Burn-out: "Immer mehr Kinder kommen mit negativer Einstellung"

(c) Clemens Fabry
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Das schlechte gesellschaftliche Ansehen der Lehrer belaste auch die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern, sagt die Psychologin Luise Hollerer. Neun Wochen Ferien könnten die Belastungen, denen Lehrer während des Schuljahres ausgesetzt sind, nur bedingt ausgleichen.

Die Presse: Lehrer fühlen sich laut einer aktuellen Studie häufiger belastet als Ärzte und Richter. Gibt es dafür eine Erklärung?

Luise Hollerer: Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem Lehrberuf und vielen anderen Jobs: Lehrer haben multifaktorielle Aufgaben – müssen also vieles gleichzeitig machen. Das ist etwa bei Juristen und Technikern anders. Sie können eine Aufgabe nach der anderen erledigen.

Hier wird stets eingewendet, dass die Lehrer zum Ausgleich ohnehin neun Wochen Ferien haben. Ist das ein Argument?

Nicht wirklich. Eine lange Auszeit ist zwar gut. Pädagogen müssen dennoch mit der Vielfachbelastung während des Schuljahres umgehen. Mit der Vor- und Nachbereitung kommen die Lehrer während des Schuljahres ungeschaut auf eine 60-Stunden-Woche.

Die Lehrer sagen, dass sie störende Kinder am meisten belasten. Was kann man dagegen tun?

Es muss gleich zu Beginn eine klare Vereinbarung getroffen werden. Lehrer und Schüler müssen gemeinsam festlegen, welche Regeln im Unterricht gelten, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen.

Wie laut oder leise darf es denn in einer Klasse sein?

Das ist Teil des Aushandlungsprozesses. Lehrer und Schüler müssen klären, wie ruhig es sein muss, damit konzentrierte Arbeit möglich ist. Außerdem müssen Schüler akzeptieren, dass manche länger und andere kürzer für ein und dieselbe Aufgabe brauchen.

Wie viel Autorität braucht es vonseiten des Lehrers?

Lehrer sollen Klarheit an den Tag legen. Klarheit heißt, dass es wenige Vereinbarungen gibt, diese aber eingehalten werden müssen.

Viele Lehrer wünschen sich Time-out-Klassen, in die sie störende Kinder schicken können.

Ich würde sie nicht Time-out-Klassen, sondern Time-out-Plätze nennen. Es braucht tatsächlich Räume bzw. Orte, wohin Schüler gehen können, um ihre emotionale Übererregung zu regulieren.

Wirkt auch das schlechte gesellschaftliche Ansehen belastend?

Ja. Immer mehr Kinder kommen, beeinflusst durch die Eltern, mit einer negativen Einstellung gegenüber den Lehrern in die Schule. Eltern müssen den Kindern mitgeben, dass lernen auch mühsam sein kann. In unserer Gesellschaft wird zwar akzeptiert, dass man beim Sport schwitzen darf, es wird aber oft vergessen, dass auch lernen mit Schweiß und Anstrengung verbunden ist.

Wie kann ein besseres Lehrerbild entstehen?

Das entsteht durch eine gute Beziehung zwischen Lehrern und Schülern. Schüler und Eltern berichten dann davon.

In Deutschland zeigt eine Studie, dass vor allem jene Lehrer burn-out-gefährdet sind, die mit der Berufswahl unzufrieden sind.

Deshalb ist die Pädagogenausbildung sehr wichtig. Die Ausbildung an einer pädagogischen Hochschule legt großen Wert auf die Persönlichkeitsbildung. Das ist wichtig. Studierende können dann besser reflektieren, ob sie der Belastung gewachsen sind oder nicht.

Hat das an den Universitäten bisher gefehlt?

Sicher. Die neue Pädagogenausbildung wird da aber einiges ändern.

ZUR PERSON

Luise Hollerer (55) ist Psychologin. Sie ist an der Pädagogischen Hochschule Graz sowie an der Universität Graz in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern tätig. Ihre Schwerpunktbereiche an den Hochschulen: Lern- und Motivationspsychologie sowie Psychologie und Persönlichkeitstraining. [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2014)

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