Schulbudgets: Mehr Geld für die einen, weniger für andere?

(c) Die Presse (Eva Rauer)
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Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) will mit den Ländern eine soziale Staffelung der Budgets erproben. Zusätzliches Geld soll es dafür aber nicht geben. Tirol nennt das eine „bildungspolitische Bankrotterklärung“.

Wien. Exakt heute in einer Woche wird Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) zu einer wichtigen Sitzung mit den Ländern zusammentreffen. Dabei wird eine Neuverteilung der Schulbudgets diskutiert. Geht es nach der Ministerin, sollen diese sozial gestaffelt werden. In einem ersten Schritt will sie einzelne Städte oder Regionen definieren, in denen das erprobt wird. Für sogenannte Brennpunktschulen – Schulen mit hohem Migrantenanteil und vielen Schülern aus sozial schwachen Familien – soll es mehr Geld geben. Insgesamt will sie aber nicht mehr Mittel bereitstellen. „Die Presse“ hat sich angesehen, wie ein solches Modell funktionieren könnte – und ob darunter andere Schulen finanziell leiden würden.

1 Warum will die Bildungsministerin eigentlich eine soziale Staffelung einführen?

Die Leistung hängt in Österreich stark davon ab, welchen Hintergrund Kinder haben: Sind sie aus sozial schwachen Familien, haben die Eltern selbst nur wenig Bildung oder wird zu Hause eine andere Sprache gesprochen als Deutsch, schneiden sie schlechter als andere ab. Viele dieser Schüler konzentrieren sich zudem auf bestimmte Standorte – etwa auf Hauptschulen im städtischen Bereich. Jeder sechste Volksschüler sitzt laut Zahlen des BIFIE in sozial hoch belasteten Schulen.

2 Nach welchen Kriterien wird in Österreich derzeit das Geld an Schulen vergeben?

Zwar gibt es Extra-Ressourcen für Sprachförderung oder für sonderpädagogischen Förderbedarf. Ob Schüler aus sozial schwachen oder bildungsfernen Familien kommen, hat jedoch im Großen und Ganzen keinen Effekt darauf, wie viel Geld eine Schule bekommt.

3 Gibt es internationale Vorbilder für eine soziale Staffelung der Schulbudgets?

Vorreiter sind die Niederlande: Bereits seit den 1970er-Jahren bekommen Schulen dort Extrageld für sozial benachteiligte Schüler. Für Schüler aus bildungsfernen Familien gibt es – wiederum nach Bildungsstand der Eltern – zwischen 30 und 120 Prozent mehr Geld. Auch das deutsche Bundesland Hamburg und einige Schweizer Kantone finanzieren ihre Schulen teilweise nach Sozialkriterien.

4 Wie könnte ein solches Finanzierungskonzept in Österreich konkret aussehen?

Es könnte sich an dem Modell orientieren, das der Linzer Soziologe Johann Bacher bereits früher vorgestellt hat: Anhand von Daten, die bei den Bildungsstandards miterhoben werden, könnte man festmachen, welchen Hintergrund die Schüler einer Schule haben. Für einen Schüler mit ausländischen Wurzeln, einer anderen Umgangssprache als Deutsch und Eltern mit maximal Pflichtschulabschluss und einem schlechten Job würde eine Schule doppelt so viele Ressourcen erhalten wie für einen, auf den all das nicht zutrifft. Treffen einzelne der vier Faktoren zu, ist das Plus entsprechend kleiner.

5 Würden die Schulen dann Geld bekommen – oder einfach mehr Lehrer?

Nachdem Schulen derzeit kaum Autonomie haben, könnten Brennpunktschulen mehr Lehrer bzw. Unterstützungspersonal bekommen als andere. Forscher Bacher plädiert für ein größeres Maß an Autonomie. Immerhin würden unterschiedliche Schulen vor unterschiedlichen Schwierigkeiten stehen: Wo Gewalt ein Problem ist, braucht man einen Sozialarbeiter, wo Schüler keine Hausaufgaben erledigen, mehr pädagogische Betreuung.

6 Wie könnte man kontrollieren, ob die zusätzlichen Investitionen auch wirken?

Evaluieren könnte man die Effekte durch die Bildungsstandards, die flächendeckend die Leistungen der Schüler in Deutsch, Mathematik und Englisch abtesten. Dass regelmäßige externe Evaluierung – in Kombination mit Ressourcen und einer gewissen Autonomie – benachteiligten Schulen hilft, zeigen laut Bacher auch Studien. Das Problem: Bis Auswirkungen sichtbar werden, dauert es.

7 Woher sollen die zusätzlichen Ressourcen für Brennpunktschulen kommen?

Forscher Bacher geht in seinem ursprünglichen Modell davon aus, dass es für eine derartige Reform zwischen 15 und 20 Prozent mehr Mittel brauchte. Das Bildungsministerium hat aber ausgeschlossen, dass es zusätzliches Geld gibt. Die Rede ist vielmehr von Umverteilung bzw. Neuverteilung der Mittel. Sollte die Ministerin in ihrem Ressort also nicht noch Einsparungspotenzial orten, ist es nicht unwahrscheinlich, dass es für gewisse Schulen künftig weniger Ressourcen gibt. Auf Anfrage der „Presse“ konnte das Ressort das nicht ausschließen. Das würde aber wohl für gröbere Unstimmigkeiten sorgen.

8 Sind die Bundesländer für die Vorschläge der Bildungsministerin offen?

Sollte es für Schulen mit besseren Startbedingungen weniger Geld geben, ist Widerstand der meisten Länder programmiert. Die Tiroler Bildungslandesrätin, Beate Palfrader (ÖVP), warnt: „Wenn nur umgeschichtet wird, ist das eine bildungspolitische Bankrotterklärung.“ Auch Vorarlberg, Nieder- und Oberösterreich plädieren für mehr Ressourcen und fordern die Ministerin auf, konkrete Pläne vorzulegen. Einzig Wiens Stadtschulratspräsidentin, Susanne Brandsteidl (SPÖ), ist schon jetzt ein „Fan der Indexbasierung“, wie sie zur „Presse“ sagt. Sie rechnet damit, dass ihr Bundesland von einer Umverteilung profitiert: „Wien wäre der eindeutige Sieger.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2014)

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