Schule: Vom Wert der Handschrift

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Es wird immer weniger mit der Hand geschrieben. Stiftehersteller versuchen, den Wert des Schreibens zu argumentieren. Die These: Wer schreibt, der lernt.

Nicht nur die Notizen für den Job, auch persönliche Nachrichten, Urlaubsgrüße und Liebesbriefe werden längst per E-Mail verschickt. Ja sogar den Einkaufszettel kritzeln viele inzwischen nicht mehr auf einen Zettel, sondern tippen ihn ins Smartphone. Die Handschrift wird im Alltag immer mehr zurückgedrängt, so viel ist klar. Und auch die Unis, sogar die Schulen verändern sich. In den USA beispielsweise wird die Handschrift immer mehr von der Tastatur verdrängt.

Und auch in Österreich gibt es an den Schulen immer mehr Laptop- oder iPad-Klassen. Nicht einmal an die Tafel muss da und dort noch geschrieben werden, seit es digitale Tafeln gibt. Wenn die Kinder, die heute in den Volksschulen sitzen, erwachsen sind, sind Stift und Papier womöglich komplett aus der Mode gekommen. Und die Handschrift brauche man dann bestenfalls noch für die Unterschrift, sagen manche.

Gute Argumente sind nötig

Eine entsetzliche Vorstellung für manche. Schreiben mit der Hand habe eine individuelle Note, die eigene Handschrift ist so einzigartig wie ein Fingerabdruck: Was da alles an Emotionen verloren gehe. Wo komme man denn hin, wenn nicht einmal mehr persönliche Briefe mit der Hand geschrieben werden. Und was passiert dann, wenn einmal der Strom ausfällt – und aber keiner mehr mit der Hand schreiben kann?

Wie auch immer man diese eher nostalgiegetriebenen bis quasi-apokalyptischen Motive für eine Bewahrung der Handschrift sieht, klar ist: Das Schreiben mit der Hand kann man heute nicht mehr verteidigen, ohne fundiert zu argumentieren, wozu es tatsächlich taugt. Hier setzt Sebastian Schwanhäußer an, jüngst bei der Interpädagogica in Wien zu Gast: Er ist der Chef von Schwan-Stabilo, dem deutschen Stiftehersteller und hat auch das Schreibmotorikinstitut gegründet, das Forschung sammelt und betreibt und das (bessere) Schreiben mit der Hand fördern will (siehe unten).

„Wenn Schreiben nur noch eine Erinnerung an die Vergangenheit wäre, dann würde es wahrscheinlich zu einer Nische werden, wie Kalligrafie bei den Japanern“, sagt Schwanhäußer. „Aber wir denken, dass das Schreiben mit der Hand einen Wert an sich hat: Dass es eine Technik ist, die hilft, Wissen besser aufzunehmen.“
Ist Handschrift also mehr als bloß eine Möglichkeit, um Wörter zu Papier zu bringen – die einfach durch die Tastatur und demnächst durch automatische Spracherkennung ersetzt werden kann? Oder, anders gefragt: Würde man mit der Handschrift mehr verlieren als bloß die Handschrift?

Schwanhäußer sagt: Ja. Einer ganzen Reihe von Studien zufolge bestehe ein enger Zusammenhang zwischen dem Schreiben mit der Hand und kognitiven Prozessen. Kurz gesagt: Wer schreibt, der lernt. Es gehe dabei etwa um die Aktivierung der entsprechenden Gehirnregionen. Einer französischen Studie zufolge lernen Kinder, die mit der Hand schreiben, deutlich schneller und besser lesen als Kinder, die lernen, mit der Tastatur zu schreiben.

Merkfähigkeit ist besser

„Die Gehirnareale sind vernetzter, wenn man mit der Hand schreibt“, sagt Marianela Diaz Meyer, die das Schreibmotorikinstitut leitet. „Das kennt man ja auch vom bewegten Lernen. Wenn Kinder sich bewegen, dann nehmen sie etwas intensiver auf.“ Forscher der US-amerikanischen Eliteuni Princeton haben jüngst etwa herausgefunden, dass Studierende, die sich Notizen am Laptop machen in Leistungstests schlechter abschneiden als jene, die mit der Hand mitschreiben. Der Grund: Wer mit der Hand schreibt, ist gezwungen, die Information gleich zu verarbeiten. Und das hilft dabei, zu merken und das Gemerkte auch zu verstehen.

Schwanhäußer will jedenfalls keine Endzeitstimmung aufkommen lassen. „Im Bildungsbereich hat das Schreiben mit der Hand seinen Platz.“ Und das werde auch so bleiben – zumindest teilweise. „In bildungsaffinen Schichten wird das Schreiben mit der Hand einen großen Wert haben.“ Da könnte sich – das wünscht sich jedenfalls der Stiftehersteller -, die Ansicht durchsetzen, dass Schreiben keine verstaubte, alte Technologie sei. „Sondern dass das Schreiben durchaus ein Hilfsmittel sein kann, um die eigene Bildungsleistung ein Stückweit zu erhöhen.“

Wird also das Schreiben eher als Lerntechnik – etwa um sich etwas besser zu merken – denn als klassische Kulturtechnik bestehen bleiben? „Der Sinn dahinter ist eher Bildung und nicht Kultur“, meint Schwanhäußer. „Kultur alleine wird nicht überleben, wenn nicht etwas anderes dahinter ist.“

Auf einen Blick

Handschrift wird in Beruf und Alltag, aber auch in den Schulen immer mehr von digitalen Technologien abgelöst. Immer wieder zeigen Studien, dass das Schreiben mit der Hand aber positive Effekte auf das Lernen und die Merkfähigkeit hat. Erst jüngst haben Forscher der US-Uni Princeton herausgefunden, dass Studenten, die sich Notizen mit der Hand statt am Laptop machen, bei Leistungstests besser abschneiden. Eine Erklärung: Sie sind gezwungen, das Gehörte gleich zu filtern und in ihren eigenen Worten niederzuschreiben, während man beim Mitschreiben am Computer dazu tendiert, Informationen vollständig mitzuschreiben. Andere Forscher verweisen auf den Zusammenhang zwischen der Bewegung und einer Aktivierung bzw. besseren Vernetzung entsprechender Gehirnareale.

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