Die Industrie wünscht sich ein "Schulstartjahr" mit fünf Jahren. Für Experten aus dem Elementarbereich widerspricht das den Bedürfnissen junger Kinder.
Ein Fall für die "bildungspolitische Mottenkiste" ist aus Sicht der Elemetarpädagogenplattform EduCare das von der Industriellenvereinigung (IV) vorgeschlagene "Schulstartjahr" mit fünf Jahren. Dieses Modell widerspreche allen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die das Bedürfnis junger Kinder nach einem ganz speziellen Umfeld nachweisen würden, so die Plattform.
Kleine Kinder müssten ihre Neugier befriedigen und individuell herausfinden können, wie die "Welt der Großen" funktioniert, wofür es elementarpädagogische Konzepte gebe. In einem von der IV geforderten Startschuljahr würden hingegen Fünfährige wie in einem Vorschuljahr "in der Schule sitzen und jene Art von Lernen praktizieren, die von der IV zu Recht als reformbedürftig angesehen wird".
Ein Pädagoge kann nicht 25 Kinder fördern
"Man darf nicht die Schule vorziehen, sondern sollte ein Konzept des kindzentrierten Lernens anhalten lassen - und das in Teams mit Lehrern und Kindergartenpädagogen", sagt Raphaela Keller von der Plattform Educare zur "Presse". Übergreifende Arbeit sei sehr wichtig, man müsse aber ins Personal investieren. Denn ein Pädagoge für 25 Kinder sei ein Förderkonzept, das nicht funktionieren könne - weder im Kindergarten noch in der Volksschule.
Vor allem auch der Bewegungsdrang der kleinen Kinder spreche dagegen, dass man sie einfach in ein Klassenzimmer verlegen könne. Aber auch emotional seien Kinder in dem Alter schnell überfordert, sagt Keller. Eine neue Gruppe, ein neues Umfeld könnten da schnell Probleme verursachen. Weshalb Keller die Schnittstelle zwischen Kindergarten und Schule am liebsten überhaupt streichen würde und Institutionen begrüßt, bei denen alles unter einem Dach stattfindet.
"Kinder brauchen ganz viel Bindung"
Der Kernpunkt sei aber immer, dass das Kind dort abgeholt werden müsse, wo es steht. Das werde im Schulsystem prinzipiell viel zu wenig gemacht. "Kinder brauchen Spiel, Kinder brauchen ganz viel Bindung und Kinder brauchen ganz viel Individuelles", so Keller. Um dies zu ermöglichen, bräuchten die Pädagogen Zeit mit dem einzelnen Kind.
Dass der Schuleintritt in den meisten Ländern um das sechste Lebensjahr herum stattfindet, ist kein Zufall: Es gibt zu dieser Zeit einen enormen Schub in der Gehirnentwicklung. Dem Konzept der Industrie zufolge soll die Bildungspflicht außerdem bereits mit vier Jahren, nämlich mit einem nach vorne verschobenen verpflichtenden Kindergartenjahr beginnen.
(APA/rovi)