Ländervergleich: Wie die Reife der Schüler geprüft wird

(c) Die Presse (Fabry)
  • Drucken

In Italien ist bei der Matura die Fehlersuche ein Nationalsport, in Großbritannien gibt es eine Rückbesinnung auf traditionelle Fächer.

Wien. Die Einführung der Zentralmatura erhitzt in Österreich schon seit Jahren die Gemüter. Dabei ist eine solche staatlich vorgegebene Abschlussprüfung international gesehen gar nichts Besonderes. Sondern sogar Standard.

Die Varianten reichen von teilzentralen bis hin zu völlig zentralen Reifeprüfungen – wie etwa im Zentralmatura-Vorzeigeland Frankreich. Dort werden schriftliche und mündliche Prüfungen vom Staat vorgegeben und die Ergebnisse von externen Prüfern benotet.

Tschechien: Es gab viele Probleme

Tschechien hat das, was Österreich gerade durchmacht, vor einigen Jahren durchlebt: Das Land führte im Jahr 2011 die Zentralmatura ein.

Die Konzeption der Matura ist zwar etwas anders als in Österreich, aber die Probleme sind dieselben: Zuerst waren es die Lehrer, die skeptisch waren, dann gingen die Schüler auf die Straße, und zu guter Letzt passierten auch bei der tschechischen „Nová maturita“ Fehler. Ähnlich wie in Österreich gab es fehlerhafte Aufgabenstellungen und unklare Benotungsvorgaben bei den Aufsätzen. Und das alles, obwohl die Einführung der neuen Matura ganze 14 Jahre lang vorbereitet wurde und als sehr kostspieliges Projekt galt. Mittlerweile nahm die Regierung einige Adaptierungen vor.

Die Matura besteht in Tschechien aus einem zentral vorgegebenen staatlichen und einem schulinternen Teil. In beiden muss man mindestens zwei Prüfungen absolvieren. Im staatlichen Teil ist Tschechisch Pflicht sowie Mathematik oder eine Fremdsprache. Beim schulinternen Teil, der auf den Schultyp eingeht, entscheidet der Direktor, ob es zwei oder drei verpflichtende Prüfungen gibt. Unter Umständen kann man als Maturant dem Fach Mathematik bei der Matura also entkommen. Das sorgte für Diskussionen. Die Benotung nehmen übrigens eigene Korrektoren vor. (j.n.)

Vorzeigeland Frankreich

Es ist Frankreichs erklärtes Ziel, dass künftig 80 Prozent eines Jahrgangs die Schule mit dem Mittelschulabschluss „Baccalauréat“ verlässt. Davon ist man nicht mehr weit entfernt. Das Bac gibt es in verschiedensten Formen. Rund die Hälfte der Mittelschulabgänger macht ihr Bac professionnel und Bac technologique (Berufsbildung), die anderen – es sind in der Regel die Schüler mit besseren Schulleistungen – wählen unter dem literarischen (Bac L), dem wissenschaftlichen (Bac S) und dem sozioökonomischen Baccalauréat (Bac ES).

Da nahezu 80 Prozent mit ihrem Bac Zugang zur Uni haben, heißt das auch, dass jährlich zehntausende Studenten die Uni abbrechen. Das hindert die Franzosen aber nicht daran, fast nostalgisch an der Tradition festzuhalten. Wenn zu Sommerbeginn die Absolventen der drei allgemeinen Richtungen (L, S und ES) zum Beginn ihres Abschlussexamens einen Philosophieaufsatz schreiben, diskutiert die halbe Nation über die vorgegebenen Themen.

Frankreich gilt als Vorzeigebeispiel einer zentralen Prüfung: Landesweit finden die einheitlichen Bac-Prüfungen gleichzeitig statt. Die Klassenlehrer haben weder etwas mit der Aufgabenstellung noch mit der Korrektur der Aufgaben zu tun. Die Prüfung wird so auch zum Gradmesser der Qualität einer Schule. (r.b.)

Großbritannien: Klagen über fallendes Niveau

In kaum einem Bereich wird in Großbritannien seit Jahrzehnten so viel geschraubt, gedreht und herumgedoktert wie im Schulwesen. Mit September dieses Jahres tritt eine weitere Reform der Schulabschluss-Prüfung in Kraft, die eine Rückbesinnung auf traditionelle Fächer wie Mathematik, Englisch, Naturwissenschaften und (lebende und klassische) Fremdsprachen bringt.

