Aufnahmeprüfung: Wenn ein Dreier die AHS gefährdet

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Was tun, wenn die Volksschulnoten für eine AHS zu schlecht sind? Eine Prüfung an der ausgewählten AHS bietet eine letzte Chance. Doch zahlt sich der Stress für das Kind aus?

WIEN. Vor allem in den Städten ist der Zulauf zur AHS hoch: Viele Eltern wollen ihr Kind auf Biegen und Brechen in einer Mittel- und nicht in einer Hauptschule anmelden. Bei einigen Mädchen und Buben stimmen allerdings schlicht die Zugangsvoraussetzungen nicht: Denn nur, wer in der Volksschule in Deutsch und Mathematik mit einem Sehr gut oder Gut beurteilt wurde, darf in die Mittelschule aufgenommen werden. Bei einem Befriedigend gibt es die Möglichkeit, dass die Volksschule dennoch die AHS-Reife attestiert. Wird die AHS-Reife nicht bescheinigt und die Eltern wollen dennoch nichts unversucht lassen, ihrem Kind den AHS-Besuch zu ermöglichen, gibt es eine letzte Chance: die Aufnahmsprüfung.

Sie wird in den letzten Tagen des Schuljahres abgehalten, die Anmeldung muss dabei von Elternseite direkt an der Wunsch-AHS, bei der das Kind bereits eingeschrieben wurde, erfolgen. Geprüft wird schriftlich und mündlich. „In Deutsch ist ein kleiner Aufsatz zu schreiben, eine Bildgeschichte, oder man muss ein Erlebnis erzählen“, sagt Johanna Rasch, im Wiener Stadtschulrat für die allgemeinbildenden höheren Schulen zuständig. Mündlich werde dann in einem Gespräch „ausgelotet, was das Kind so mitbringt“. In Mathematik sind Aufgaben zu lösen, die zeigen, dass der Schüler den Stoff der vierten Klasse Volksschule beherrscht.

Nur, wenn es knapp war

Die Aufnahmeprüfung gibt es auch beim Wechsel von der Hauptschule in die berufsbildende mittlere und höhere Schule. Sie muss ablegen, wer in der Hauptschule die zweite Leistungsgruppe besucht und in Deutsch, Mathematik sowie der lebenden Fremdsprache (meist Englisch) nicht mit einem Gut (für den Zugang zur höheren Schule) beziehungsweise Befriedigend (für den Zugang zur mittleren Schule) abgeschlossen hat. Absolventen der dritten Leistungsgruppe müssen sich in jedem Fall dem Aufnahmetest stellen, so Walter Grafinger, der im Stadtschulrat die Abteilung für berufsbildende Schulen leitet.

Wie aussichtsreich ist es aber, sich dieser Prüfung zu stellen? „Es muss schon klar sein, dass, wenn ich das ganze Jahr negativ bin, es nicht aus dem Stand heraus möglich sein wird, die Prüfung zu schaffen“, sagt Grafinger. Wenn es allerdings wirklich nur darum gehe, „dass die Note gerade nicht gereicht hat, dann ist es eine sinnvolle zweite Chance“. Bei den 14-, 15-Jährigen sieht Grafinger den Trend, dass Eltern das Kind lieber in eine berufsbildende Schule schicken als in die polytechnische Schule – auch wenn der Sohn, die Tochter, dann nur ein Jahr an der Lehranstalt bleiben. „Viele meinen, das Kind hat dann bessere Chancen auf eine gute Lehrstelle.“ Etwa ein Zehntel der Antretenden schafft die Prüfung und kann doch noch eine BMS oder BHS besuchen, so Grafinger. Johann Brandl ist Direktor der AHS Diefenbachgasse in Wien sowie Zweiter Vorsitzender des Wiener Direktorenvereins. Jahr für Jahr ist er mit Eltern konfrontiert, die ihr Kind mittels Aufnahmsprüfung doch noch an seiner Schule unterbringen wollen. Tatsächlich schaffen es etwas weniger als die Hälfte der Kinder: „Grob geschätzt sind es zwei von fünf Kindern.“ Was Brandl jedoch betont, ist: „Im Wesentlichen stimmt die Einschätzung der Volksschulen.“ Das soll heißen: Wer die AHS-Reife vom Volksschullehrer nicht attestiert bekommt, ist auch tatsächlich meist nicht geeignet. Äußerst selten komme es vor, dass ein Kind die Prüfung mit Sehr Gut oder Gut bestehe. „Meistens spielt sich die Entscheidung zwischen knapp annehmbar oder geht doch nicht ab. Die, die es schaffen, schaffen es eher knapp.“ Und auch danach, im AHS-Schulalltag, würden sich diese Kinder eher schwertun.

Migranten holen auf

Eine Ausnahme, die sowohl Rasch als auch Brandl nennen: Kinder mit Migrationshintergrund, die sprachlich noch nicht auf dem erforderlichen Level, grundsätzlich aber sehr leistungsfähig seien. Sie würden dann auch rasch aufholen.

Macht es überhaupt Sinn, dass Eltern ihr Kind dem Druck dieser Prüfungssituation aussetzen? „Natürlich ist jede entscheidende Prüfung eine Situation, die eine Belastung darstellt“, sagt dazu Mathilde Zeman, Leiterin der Wiener Schulpsychologie. Aber: „Das wissen die Direktoren, und sie nehmen auch darauf Rücksicht.“ Man müsse diese Möglichkeit, mittels Aufnahmeprüfung doch noch den Wunschschultyp besuchen zu können, auch positiv sehen, „als Chance.“

Damit es tatsächlich auch eine Chance wird, müssten die Schulleiter allerdings verantwortungsvoll im Sinn des Kindes entscheiden, denn ist vorauszusehen, dass sich das Kind nur plagen werde und ihm ein Misserfolgserlebnis nach dem anderen ins Haus stehe, dürfe sich der Direktor dem Druck der Eltern nicht beugen. Grundsätzlich gelte, so Zeman: Es sei immer besser, während seiner Schullaufbahn von der leichteren in die aufbauende Schulform aufzusteigen, als in einem Typ zu scheitern und in eine leichtere Schule umsteigen zu müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.