Schulversuche: Zu viele und zu teuer

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An der Hälfte der Schulen finden Schulversuche statt: Meist, um starre rechtliche Vorgaben zu umgehen.

Wien. Das, was der Rechnungshof gestern, Mittwoch, vorlegte, ist eine Abrechnung mit der österreichischen Schulpolitik, bei der einander SPÖ und ÖVP schon lange blockieren. Resultat der Blockade ist ein starres Schulsystem mit zu vielen rechtlichen Bestimmungen und dementsprechend wenig Flexibilität. Es gibt nur einen Ausweg: Schulversuche. Und derer gibt es viele. Zu viele.

An der Hälfte der 5800 Schulen fanden im Schuljahr 2012/13 Schulversuche statt. Nachdem eine einzelne Schule bzw. Klasse mehrere Versuche durchführen kann, gab es in Österreich insgesamt 5367 Schulversuche (siehe Grafik). Für den Rechnungshof gibt es keinen Zweifel daran, dass das vor allem an den „fehlenden beziehungsweise zu starren rechtlichen Bestimmungen“ liegt. So mussten etwa Berufsschulen Schulversuche anmelden, um Freigegenstände einzurichten oder Tourismusschulen auf Versuche zur Verlegung der Schulzeit zurückgreifen, um Betriebspraktika in der Wintersaison zu ermöglichen.

Versuch läuft seit 50 Jahren

Am beliebtesten waren Schulversuche zur alternativen Leistungsbeurteilung – Verzicht auf Noten – sowie zu Lehrplänen. Viele Schulversuche gab es zur Matura. Da die Zentralmatura an Gymnasien im laufenden Schuljahr das erste Mal für alle verpflichtend stattfinden wird, sind viele dieser Versuche weggefallen.

Doch nicht viele Schulversuche schaffen es ins Regelschulwesen. Und so haben viele die Erprobungszeit weit überschritten und erfüllen damit ihren eigentlichen Zweck – die Erprobung von gewissen Maßnahmen – nicht mehr. Am drastischsten zeigt sich das bei der verbalen Beurteilung, dem wahrscheinlich ältesten noch laufenden Schulversuch: 2016 feiert er sein 50-Jahr-Jubiläum. Mitte der 1970er-Jahre kamen weitere Formen der alternativen Beurteilung dazu. Doch SPÖ und ÖVP sind sich bis heute nicht einig, ob die Einschränkung bzw. die Abschaffung von Noten gut ist.

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Seit den 1990er-Jahren laufen außerdem Versuche zu bilingualen Volksschulen und Gymnasien. Seit 17 Jahren wird der Schulversuch zum Ethik-Unterricht für die Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, erprobt, und seit zwölf Jahren gibt es E-Learning in Notebook-Klassen. Übrigens: Die meisten Schulversuche müssen jedes Jahr neu genehmigt werden. Der Verwaltungsaufwand ist dementsprechend groß, wie der Rechnungshof bemängelt: Würde der administrative Aufwand reduziert, dann könnten „freiwerdende Ressourcen für pädagogische Arbeit und zur Unterstützung bzw. Entlastung der Schulen verwendet werden“, heißt es im Bericht. Das ist vor allem insofern pikant, als Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) um Geld ringt. Während ihr also Dutzende Millionen Euro fehlen, hätte Geld unmittelbar für den Schulunterricht durch mehr Sparsamkeit bei den Schulversuchen aufgebracht werden können.

Mehr Autonomie als Lösung

Der Rechnungshof übt noch mehr Kritik am Ministerium: Dieses habe weder „eine österreichweite Übersicht über Schulversuche“ noch einen Überblick über die Ausgaben. Grundsätzlich sollten die Versuche kostenneutral geführt werden, aber nicht immer waren sie das auch.

Bildungsministerin Heinisch-Hosek selbst entgegnet der Rechnungshof-Kritik durchaus gelassen. Die Zahl der Schulversuche würde ohnehin schon bald sinken. Denn durch mehr Schulautonomie könne auf den Großteil der Schulversuche verzichtet werden. Und genau dem Thema Schulautonomie werde sich die Bildungsreformgruppe – die aus vier Landes- und vier Bundesvertretern besteht – annehmen. Diese soll entscheiden, wie Schulversuche künftig gestaltet werden und in welchem Umfang es sie überhaupt noch geben wird. Das nächste Mal wird sich die Reformgruppe aber erst wieder Anfang März treffen.

Die Kritik an der Unübersichtlichkeit der Kosten für Schulversuche weist man im Bildungsministerium außerdem zurück. Das Kostenargument treffe nicht zu, „da alle Schulversuche als Abweichungen von Regellehrplänen streng kostenneutral sein müssen und auch nur unter diesem Aspekt genehmigt werden“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2015)

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