Die Wende ist nicht nur ideologisch begründet, sondern auch eine Reaktion auf Klagen über stetig fallende Niveaus der Schulabgänger. Mit Lehrfächern wie Medienschaffen oder Geschlechterstudien erreichten immer mehr Schüler glänzende Abgangsnoten, waren an der Uni dann aber oft überfordert. Zur Matura (A-Levels) wählt der britische Schüler drei Fächer, in denen er eine standardisierte und zentral ausgewertete schriftliche Arbeit ablegt. Im Vorjahr wurde erstmals seit 32 Jahren ein Rückgang im Notendurchschnitt registriert. Mathematik war dabei das meistgewählte Fach. Die Prüfungsbehörde (Ofqual) ist zur Gänze für die Abhaltung der Matura zuständig. Sie ist von den Schulen unabhängig, untersteht aber dem Ministerium.

Selbst das objektivste Verfahren ist nicht vor Schummeln gefeit. Immer mehr Schulen beantragen dubiose Ausnahmen, um mit höheren Abgangsquoten ihre Konkurrenten auszustechen. (gar)

Italien: Fehlersuche als Nationalsport

Die italienische „maturità“ ist eine komplizierte Sache. Zur Endnote von maximal 100 Punkten steuern auch die letzten drei Schuljahre bis zu 25 Punkte bei, errechnet aus Notenschnitt, Betragen, Sonderleistungen.

Maximal 45 Punkte erbringen die drei schriftlichen Prüfungen. Dabei werden die ersten beiden landesweit vom Schulministerium festgelegt; die dritte wird von der jeweiligen schulischen Prüfungskommission erstellt, die aus eigenen und externen Lehrern besteht. Erstes Fach, für alle gleich, ist Italienisch. Was das zweite Fach sein wird, teilt das Ministerium – abhängig vom Schultyp (humanistisch, naturwissenschaftlich, technisch usw.) – landesweit ein halbes Jahr vorab mit. Mit 30 Punkten relativ am stärksten gewichtet ist die vierte, die mündliche Prüfung, bei der die Maturanten querschnittartig über alle (!) Fächer des letzten Schuljahres befragt werden.

Zum Nationalsport im Internet gehört es, noch während die Schüler schreiben, nach Fehlern in den staatlichen Aufgabenstellungen zu suchen. Das gelingt mit wechselndem Erfolg. Für die Geheimhaltung der Aufgaben sorgt heute – klaglos – ein mehrfach verschlüsseltes Computernetz zwischen Schulen und Ministerium; zuvor dienten Carabinieri als Postboten für solche Staatsgeheimnisse. Vorzeitig bekannt geworden sind Aufgaben nur einmal: 1976. (p. k.)

Finnland: Maturazeugnis als Bewerbung

Seit den PISA-Studien gilt Finnland als das Vorbildland in Sachen hohe Qualität bei der Schulbildung. Die 5,3 Millionen Menschen zählende Bevölkerung des Wohlfahrtslandes ist recht homogen, was einiges vereinfacht. Das gute Schulsystem verlangt den Schülern auch bei der Zentralmatura so einiges ab.

Die gymnasiale Oberstufe folgt nach neun Jahren Gemeinschaftsschule für Schüler, die studieren möchten. Sie ist für die meisten drei Jahre lang. Dann folgt die Matura. Die Prüfungsaufgaben sind landesweit die gleichen und werden von einer zentralen Stelle in Helsinki erstellt. Der lokale Lehrer gibt die Note, sie wird dann aber von einem Lehrer an zentraler Stelle überprüft und manchmal
korrigiert. Mündliche Tests gibt es nicht. Neben dem zentralen Abschlusszeugnis bekommen die Schüler ein Zeugnis von ihrer Schule, in der die Prüfungsleistungen der drei Jahre dokumentiert sind. Die Schüler bewerben sich mit beiden Zeugnissen für die Universität.       

Die Zulassungskriterien sind höchst unterschiedlich. Nicht nur der Durchschnitt beider Zeugnisse zählt, sondern auch die Leistungen in Schulfächern, die dem Wunschstudium nah sind. Zudem wird oft auf der Basis einer ersten Selektion über die Maturanoten ein weiteres Auswahlverfahren durchgeführt.
(anw)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.