Schule: Ausgesperrte Lehrer, Reformen und Streiks

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nicht nur in Österreich wird über die Arbeitszeit der Lehrer diskutiert. Wie es anderswo aussieht – von Dänemark bis England.

Nach der „Entschuldigung“ des Wiener Bürgermeisters bei den Lehrern ist die Debatte um eine mögliche Erhöhung der Unterrichtsstunden abgeflaut – doch wer weiß, für wie lang. Denn klar ist: Das Bildungsressort steckt finanziell in der Klemme, die Lücke ist rund 340 Millionen Euro groß. Und das Ministerium wird wohl weiter sparen müssen (siehe Seite1). Aber nicht nur in Österreich ist die Arbeitszeit der Lehrer immer wieder ein Thema. „Die Presse“ hat sich angesehen, wie viel Pädagogen in anderen Ländern arbeiten – und welche Konflikte es gibt.

Dänemark. Regierung erzwingt mehr Unterricht durch Aussperrung.

Die dänische Regierung scheute sich wahrlich nicht vor Konflikten: Sie sperrte vor ziemlich genau zwei Jahren knapp 70.000 Lehrer einfach aus den Schulen aus, um eine längere Unterrichtszeit und eine längere Anwesenheit der Lehrer an den Schulen zu erzwingen. Zuvor waren die Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und den Kommunen ergebnislos abgebrochen worden. Ziel der Regierung war mehr Unterricht für die Schüler, eine ganztägige Schule. Die ganze Reform sollte aber (möglichst) kostenneutral umgesetzt werden.

Was die (sozialdemokratische) dänische Regierung dafür in Kauf nahm, sorgte in ganz Europa für Staunen. Die vierwöchige Aussperrung wirkte aber: Die Arbeitszeit wurde verlängert und flexibilisiert. Statt einer fix festgelegten Vorbereitungszeit für jede Unterrichtsstunde – ähnlich wie in Österreich – sollten die Schulleiter bestimmen, wie viel Zeit ein Lehrer in den Unterricht stecken muss und wie viel er für Vor- und Nachbereitung zugebilligt bekommt. Als Ausgleich sollten die Lehrer eine Gehaltserhöhung bekommen.

Die dänische Lehrergewerkschaft warnte bis zuletzt vor „Discountschulen“ – vergeblich. (red.)

Frankreich: 27 Präsenzstunden und viele Streiks im Schulbereich.

Die haben es gut die Lehrer, so wenig wie die möchte ich auch arbeiten...“ Wie in vielen anderen Ländern kämpfen auch die Lehrer in Frankreich gegen das Vorurteil an, dass sie nur wenige Wochenstunden im Klassenzimmer verbringen und weit mehr Ferienwochen haben als alle anderen Berufstätigen. Das mag auf dem Papier annähernd zutreffen. Die Realität aber sieht für die meisten ganz anders aus.

Ein Lehrer oder eine Lehrerin der Volksschule oder der Vorschule verbringt offiziell zwar nur 24 Stunden pro Woche im Unterricht, hinzu kommen aber zwei Stunden in der Koordination mit Schulleitung und Kollegen sowie Stützkurse mit den schwächsten Schülern. Für Letztere sollen sie 108 Stunden pro Jahr einsetzen. Nicht eingerechnet in diesen etwa 27 Stunden Präsenz ist die Arbeit zu Hause: die Vorbereitung der Stunden, die Korrektur von Prüfungen, die Weiterbildung. Wenn man die Pädagogen der Unterstufe fragt, wie viel sie pro Woche wirklich arbeiten, nennen sie im Schnitt 44 Stunden und ihr Schuldirektor sogar 45,5.

Vielleicht übertreiben da einige doch ein bisschen? In einem Land, das offiziell eine Höchstarbeitszeit von 35 Stunden pro Woche hat, wäre das nämlich enorm – vor allem bei einem Gehalt von 1700 Euro zu Beginn und maximal 3100 Euro am Ende der Karriere. In wenigen Bereichen wird in Frankreich darum so oft gestreikt wie im öffentlichen Bildungssektor. (rb)

Deutschland: Mehr Unterricht? Lehrer kontern mit eigener Studie.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft macht Nägel mit Köpfen: Nachdem Niedersachsen ankündigte, die Arbeitsstunden der Lehrer um eine Unterrichtseinheit zu erhöhen, beauftragte sie die Uni Göttingen mit einer Studie. Nun werden in Niedersachsen mehrere tausend Lehrer ihre Arbeitszeit penibel dokumentieren. Das Land bleibt skeptisch, will das Ergebnis aber „zur Kenntnis“ nehmen.

Nun, wie viele Stunden deutscheLehrer tatsächlich unterrichten, ist unterschiedlich geregelt. Während die wöchentlichen Pflichtstunden in Bayern 27,5 Stunden betragen, sind es in Niedersachsen 23,5. Auch das Verfahren mit Zusatzstunden sowie andere Regelungen sind nicht bundeseinheitlich.

