Neu an der Modellregion im Zillertal sei das, was in der Schule passiere, sagt Tirols Bildungslandesrätin Beate Palfrader (ÖVP).
Die Presse: Vorarlberg plant eine Gesamtschulmodellregion, im Zillertal gibt es bereits eine. Hat man Sie schon um Rat gefragt?
Beate Palfrader: Wir sind in permanentem Austausch. Die Frage ist, ob Vorarlberg seinen Versuch unter Einbindung eines Gymnasiums starten kann. Dazu brauchte es bundesgesetzliche Änderungen.
ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer bremst nun bei Vorarlberg. Statt Verunsicherung zu schaffen, solle die Politik Ziele definieren. Fühlen Sie sich angesprochen?
Nein. Unsere Modellregion ist ja bereits gestartet. Wir haben uns gut darauf vorbereitet und werden die geplanten Maßnahmen auch so umsetzen. In eine Arbeitsgruppe für eine klare Zieldefinierung bringe ich mich aber gern ein.
Im Zillertal gab es ohnehin keine AHS-Unterstufe. Ist Ihr Versuch mehr als bloß eine Gelegenheit, um der Bundes-ÖVP auf der Nase herumzutanzen?
Wir tanzen überhaupt niemandem auf der Nase herum. Wir haben im Zillertal begonnen, weil das unter den rechtlichen Voraussetzungen das einzig Mögliche ist. Ein Versuch unter Einbindung eines Gymnasiums ist nicht möglich. Auch, wenn ich mir das wünschen würde.
Dennoch: Warum muss man eine Region, in der wie bisher fast alle Kinder in eine der Neuen Mittelschulen gehen, als Gesamtschulversuch titulieren? Was ist neu?
Das, was drin ist: Mit der Kompetenzanalyse wird immer wieder genau hingeschaut, wo die Stärken jedes Schülers liegen. Gerade zwischen zehn und 14 verändert sich sehr viel. Wir brauchen eine Schule, die damit umgehen kann und nicht stur vier Jahre lang durchfährt.
Ist sonst noch etwas neu?
Wir haben zudem eine starke Einbindung der Eltern und eine ständige wissenschaftliche Begleitung. Ab der siebten Schulstufe gibt es eine zweite lebende Fremdsprache. Das Kind hat vor Ort also alles, was es braucht, um an ein Oberstufengymnasium anzudocken.
Was sagen Sie jenen, die bei einer gemeinsamen Schule eine Nivellierung nach unten befürchten?
Wer von Vereinheitlichung spricht, der hat sich mit unseren Plänen nicht auseinandergesetzt. Ich bin ganz klar für eine Differenzierung. Mir erscheint es auch ganz wichtig, dass man die Vorteile anspricht, die man sich von einer AHS-Unterstufe erwartet: In den übervollen AHS-Unterstufen muss man sich teilweise fragen, wo die hochgepriesene Begabungsförderung bleibt.
Mit der Initiative Pro Gymnasium hat sich ausgerechnet in Innsbruck Widerstand formiert.
Man kann nicht zu einer sachlichen Diskussion kommen, indem man die Gesamtschuldebatte weglässt, so wie sich diese Initiative das wünschen würde. Man kann ein so zentrales Thema nicht herausnehmen.
Die Initiatoren – darunter Ex-Ministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP)–kritisieren, dass die Gesamtschule nichts Positives bringe.
Den Gegenbeweis kann ich gern antreten. Wir haben etwa genügend Beispiele in Südtirol. Im Übrigen will niemand die Gymnasien generell abschaffen. Sie sind ein wertvoller Teil unserer Bildungslandschaft, wie die HAK oder HTL.
Aber nur in der Oberstufe.
Das Gymnasium bleibt ja bestehen.
Freuen Sie sich eigentlich auch, dass Sie die SPÖ überholen?
Mir geht es wirklich nicht um Ideologie und Parteipolitik. Mir geht es um die Kinder. Und da muss man sich manchmal von älteren Vorstellungen verabschieden.
ZUR PERSON
Beate Palfrader (56) ist seit 2008 ÖVP-Landesrätin für Bildung in Tirol. Die Juristin unterrichtete zuvor politische Bildung, Recht und VWL an berufsbildenden höheren Schulen. Ab 2004 leitete sie die Tourismusschule St.Johann in Tirol. Palfrader startete die Schulmodellregion im Zillertal. [ Land Tirol]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2014)