Gesamtschule: Mehrheit sieht Vorteile

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die schwarz-grüne Landesregierung in Bregenz wünschte sich durch die neue Studie Rückenwind für die Gesamtschule. Die Eltern zeigen sich unschlüssig, die Lehrer sind gespalten.

Bregenz. Die neue schwarz-grüne Landesregierung in Bregenz dürfte sich ihrer Sache (zu) sicher gewesen sein: Bereits beim Beschluss des Koalitionspaktes im Oktober legte sich die Landesregierung auf eine Modellregion zur Gesamtschule fest – und vertraute auf breite Zustimmung in der Bevölkerung. Gestern, Donnerstag, sollte bei der Präsentation einer großen Umfrage der Beweis erbracht werden, dass sich die Bürger tatsächlich eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen wünschen. Doch so wirklich wollte dieser nicht gelingen.

Denn die groß angelegte Studie, bei der insgesamt 19.700 Vorarlberger Lehrer, Eltern und Schüler befragt wurden, lieferte durchaus widersprüchlich Ergebnisse – und insgesamt weder ein klares Ja noch ein klares Nein zur Gesamtschule. Die Antworten der Eltern von Volksschulkindern gaben Rätsel auf. Denn mit 56 Prozent sprach sich eine Mehrheit dieser für die Schaffung einer Gesamtschule aus. Doch zugleich befürworteten 51 Prozent derselben Gruppe, die Trennung zwischen Hauptschule bzw. Neuer Mittelschule und Gymnasium aufrechtzuerhalten (siehe Grafik). Die Studienautoren führen das darauf zurück, dass die Eltern noch unschlüssig sind.

Große Befürchtungen

Die übrigen Ergebnisse der Elternbefragung zeigten eine klare Tendenz: Besucht das eigene Kind eine Neue Mittelschule wünschen sich die Eltern eher eine Gesamtschule. Besucht es ein Gymnasium, dann bevorzugen die Eltern ein getrenntes Schulsystem. In Zahlen heißt das: 58 Prozent der NMS-Eltern befürworten eine Gesamtschule und 55 Prozent der AHS-Eltern das derzeitige zweigeteilte Schulsystem.

In einem anderen Punkt sind sich die Eltern überraschend einig: Der Großteil ist überzeugt, dass die Gesamtschule „mehr Chancengerechtigkeit für alle Kinder“ bringen würde. Konkret stimmen dem 79 Prozent der Eltern von Volksschülern, 82 Prozent von NMS-Eltern und selbst 63 Prozent der AHS-Eltern zu. Trotz dieser hohen Erwartungen haben viele Eltern Ängste. Vier von zehn fürchten, dass leistungsschwache Schüler in der Gesamtschule über- und leistungsstarke Schüler unterfordert werden. Die Sorge einer Nivellierung nach unten haben vor allem AHS-Eltern.

Auch die Ergebnisse der Lehrerbefragung könnten nach Schultyp kaum unterschiedlicher sein. Bei den Pflichtschullehrern geht die Stimmung klar in Richtung Systemwechsel: 72 Prozent der Volksschullehrer sowie 77 Prozent der NMS-Lehrer wünschten sich die Gesamtschule, aber nur 25 Prozent der AHS-Lehrer. Umgekehrt befürworteten 45 Prozent der AHS-Lehrer die Beibehaltung des Status quo, hingegen nur 20 Prozent der Volksschullehrer und 13 Prozent der NMS-Lehrer.

ÖVP sucht nach Linie

Die Vorarlberger Landesregierung hält jedenfalls auch nach diesem Zwischenergebnis an ihren Plänen, eine Modellregion zur Gesamtschule einzuführen, fest. Bis Mai 2015 wird weiter an dem Forschungsprojekt gearbeitet. Auf Grundlage des Endberichts soll dann entschieden werden, wie der Modellversuch zur gemeinsamen Schule in Vorarlberg genau aussehen soll. Es stellen sich auch einige rechtliche Fragen. Dabei könnte das Land durchaus auch Unterstützung vom Bund benötigen.

Der Rückhalt von Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) ist den Landespolitikern dabei sicher. Wie sich die ÖVP unter Parteichef Reinhold Mitterlehner in Hinblick auf die Gesamtschule verhalten wird, ist aber noch nicht klar. Vom zuständigen Staatssekretär Harald Mahrer heißt es auf Anfrage der „Presse“ lediglich: Man werde die Vorarlberger Ergebnisse „sachlich und ideologiefrei“ analysieren.

Auf einen Blick

An der Studie nahmen rund 19.700 Vorarlberger Lehrer und Eltern von Kindern aus der vierten, sechsten und achten Schulstufe sowie Schüler der sechsten und achten Schulstufe teil.
Insgesamt wurden 1,8 Millionen Einzeldaten zum Istzustand der Schule und zu Weiterentwicklungs- und Änderungswünschen gesammelt und aufbereitet. Nun wurde ein erster Teilbericht der im November 2013 erfolgten Umfrage präsentiert. Der Endbericht folgt im Mai.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2014)

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