Bildung 2048: "Die Schule bekommt starke Konkurrenz"

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Mediendidaktiker Gerhard Brandhofer erklärt, warum Schule als Ort der Wissensaneignung ausgedient haben wird und man den Lehrer trotzdem kaum überschätzen kann.

Die Presse: Sitzen die Schüler in Österreich 2048 überhaupt noch in einer Schule, so wie wir sie kennen – oder läuft der Unterricht dann über eine Art Facebook der Zukunft?

Gerhard Brandhofer: Die Schule bekommt jedenfalls starke Konkurrenz bei der Wissensaneignung, als Ort dafür hat sie eigentlich ausgedient. Dafür gibt es ja auch jetzt schon sehr starke Anzeichen. Wir lernen immer mehr virtuell, immer mehr informell. Wir lernen, wo wir wollen, wann wir wollen, wir lernen viel mehr „just in time“.

Wird die Schule dann nur noch online stattfinden?

Nein. Schule hat auch sehr viele andere Funktionen: gesellschaftserhaltende, gesellschaftsgestaltende. Das kann man schlecht über virtuelle Netzwerke vermitteln. Als sozialer Ort hat Schule auch 2048 noch nicht ausgedient. Außerdem: Wenn Schule ein Ort des Treffens ist, kann Lernen dort auch anders stattfinden, weil man zum Beispiel Experten virtuell in den Klassenraum holen kann.

Man kann annehmen, dass der Job des Lehrers damit ganz anders aussehen wird als jetzt.

Die Rolle des Lehrers ändert sich sehr stark. Damit setzen wir uns jetzt schon auseinander. Diese unhinterfragbare Instanz und Autorität löst sich auf, weil die Schüler sehr schnell den Wahrheitsgehalt überprüfen können.

Manche prophezeien angesichts der Digitalisierung eine Sehnsucht nach der Persönlichkeit des Lehrers. Sie auch?

Die große Metastudie des Bildungsforschers John Hattie unterstreicht das. Entscheidend für die Leistung des Schülers ist da weder das Fachwissen, noch die Digitalisierung, noch die Gruppengröße. Entscheidend ist das, was zwischen dem Lehrenden und dem Schüler passiert. Die Rolle des Lehrers kann man in dieser Hinsicht also gar nicht überschätzen.

Auch wenn Wissensvermittlung zunehmend virtuell passiert?

Das Lernen wird damit ja nicht leichter. Man kommt leichter an Informationen – aber das Lernen ist weiter auch mit Mühsal verbunden. Hier kann der Lehrer also ansetzen, beim Lernen lernen. Und natürlich auch bei der Auseinandersetzung mit dem Wissen, also bei der Wissenskritik.

In manchen asiatischen Ländern wird mit Robotern experimentiert, die Lehrer ersetzen. Ist das auch in Österreich denkbar?

Bei den Experimenten in Südkorea geht es um Telepräsenzroboter, die den Lehrer nicht wirklich ersetzen – sie machen ihn nur billiger, weil er in einem anderen Land sitzt. Ich denke nicht, dass wir in unseren Schulen Roboter als Lehrer einsetzen werden, der Beruf ist durch die Automatisierung wenig gefährdet.

Wer jetzt sein Lehramtsstudium abschließt, sollte 2048 noch unterrichten. Wie viel von dem, was er im Studium gelernt hat, kann er dann noch brauchen?

Wenn man sich im Studium nur auf Wissensvermittlung konzentrieren würde, wenig. Aber es sieht anders aus, wenn wir Kompetenzen wie etwa Freude am Beruf, Lernbereitschaft, Wertschätzung, Kollaborations- und Kommunikationsfähigkeit forcieren. Damit kann man auch nach 2048 noch als Lehrer reüssieren.

Bis heute ist das Schulbuch das Leitmedium an österreichischen Schulen. Wird es in Schulen 2048 überhaupt noch Bücher geben?

Tatsächlich basiert die gesamte Schulkultur auf einer Kultur des Buches. Die Transformation in Richtung digitale Medien, die jetzt stattfindet, löst an den Institutionen eine große Krise aus. Jetzt wird versucht, die Tradition des Buches mit anderen Medien fortzuführen.

Also als elektronisches Buch?

Die neuen Medien erscheinen im Kleid der alten – etwa als E-Book. Mit der Zeit entwickeln sie aber eigene Muster und somit ist das Buch langfristig, so wie wir es kennen, vermutlich Geschichte.

Ab Herbst 2016 werden nun klassische Schulbücher digitalisiert. Das mutet etwas retro an.

Da stimme ich zu. Die einzige Änderung ist, dass es nicht mehr auf totem Holz gedruckt wird, sondern als PDF verfügbar ist. Dabei gibt es international einige ganz spannende Initiativen, wo man Schulbücher selbst zusammenstellen kann. Multimedial, aber ohne auf Texte zu verzichten.

Manche Schulen drehen den Unterricht schon jetzt teils um: Die Schüler eignen sich – online, mit Videos – den Stoff zu Hause an. Und in der Schule wird dann geübt. Hat das Zukunft?

Das ist ein durchaus tragbares Konzept. Aber es wird nicht in jeder Schule, bei jedem Thema so ablaufen. Je älter die Schüler, desto intensiver ist das möglich. Bei Themen, die viel mit Haptik zu tun haben, ist es schwer vorstellbar.

ZUR PERSON

Gerhard Brandhofer (44) forscht und lehrt an der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich im Bereich digitale Medien und informatische Bildung in Schule und Hochschule. [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2015)

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