Derzeit beschäftigen die Pädagogen aber ohnehin andere Themen: Die Lehrer – bisher eine in Sachen Streik unauffällige Berufsgruppe – steigen vermehrt auf die Barrikaden. Die Tarifverhandlungen wurden zwar erst kürzlich abgeschlossen – aber ohne Zustimmung jener Gewerkschaft, die die angestellten Lehrer vertritt. Sie will die Gehälter der Angestellten an die der Beamten angleichen – das gelang bisher nicht. Weitere Streiks sind nicht ausgeschlossen. (duö)

USA: Lehrer arbeiten etwas weniger als andere Angestellte.

In den USA ist die Arbeitszeit für Lehrer nicht einheitlich geregelt, zuständig dafür sind die „School Boards“; die Mitglieder dieser Schulbehörden werden von den Bürgern des Bezirks gewählt. Wie lang Lehrer arbeiten, lässt sich am ehesten aus den Erhebungen des Arbeitsministeriums und des nationalen Statistikamtes erlesen. Einer Befragung des Census Bureau aus dem Jahr 2011 zufolge gaben die Lehrer im Durchschnitt an, 43,7 Stunden pro Woche zu arbeiten. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Arbeitszeit in vergleichbaren Berufen betrug damals 44,8 Stunden.

Ein bisschen anders sieht das in der Erhebung des Arbeitsministeriums aus 2008 aus: Dort gaben die Lehrer an, durchschnittlich um die 40 Stunden pro Woche mit Arbeit zu verbringen, im Klassenzimmer und außerhalb (jüngere weniger, ältere mehr). Im Vergleich zu anderen Vollbeschäftigten arbeiteten sie pro Tag 24 Minuten weniger.

Einer Erhebung des Arbeitsministeriums aus 2011 zufolge betrug das Durchschnittsgehalt pro Stunde (einschließlich Renten- und sonstigen Ansprüchen) 53,87 Dollar. Vergleichbare Arbeitnehmer in der Privatindustrie verdienten damals 46,61 Dollar. Lehrer in öffentlichen Schulen verdienen generell um rund acht Prozent mehr als jene in Privatschulen. (go)

Großbritannien: Schulreform bringt zusätzliche Arbeit für Lehrer.

Auch der Erfolg kann einem Politiker zum Verhängnis werden: Der konservative britische Unterrichtsminister Michael Gove setzte in den vergangenen fünf Jahren gegen den massiven Widerstand der Lehrergewerkschaft eine Schulreform durch. Obwohl selbst die Opposition die Veränderungen heute nur noch eher symbolisch kritisiert, flog er aus der Regierung, nachdem Umfragen ergeben hatten, dass er seine Partei die Wahlen kosten könnte.

Die Neuordnung in Englandsetzte auf die Förderung privater Schulbetreiber und eine deutliche Hebung der Unterrichtsstandards – darunter auch strengere und häufigere Prüfungen oder mehr schriftliche Hausübungen. Die Lehrergewerkschaft lehnte das ab – unter anderem, weil sie fanden, dass die Änderungen ihnen zusätzliche Arbeit aufbürden würden.

Zumal englische Lehrer laut OECD die höchste Arbeitsbelastung aller Lehrer in Europa haben: Im Schnitt arbeiten sie demnach 51 Stunden in der Woche, davon sind knapp 20 Stunden Unterricht in der Klasse, vier Stunden Verwaltungsarbeiten, sechs Stunden Benotung und acht Stunden Unterrichtsvorbereitung. 45 Prozent klagen über Belastung durch „unnötigen und bürokratischen Papierkram“. (gar)

Norwegen: Lehrer und Schulleiter verhandeln über Unterrichtszeit.

Norwegen geht einen ganz eigenen Weg: Wie viel ein Lehrer unterrichtet, ist Sache der Schule, zentral wird das nicht festgelegt. Stattdessen gibt es eine Jahresarbeitszeit von 1688 Stunden über alle Schulstufen hinweg. Diese liegt im Schnitt knapp über der Arbeitszeit von Pädagogen in Österreich.

Welcher Teil davon unterrichtet wird, verhandeln Lehrer und Schulleiter. Dabei kann es auch durchaus schwierig werden. Ansonsten steht der Lehrer der Schule in seiner fixen Arbeitszeit zur Verfügung, und zwar für Projektarbeiten, Elterngespräche oder Ähnliches. Die Vor- und Nachbereitungen des Unterrichts sind zeitlich flexibel, dafür stehen aber meist nur 20 bis 30 Prozent der Arbeitszeit zur Verfügung – bei uns beträgt dieser Teil mehr als die Hälfte. Allerdings gibt es pro Lehrer auch etwa dreimal so viel Unterstützungspersonal wie in Österreich. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2015)

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