Schule: Wofür das Geld fehlt

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Würden alle Lehrer zwei Stunden mehr arbeiten, wären die Budgetprobleme des Bildungsressorts gelöst. Aber nur fürs Erste. Denn die nächsten (finanziellen) Herausforderungen stehen vor der Tür.

Wien. Über eine Idee, um das Budgetloch im Bildungsressort zu stopfen, wird derzeit erbittert diskutiert – Lehrermehrarbeit. Würden alle Lehrer pro Woche zwei Stunden mehr unterrichten, würden rund 360 Millionen Euro pro Jahr gespart – und die Budgetprobleme des Bildungsressorts wären gelöst. Aber auch nur fürs Erste. Denn wenn die österreichische Schule fit für die Zukunft werden soll, warten die nächsten Herausforderungen bereits. Und diese kosten Geld.

1 Es braucht Unterstützung durch Sozialarbeiter und Psychologen auf internationalem Niveau.

Die Schule muss immer mehr gesellschaftliche Aufgaben übernehmen: Es sollen erzieherische Lücken gestopft und die Integration vorangetrieben werden. Kümmern müssen sich darum meist die Lehrer – und zwar allein. Denn Sozialarbeiter, Schulpsychologen oder Logopäden sind an Österreichs Schulen rar. Auf 24 Lehrer kommt laut Talis-Studie eine pädagogische Hilfskraft. International liegt das Verhältnis bei 1:13. Ähnlich bei der Administration: In Österreich steht 23 Lehrern eine administrative Kraft gegenüber. International ist das Verhältnis eins zu acht. Dabei hätte mehr administratives Personal sogar Sparpotenzial: Würden die Lehrer durch günstigeres Verwaltungspersonal entlastet, könnten laut Rechnungshof jährlich 13 Millionen Euro gespart werden. Die Gewerkschaft fordert schon lang 13.500 Hilfskräfte, die Regierung wies das stets als illusorisch zurück. Selbst die versprochenen 2000 zusätzlichen Kräfte kamen nicht. Laut Ministerium würden allein 100 Psychologen fünf bis sechs Millionen Euro pro Jahr kosten.

2 Es braucht immer mehr Sprachförderung – und dafür mehr Personal und Geld.

Immer mehr Schüler haben nicht Deutsch als Muttersprache – in Wiens Volksschulen ist es schon mehr als die Hälfte –, und auch von jenen, die zu Hause Deutsch sprechen, haben viele Schwierigkeiten. Nicht umsonst wurden die Mittel für die Sprachförderung im Kindergarten zuletzt aufgestockt, für die kommenden drei Jahre gibt es 90 Millionen Euro. In der Schule wird es trotzdem zusätzlichen Bedarf geben. Die Grünen haben diesen in Anlehnung an das Hamburger Modell beziffert: Geht man davon aus, dass jedes dritte Kind pro Woche drei Stunden Förderung braucht, sind 1100 zusätzliche Lehrer nötig. Die Kosten für die Förderung außerordentlicher Schüler würden sich von 25 auf 50Millionen Euro verdoppeln.

3 Immer noch gibt es wenige Ganztagsplätze – von Schulessen ganz zu schweigen.

Inzwischen ist es auch politisch unstrittig: Es braucht mehr Ganztagsplätze. Von einem flächendeckenden Angebot ist man aber weit entfernt. Nur jeder fünfte Schüler zwischen sechs und 14 Jahren besucht eine ganztägige Schulform. Für den Ausbau gibt es pro Jahr schon jetzt 160 Millionen Euro. So sollten bis 2019 rund 200.000 Ganztagsplätze zur Verfügung stehen – auch das ist aber (bei mehr als 700.000 Schülern unter 14Jahren) noch immer weniger als ein Drittel. 50 der für das Vorjahr vorgesehenen 160Millionen hat die Ministerin überdies für Einsparungen herangezogen. Von Schulessen ist da noch gar nicht die Rede: Sogar in Wien bekommt nur ein Viertel der Schüler Mittagessen. Zahlen müssen das – pro Kind und Tag drei bis vier Euro – die Eltern. Das sieht international zum Teil ganz anders aus: In Finnland beispielsweise gibt es seit Jahrzehnten Gratis-Schulessen für alle Schüler.

4 Ganztägige Schule und neue Lernformen erfordern andere Schulgebäude.

Vor allem die ganztägige Schule bedeutet auch, dass sich baulich etwas tun muss. Viele Schulen sind derzeit nicht (oder nur bedingt) darauf eingestellt, dass Schüler dort einen kompletten Tag verbringen, inklusive Rückzugsräumen, diverser Freizeitmöglichkeiten und eben Mittagessen. Das kostet Geld: Die Gemeinden investieren derzeit etwa rund 200 Millionen Euro pro Jahr in Schulumbauten, Zubauten und Sanierungen. Generell wird häufig kritisiert, dass Schulbauten in Österreich alles andere als State of the Art sind und sich nur bedingt für modernes Lehren und Lernen eignen – vom individuellen Unterricht bis zum digitalen.

5 Die österreichischen Schulen müssen in das digitale Zeitalter eintreten.

Zwei Computer für das gesamte Lehrerkollegium und kein einziger in den Klassen: Das ist in vielen österreichischen Schulen noch immer Realität. Digitalisierung ist für viele Standorte noch ein Fremdwort. Dabei sehen viele das als die nächste große Herausforderung, Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) etwa. Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) machte zuletzt einen Vorstoß in puncto digitaler Schulbücher. Andere Länder haben sich schon auf den Weg gemacht. Nur, um eine Vorstellung von den finanziellen Größenordnungen zu bekommen: In Polen stellte die EU für das Projekt „Digitale Schule“ eine Milliarde Euro zur Verfügung.

Weitere Infos:www.diepresse.com/bildung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2015)

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