Analyse: „Fiese Tricks“ bei der Zentralmatura

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Zu wenig Information, zu viele Pannen: Die Skepsis gegenüber der Zentralmatura war stets groß. „Die Presse“ hat sich angesehen, was verbessert wurde und wo der letzte Schliff noch fehlt.

Wien. Die Zentralmatura zählt unbestritten zu den unbeliebtesten Reformprojekten im Schulbereich. Am Anfang stand die Kritik an der Grundidee: Alle Schüler – egal welchen Schulschwerpunkt sie am Gymnasium gewählt haben – an denselben Aufgaben zu messen, missfiel der Lehrergewerkschaft. Es folgten lautstarke Beschwerden von Schülern, Lehrern und Eltern über die lückenhafte Information und die unzureichende Vorbereitung. Das bewirkte die Verschiebung der Zentralmatura um ein Jahr. Im vergangenen Mai erfolgte dann die Generalprobe – inklusive Pannenserie. Nun fiebern Schüler, Eltern und Lehrer dem ersten verpflichtenden Durchgang im Mai 2015 entgegen. „Die Presse“ hat sich angesehen, wie die Vorbereitungen laufen und wo der letzte Schliff noch fehlt:


• Logistik: Bei der Generalprobe im Mai wurde in puncto Logistik ordentlich gepatzt. An fünf der 48 teilnehmenden Schulen musste die Prüfung unterbrochen werden. Es fehlten Beispiele. Um das zu vermeiden, kündigte das Bildungsministerium in der vergangenen Woche Adaptionen an. Direktoren und Lehrer sollten künftig die Vollständigkeit der vom Bundesinstitut für Bildungsforschung (BIFIE) gelieferten Aufgaben kontrollieren. Ein Vorschlag, der für heftige Kritik der Lehrervertreter sorgt. Der Arbeitsaufwand sei zu groß. Jeder einzelne Schüler wird bei der Zentralmatura mehr als 120 Din-A4-Blätter erhalten. In einer großen Schule müssten demnach rund 10.000 Zettel überprüft werden. Man übergebe diese Aufgabe den Schulen nur, um schon vorab einen Schuldigen für etwaige Fehler zu haben, sagt AHS-Lehrervertreter Eckehard Quin und spricht von einem „fiesen Trick“. Streit ist hier programmiert.


• Benotung: Chaos gab es auch bei der Generalprobe in Englisch. Dort wurde die Grenze zwischen Genügend und Nicht Genügend“ überraschend angehoben. Solch böse Überraschungen soll es nicht mehr geben. Deshalb wurde die Marke für ein positives Ergebnis in den Fremdsprachen fix auf 60 Prozent festgelegt. Ein Kritikpunkt bleibt: In den Fremdsprachen muss man für eine positive Note prozentuell deutlich mehr richtig haben als etwa in Mathematik.

• Übungsmaterial und Information: Lange wurde beklagt, dass Schülerbücher und Übungsmaterial für die die Zentralmatura fehlen. Das Problem dürfte sich laut Schülern und Lehrern mittlerweile gelöst haben. Auch die stets beklagte mangelhafte Kommunikation zwischen dem Ministerium bzw. dem Bildungsinstitut BIFIE und den Schulen dürfte mittlerweile besser geworden sein. Mit monatelanger Verspätung wurde auch die Bundesreifeprüfungskommission – eine 13-köpfiges Beratungsgremium für die Bildungsministerin, dem auch Lehrer und Schüler angehören – einberufen.

• Mündliche Matura: Änderungen gibt es nicht nur bei der schriftlichen, sondern auch bei der mündlichen Matura. Die Prüfungsfragen stellt nicht mehr ein Lehrer allein zusammen, sondern ein Lehrerteam. Dieses bereitet maximal 24 Themen vor. Aus dem Themen-Pool eines Gegenstandes zieht der Schüler zwei Themen und muss sich für eines davon entscheiden. Die Themen-Pools mussten von den Schulen bis Ende November öffentlich gemacht werden. Schon jetzt gibt es Kritik der Eltern: Nachdem es keine klaren Kriterien gebe, seien auch die Vorgaben von sehr unterschiedlicher Qualität.


• Vorbereitungszeit: Auch die Schüler machen derzeit Druck. Sie starteten erst kürzlich eine Initiative auf Facebook, mit der sie auf mehr Vorbereitungsstunden (Übungsstunden mit Lehrern) für die mündliche Matura pochen. Bei der neuen Matura sind nämlich deutlich weniger solche Stunden vorgesehen als bisher. Konkret wurde bislang die Wochenstundenzahl des jeweiligen Gegenstands in der achten Klasse mit vier multipliziert. In Nebenfächern (meist zwei Stunden pro Woche) hat es also meist bis zu acht Vorbereitungsstunden gegeben. In Hauptfächern (meist drei bis vier Wochenstunden) waren es bis zu zwölf oder 16. Künftig gibt es einheitlich vier Stunden. Und in diesen vier Stunden unterrichtet nicht wie bislang üblich pro Klasse der jeweilige Lehrer, sondern ein Lehrer für alle achten Klassen. Eine rasche Lösung ist hier nicht in Sicht. Die Kosten wären der Politik zu hoch.

• Vorwissenschaftliche Arbeit: Die sogenannte Vorwissenschaftliche Arbeit – eine für alle verpflichtende Arbeit mit 40.000 bis 60.000 Zeichen – muss bis Ende Februar eingereicht werden. Die anfänglichen Schwierigkeiten dürften gelöst sein.


• Literatur: Durch die Zentralmatura hat sich der Deutschunterricht gewandelt. Zahlreiche Lehrer berichten, dass immer weniger Zeit für das Lesen und sich Auseinandersetzen mit der Literatur bliebe. Das sorgt zwar für heftigen Unmut. Veränderungen sind hier aber nicht zu erwarten.

• Berufbildende höhere Schule (BHS): An der BHS wird die Zentralmatura erstmals im Schuljahr 2015/16 stattfinden. Sie haben also noch ein Jahr länger Zeit. Das wird wohl auch nötig sein. Denn die Verunsicherung in den Konferenzzimmern ist laut BHS-Lehrervertreter „massiv“.

AUF EINEN BLICK

Die Termine. Die Zentralmatura an den AHS beginnt am 5. Mai 2015 und endet am 13. Mai. Zum Auftakt werden die Schüler in Deutsch geprüft (5.5.), am Tag danach folgt Englisch (6.5.), dann Spanisch und Französisch (7. bzw. 8.5.). Nach dem Wochenende geht es am Montag mit Mathematik weiter (11.5.). Am 12. folgt Italienisch. Den Schlusspunkt setzen Latein und Griechisch (13.5.).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2014)

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