Abschied eines Querdenkers

Archivbild Bernd Schilcher
Archivbild Bernd SchilcherClemens Fabry
  • Drucken

Der einstige steirische ÖVP-Klubchef und Bildungspolitiker Bernd Schilcher ist 74-jährig verstorben. Nicht nur in Schulfragen trat er gegen die Parteilinie auf.

Er kritisierte die Lehrergewerkschafter aus der eigenen Partei. „Die Zeit der Auspufflehrer, von denen man um elf nur noch den Auspuff gesehen hat, ist vorbei“, sagte er einmal. Er kämpfte für die Ganztags- und die Gesamtschule, die in weiten Teilen der ÖVP als Tabu gilt. Er erklärte, dass die Bundesländer „innerparteilich und auch politisch entbehrlich sind“. Ungewöhnlich für einen Politiker der föderal geprägten ÖVP. Und er hatte seine Finger im Spiel, als sich gar Außergewöhnliches ereignete: Steirische Abgeordnete brachten im Zuge der geplanten Stationierung von Draken in Zeltweg einen Misstrauensantrag gegen den eigenen schwarzen Verteidigungsminister Robert Lichal ein.

Der langjährige Klubchef der steirischen ÖVP und Bildungspolitiker Bernd Schilcher ist am Freitag wenige Wochen vor seinem 75.Geburtstag gestorben. Mit ihm geht ein Unbequemer. Jemand, der sinnbildlich dafür stand, dass die steirische ÖVP immer schon etwas anders als die Bundes-ÖVP war.

1940 in Graz geboren macht sich Schilcher als Schüler erste politische Gedanken. Dass er drei seiner besten Freunde durch deren Wechsel in die Hauptschule verliert, sollte ihn sein Leben lang prägen. Zunächst will Schilcher Arzt werden, er wechselt aber ins juristische Fach, in dem er sich auf der Uni Graz entfaltet. Er engagiert sich als Studenten- und als Assistentenvertreter, 1978 wird er Ordinarius für Bürgerliches Recht. Schilcher ist kein Professor, der Studenten mit Paragrafen langweilt, er thematisiert vor allem Praxisbeispiele. Wobei Schilcher einmal warnt: Wie der Oberste Gerichtshof entscheidet, hänge ohnedies davon ab, welche Richter gerade ihres Amtes walten. Wenn ein „Marktführer in einer Rechtsansicht“ in Pension gehe, dann ändere sich eben die Rechtsprechung über Nacht.


„Mittelschicht muss helfen.“ Die politische Karriere Schilchers nimmt in den 1970er-Jahren so richtig Fahrt auf. Er wirkt am Salzburger Programm der ÖVP mit, das der Partei ein modernes Profil verpassen sollte. 1976 zieht Schilcher in den Steiermärkischen Landtag ein, in dem er 15 Jahre verbleibt. Von 1985 bis 1989 ist Schilcher als Klubobmann seiner Partei auf dem Höhepunkt der Karriere. Aber auch als steirischer Landesschulratspräsident (von 1989 bis 1996) macht er sich einen Namen.

In den vergangenen Jahren fiel Schilcher etwa als Promotor des Bildungsvolksbegehrens auf. Er fungierte aber auch als Vorsitzender der Expertenkommission der früheren SPÖ-Unterrichtsministerin Claudia Schmied. „Die Mittelschicht muss Bildungsfernen helfen“, forderte Schilcher 2012 im „Presse“-Interview, als er sein Buch „Bildung nervt“ präsentierte.

Vertreter aus allen Parteien würdigten den Verstorbenen. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner sieht in Schilcher eine „große Persönlichkeit“, Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) einen „bildungspolitischen Visionär“. Der steirische ÖVP-Chef, Hermann Schützenhöfer, rühmte seinen Landsmann als „mutigen Reformer“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

PK VOLKSBEGEHREN BILDUNGSINITIATIVE 'PRAeSENTATION DES  TEXTES': BERND SCHILCHER
Home

Bildungsexperte Bernd Schilcher überraschend verstorben

Er war in Bildungsfragen in ständigem Konflikt mit der Gewerkschaft und der Partei. ÖVP-Poltiker Schilcher war einer der Miterfinder der Neuen Mittelschule.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.