstieg: Während 2001 nur 53.000 Schüler Latein belegten, waren es zehn Jahre später 63.000.

Bei Französisch geht die Debatte in eine ähnliche Richtung. Laut einer Umfrage aus 2011 räumen die Österreicher neben Englisch Russisch einen hohen Stellenwert ein. Französisch folgt erst weiter hinten (44 Prozent). Besonders in berufsbildenden Schulen lernen immer weniger Jugendliche Französisch.

Der Religionsunterricht wiederum steht zwar faktisch nicht infrage. Doch zumindest indirekt gerät Religion durch die Forderungen nach einem verpflichtenden Ethikunterricht unter Druck: Den Befürwortern wird vorgeworfen, eigentlich ein Aus für das Fach anzustreben. Erst gestern warb der Grazer Bischof Egon Kapellari übrigens für den Religionsunterricht: Er fördere ein konfliktfreies Miteinander.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2014)

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