Enzenhofer: „Schüler sollen in der Pause Deutsch sprechen“

Fritz Enzenhofer
Fritz Enzenhofer(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Oberösterreichs Landesschulratspräsident fürchtet, dass sich in manchen Stadtteilen bald „die Österreicher bemühen müssen, integriert zu werden“.

Die Presse: Die „Integrationsunwilligkeit“ ist derzeit ein großes Thema. Gibt es denn so viele integrationsunwillige Schüler?

Fritz Enzenhofer: Es gibt sie, die Schüler, die sich nicht integrieren wollen. Auf wie viele es zutrifft ist schwer zu quantifizieren.

Was ist Integrationsunwilligkeit für Sie?

Es zeigt sich, wenn Schüler Regeln bewusst nicht einhalten und bestimmte Dinge ablehnen, oder wenn sie sich abkapseln und bewusst nur in ihrer Landessprache sprechen. Manche fallen auch durch österreichfeindliche Bemerkungen auf und sind der Kultur gegenüber feindlich eingestellt.

Halten Sie es für ein Problem, wenn Schüler in der Pause ihre Muttersprache und nicht Deutsch sprechen?

Ja. Es besteht sowieso die Gefahr, dass in der Freizeit nicht Deutsch gesprochen wird. Daher ist jede Minute, in der Deutsch gesprochen wird, wichtig.

Haben die Lehrer darauf zu achten, dass in der Pause Deutsch gesprochen wird?

Natürlich. Deutsch ist ja auch die verbindende Sprache zwischen den Schülern.

Sie haben sich für Strafen ausgesprochen. Glauben Sie, dass man Migranten damit zur Integration motivieren kann?

Damit kann man sie zumindest davon abhalten, dass sie nachlässig mit der Integration umgehen. Es wird immer welche geben, die sich nicht daran halten, aber die Mehrheit wird sehen, dass das Ganze zu akzeptieren ist.

An welche Strafen denken Sie?

An Verwaltungsstrafen für Eltern, die nicht mit der Schule kooperieren. Das würde bei allen angewandt – nicht nur bei Migranten.

Und Sozialdienste für Schüler?

Lehrer bräuchten generell mehr Möglichkeit, Sanktionen zu setzen. Das Thema Strafen sollte enttabuisiert werden. Es wird meist mit Schlagen gleichgesetzt. Dabei geht es darum, dass man etwa Schüler, die wiederholt die Klasse beschmutzen, dazu verpflichtet, eine Woche mit dem Reinigungspersonal mitzuarbeiten. Damit sie sehen, was das heißt.

Ist das Thema „Integrationsunwilligkeit“ bislang verschwiegen worden?

In den westlichen Ländern ist die Zahl der Muslime stark gestiegen. Jetzt wird sich bald die Frage stellen: Wer integriert wen? Wir haben Stadtteile in Linz oder Wien, da hat man das Gefühl, dass sich die Österreicher bemühen müssen, dort integriert zu werden. Wenn man hier nicht hinschaut, kann das zu einem großen Problem werden. Wenn wir unsere Kultur und unsere Werte vermitteln wollen, müssen wir intensiv daran arbeiten.

Das ist aber sehr überspitzt formuliert.

Ich bin Lichtjahre von H.-C. Strache entfernt, weil man der Sache so nicht begegnen kann. Aber diese Probleme nicht zu sehen, wäre dennoch ein Fehler.

Hat man die Dinge bislang nicht gesehen?

Doch, aber das Ausmaß war uns nicht bewusst. Es war nicht nur die Frage der Integrationsunwilligkeit ein Tabuthema, sondern auch die Strafen. Es durfte ja nicht das Gefühl aufkommen, dass es etwas gibt, das über das Loben und Streicheln hinausgeht.

Hätte Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) nicht genau das verbessern sollen?

Wenn er das Problem in dieser kurzen Zeit lösen hätte können, dann würde er den Friedensnobelpreis verdienen.

Was kann und soll die Schule eigentlich zur Integration beitragen?

In der Pflichtschule, der sich keiner entziehen kann, haben wir die Möglichkeit, auf die Integrationsbereitschaft einzuwirken. Die Schule muss diese Aufgabe wahrnehmen. Sie vermittelt nicht nur Wissen, sondern auch Bildung.

Und zwar wie?

Ein Hebel wäre die flächendeckende Einführung eines Ethikunterrichts. Derzeit werden die Abmeldungen vom Religionsunterricht ja von Peek&Cloppenburg und McDonald's gesteuert. Für Schüler ist die Freistunde oft attraktiver. Außerdem melden sich auch viele Schüler mit Migrationshintergrund vom Religionsunterricht ab. Manchen Eltern sind die Religionslehrer nicht liberal genug. Die sagen: Ich lasse mir mein Kind nicht instrumentalisieren. Aus all diesen Gründen sollte es einen Ethikunterricht für alle geben. Die, die sich von Religion abmelden, sollten mehr Ethikstunden besuchen als der Rest. Das Ganze würde natürlich Geld kosten.

Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) kündigte an, die Lehrer mit etwa 100 Schulpsychologen unterstützen zu wollen. Ist das eine echte Entlastung?

Ich habe in Oberösterreich 200.000 Schüler und 27 Schulpsychologen. Die übernehmen alles – von der Bildungsberatung bis zur Krisenintervention. Wenn es hundert Schulpsychologen mehr gibt, sind das für Oberösterreich 20. Das ist gut, aber wenig.

In der vergangenen Woche hat die Bildungsreformgruppe das erste Mal getagt. Die Länder- und Bundesvertreter kündigten an, über „alles reden“ zu wollen. Haben Sie Angst, dass auch über die Abschaffung der Landesschulräte geredet wird?

Natürlich. Der Bund will die Landesschulräte abschaffen. Die Länder wollen den Bund abschaffen. Und jeder glaubt, dass es dann besser geht. Eine reine Kompetenzdiskussion hilft da nicht. Man muss sich die einzelnen Aufgabenbereiche anschauen. Ich halte viel von Subsidiarität.

Bald wird die Evaluierung der NMS veröffentlicht. Was erwarten Sie sich?

Es wird Bereiche geben, in denen die NMS gut abschneidet, und andere, in denen sie das nicht tut. Deshalb sollte man überlegen, was man verbessern kann. Man wird sich etwa über das Teamteaching erneut Gedanken machen müssen. Das muss meiner Meinung nach ja nicht immer gemacht werden. Manchmal braucht es eben auch Teilungen in verschiedene Leistungsgruppen.

Darf man die NMS an sich noch infrage stellen, wie das etwa ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka im Sommer getan hat?

Nein. Man kann die NMS nach all den Bemühungen nicht mehr zurückfahren.

ZUR PERSON

Fritz Enzenhofer (ÖVP) ist der amtsführende Präsident des oberösterreichischen Landesschulrats. Der 58-Jährige ist in Traun in Oberösterreich geboren und ausgebildeter Hauptschullehrer für Deutsch und Bildnerische Erziehung. Sein politisches Engagement begann als Schülervertreter. Später engagierte er sich in der Jungen Volkspartei (JVP), dann als Lokalpolitiker für die ÖVP und als schwarzer Lehrervertreter. [ Clemens Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2015)

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