Multikulturelle Schulen feiern Advent

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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An Wiens Volksschulen ist nur fast jeder zweite Schüler Christ, Muslime bilden die zweitgrößte Gruppe. Weihnachten wird in den Schulen dennoch ausgiebig zelebriert.

Wien. Am Anfang stand die Adventkranzweihe, dann kam der Nikolaus und nun wird bereits eifrig für das Krippenspiel geprobt: An der Volksschule in der Herbststraße im 16. Wiener Gemeindebezirk weihnachtet es. Dass es sich hier um eine Schule mit hohem Migrantenanteil handelt, an der mehr als die Hälfte der Kinder nicht katholischen Glaubens sind, spielt kaum eine Rolle. Gefeiert wird trotzdem.

„Wir sind eine österreichische Schule mit Wiener Kindern und dementsprechend zelebrieren wir die Advent- und Weihnachtszeit“, sagt Direktorin Gabriele Prokop im Gespräch mit der „Presse“. Die eigenen Traditionen angesichts der sich verändernden Schülerpopulation zu leugnen, komme nicht infrage. Im Gegenteil: Bräuche sollten gepflegt werden (auch nicht katholische übrigens). Daran habe sich seit den mittlerweile elf Jahren, in denen Prokop als Direktorin einer Schule vorsteht, auch niemand gestoßen.

Dass das nicht selbstverständlich ist, zeigten in den vergangenen Jahren die Diskussionen über die Frage, ob in den Klassen ein Kreuz hängen darf, sowie die Schlagzeilen über das Hausverbot für den Nikolaus im Kindergarten. Gern wird damit argumentiert, dass Rücksicht auf die nicht christlichen Kinder genommen werden muss. Von rund 65.000 Kindern in Wiens Volksschulen sind 23.800 römisch-katholisches, etwa 6000 serbisch-orthodox und 2300 evangelisch. Die zweitgrößte Gruppe nach den Christen bilden mit 17.900 die Muslime. Mehr als 11.100Volksschüler sind ohne religiöses Bekenntnis.

Sensibel Advent feiern

Aus dem mutikulturellen Umfeld zu schließen, dass Weihnachten aus den Schulen verschwinden soll, sei falsch, sagt Schulinspektor Rupert Corazza. „Weihnachten begegnet den Schülern in dieser Jahreszeit ohnehin ständig. Die Lehrer müssen ihnen erklären können, warum es einen Weihnachtsbaum, Adventmärkte und das Christkind gibt.“ Deshalb werde Weihnachten in den Volksschulen heute auch „nicht weniger engagiert“ gefeiert, aber „sensibler“, sagt der Schulinspektor.

Und wie feiert man die Adventzeit sensibel? „Man muss es mit den christlichen Elementen nicht auf die Spitze treiben“, formuliert es Direktorin Prokop aus der Herbststraße. In ihrer Schule werde etwa nicht „Stille Nacht, heilige Nacht“ gesungen – das sei etwas für die Familie. Außerdem werde „niemand dazu vergattert“, beim Krippenspiel mitzumachen.

Zuckerfest wird auch gefeiert

In der Volksschule Kindermanngasse im 17.Bezirk, in der ebenso mehr als die Hälfte der Schüler nicht katholisch sind, hat man sich schon komplett von Krippenspielen verabschiedet. Dort werden nur weihnachtliche Theater – beispielsweise über Rudolf das Rentier – einstudiert. Und in der Volksschule Knollgasse wiederum gibt es zwar Nikolaus-Sackerln, aber nicht die traditionelle Geschichte vom Bischof von Myra, der mehrere Wunder vollbracht haben soll. Sondern von „einem allgemeinen Mann mit weißem Bart“, wie Direktorin Irene Janu erklärt.

Auch die Liederauswahl ist an den meisten Schulen eine durchdachte. Traditionelles ist zwar weiterhin erlaubt. Lieder, die von Jesus erzählen, werden aber bewusst weniger oft angestimmt. Man setzt auf Modernes. „Bei uns singen alle ,Es wird scho glei dumpa‘, aber auch englische Gospels und Spanisches“, sagt Eva Mader, die die Volksschule Wichtelgasse im 17.Bezirk leitet.

Die Schulen bemühen sich generell, nicht nur katholische, sondern auch andere religiöse Feste zu feiern. „Das andere darf auch sein, es wird genauso wertgeschätzt“, sagt Direktorin Prokop. So wird in den Schulen etwa auch auf das islamische Zuckerfest am Ende des Ramadan Rücksicht genommen.

In dem multikulturellen Umfeld verschwimmen die kulturellen Grenzen, wie es scheint, häufig: „Ich habe meine Schüler – auch die mit Migrationshintergrund – gefragt, ob sie zu Weihnachten feiern. Alle haben mit Ja geantwortet“, erzählt die Direktorin der Volksschule Knollgasse. Das habe bei vielen keinen religiösen Hintergrund. „Es ist für viele keine religiöse Übung, sondern einfach nur Brauchtum.“

AUF EINEN BLICK

Wiens Volksschulen werden derzeit von rund 65.000 Kindern besucht. Davon haben laut Stadtschulrat 23.800 Schüler römisch-katholisches Religionsbekenntnis. Etwa 6000 Wiener Volksschüler sind serbisch-orthodox, weitere 2300 evangelisch. Die zweitgrößte Gruppe nach den Christen bilden mit 17.900 die Muslime. Mehr als 11.100Volksschüler sind in der Bundeshauptstadt ohne religiöses Bekenntnis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2014)

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