Die Korrektur der Neuen Mittelschule

ERSTE NATIONALRAT DER NEUEN BUNDESREGIERUNG: MITTERLEHNER/HEINISCH-HOSEK
ERSTE NATIONALRAT DER NEUEN BUNDESREGIERUNG: MITTERLEHNER/HEINISCH-HOSEK(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Der Ministerrat wird Mittwoch eine erste Reform der viel kritisierten Neuen Mittelschule beschließen. Bei der Verbesserung des Teamteachings soll es aber nicht bleiben.

Wien. Schon wieder wird an der einst gemeinsam von SPÖ und ÖVP beschlossenen Neuen Mittelschule (NMS) gerüttelt: „Ich sehe das bisherige Modell der Neuen Mittelschule skeptisch. Fortsetzung nicht garantiert, wenn nichts korrigiert werden kann.“ Mit dieser Aussage sorgte ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner am Osterwochenende für eine neuerliche (Bildungs)Diskussion innerhalb der Koalition.

Dass die Neue Mittelschule verbessert werden soll, ist spätestens seit dem durchwachsenen Evaluierungsbericht klar. Die Frage des Wie ist aber noch nicht gänzlich beantwortet. „Die Presse“ hat sich angeschaut, welche Korrekturen die Regierung bei der Neuen Mittelschule vornehmen wird beziehungsweise vornehmen könnte.

1. Zwei Lehrer sollen nicht nur in den Hauptfächern eingesetzt werden.

Die erste Adaptierung der NMS soll schon heute, Mittwoch, durch den Ministerrat gehen. Dabei soll das zentralste Element der Neuen Mittelschule, das Teamteaching (also der gemeinsame Unterricht von zwei Lehrern), reformiert werden. Die vom Bund für das Teamteaching vorgesehenen und bezahlten zusätzlichen sechs Stunden sollen nämlich nicht mehr nur in Deutsch, Mathematik oder Englisch, sondern auch in anderen „Schwerpunktfächern“ eingesetzt werden können. Damit soll der zweite Lehrer in jenen Stunden verwendet werden, in denen es am Standort für am sinnvollsten erachtet wird. Schulen, die etwa einen naturwissenschaftlichen oder technischen Schwerpunkt haben, werden den zweiten Pädagogen also vermutlich für den Unterricht in Fächern wie Biologie und Physik verwenden.

2. Schulen sollen entscheiden, ob sie AHS- bzw. BHS-Lehrer anstellen.

So gut wie fix ist auch eine weitere Neuerung: Künftig sollen Länder oder Schulen entscheiden können, ob mit den zusätzlichen sechs vom Bund finanzierten Stunden Bundes- oder Landeslehrer beschäftigt werden. Also ob sie AHS- bzw. BHS-Lehrer anstellen wollen oder auch die sechs zusätzlichen Stunden mit NMS-Lehrern besetzen. Grundsätzlich war bei der Schaffung der NMS vorgesehen, dass Lehrer aus AHS oder BHS dort unterrichten müssen. Eingehalten wurde das aber nur zum Teil: 2014 waren nur an 55 Prozent der NMS Bundeslehrer im Einsatz. Grund dafür war neben dem Lehrermangel wohl auch die Tatsache, dass die NMS für AHS-Lehrer nicht sehr attraktiv ist.

3. Schüler sollen vermehrt in Gruppen unterrichtet werden.

Diese beiden Korrekturen des Teamteachings gehen der Lehrergewerkschaft nicht weit genug. „Teamteaching ist kein Allheilmittel“, sagte Lehrervertreter Paul Kimberger vor Kurzem und plädierte dafür, die Kinder nicht nur gemeinsam in einer Klasse zu unterrichten, sondern „mehr zu differenzieren“ und temporäre Gruppen zu schaffen. Auch Staatssekretär Harald Mahrer, der für die ÖVP das Thema Bildung verhandelt, findet, dass das Teamteaching „nicht unangetastet bleiben darf“. Konkret wünscht er sich mehr Begabtenförderung, Förder- und Leistungskurse. Dafür brauche es mehr „temporär gebildete Gruppen“. Rein gesetzlich wäre das jetzt schon möglich – in der Praxis dürfte aber das klassische Teamteaching überwogen haben. Wie Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) auf den Vorschlag regieren wird, bleibt abzuwarten. Immerhin hat aber auch sie schon in Aussicht gestellt, dass anstelle von Temateaching ein individuelles Schülercoaching möglich wäre. Die nötigen Gesetzesänderungen wären „schnell und einfach schon ab Herbst umsetzbar“.

4. Das siebenteilige Notensystem soll überdacht werden.

In der Kritik steht auch das siebenteilige Notensystem. In der NMS wird zwischen grundlegender und vertiefter Allgemeinbildung unterschieden. Die Skala bei der grundlegenden Bildung reicht de facto nur von Befriedigend bis Nicht Genügend und die in der vertieften Bildung von Sehr gut bis Genügend. „Das ist nicht transparent, keiner kennt sich aus. Und sogar jene, die es erklären sollten, können es nicht erklären“, monierte Gewerkschafter Kimberger bereits. Nun soll auch auf politischer Ebene noch einmal über die Sinnhaftigkeit des Systems nachgedacht werden. Im Büro von Staatssekretär Mahrer heißt es, dass das Notensystem in der Bildungsreformkommission noch Thema werde.

5. Neue Mittelschulen sollen besser kontrolliert werden.

Die NMS sollen – wie beim Lehrereinsatz – mehr autonome Entscheidungen treffen dürfen. Gleichzeitig soll aber die Kontrolle verschärft werden. Da die Evaluierung zeigte, dass viele Schulen das neue Konzept gar nicht umgesetzt haben, hat die Ministerin bereits angekündigt, dass der „zweckmäßige Mitteleinsatz und die Umsetzungsqualität“ verstärkt durch die Schulaufsicht geprüft werden sollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2015)

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