Koalition: Schule schließt, Streit beginnt

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nach dem überraschenden Rückzug der Landeschefs Pröll und Niessl wackelt die Bildungsreform. Der Streit über die Verantwortung für die Lehrer ist zwischen Bund und Ländern neu entflammt.

Das Schuljahr hätte heute, Freitag, ruhig ausklingen sollen – nicht nur für die Schüler und Lehrer in Wien, Niederösterreich und im Burgenland, sondern auch für die Bildungspolitik. Tut es aber nicht. Pünktlich zur Zeugnisverteilung wird erneut über die Schulreform gestritten – ein Kräftemessen zwischen Bund und Ländern und zugleich ein Problem für SPÖ und ÖVP.

Die angespannte Stimmung zwischen Bund und Ländern seit dem Asylgipfel vergangene Woche dürfte nun auch auf die Bildungspolitik abgefärbt haben. Am Mittwochabend verließen überraschend gleich zwei von vier Landeshauptleuten die sogenannte Bildungsreformkommission und brachten damit die gesamte Reform gehörig ins Wanken. Die beiden Landeshauptmänner Hans Niessl (SPÖ) und Erwin Pröll (ÖVP) sahen die Verhandlungen zuletzt in die falsche Richtung gehen. Noch bei der bisher letzten Verhandlungsrunde der Reformkommission Anfang März wähnten sie sich kurz vor ihrem großen Ziel, die Macht über alle Lehrer – also auch über die derzeit 50.000 vom Bund verwalteten AHS- und BHS-Lehrer – zu übernehmen. Ein seit der Landeshauptleutekonferenz in Frauenkirchen im Jahr 2009 gehegter Wunsch. Die Erfüllung dessen schien in den Verhandlungen, die bislang liefen, aber wieder in weitere Ferne zu rücken. Pröll sah einen „Rückschritt hin zu einer totalen Zentralverwaltung“. Das Match um die Lehrer ist also erneut eröffnet. Was bedeutet das aber für die Bildungsreform und die Bundesregierung?

1. Die Regierung ist um Schadensbegrenzung bemüht: Die SPÖ ersetzt Niessl durch Häupl. Die ÖVP ist noch auf der Suche.

Die Nachricht vom Rückzug hat sowohl Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) als auch Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) unerwartet getroffen. Bei der eilig einberufenen Pressekonferenz am Donnerstagvormittag, zu der die Bildungsministerin gemeinsam mit Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) lud (siehe Punkt 4), war man um Schadensbegrenzung bemüht: Die Bildungsreform sei weiter auf Kurs.

„Der Rückzug der beiden wäre nur dann ein Verlust, würde er dazu führen, dass wir zu keinem Ergebnis kommen“, sagt Ostermayer. Doch die vier Vertreter des Bundes – Heinisch-Hosek und Ostermayer für die SPÖ, Mahrer und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner für die ÖVP – würden ebenso weiterarbeiten wie die zwei übrigen Landeshauptleute, Wilfried Haslauer (ÖVP) und Peter Kaiser (SPÖ). Nun ergebe sich eben lediglich eine andere Konstellation. Für die SPÖ heißt das: Michael Häupl statt Hans Niessl. Der Wiener Bürgermeister wird den burgenländischen Landeschef trotz Wahlkampfstress ersetzen. Die ÖVP konnte noch keinen Ersatz aus den Ländern finden. Oberösterreichs Landeshauptmann, Josef Pühringer (ÖVP), hat keine Ambitionen, in der Arbeitsgruppe vertreten zu sein (siehe Seite 2). Bleiben nur noch Markus Wallner (Vorarlberg), Günther Platter (Tirol) und Hermann Schützenhöfer (Steiermark). Für Letzteren spricht, dass er nicht aus dem Westen stammt.

2. Am 17. November wird die Bildungsreform präsentiert. Der versprochene große Wurf wird das wohl nicht sein.

Das Ergebnis werde plangemäß am 17.November präsentiert, versprachen Heinisch-Hosek und Ostermayer. Man wird sich dabei wohl auf das Machbare konzentrieren. Die Verwaltungsfrage sei „nicht entscheidend“ und stehe „nicht oben auf der Agenda“. Man wolle sich nun auf „wichtigere Fragen“ wie die Bildungsgerechtigkeit, die Schulautonomie, den Ausbau ganztägiger Schulformen und die Elementarpädagogik konzentrieren. Bei all diesen Punkten sei man schon in der Endabstimmung.

3. Eine Verländerung der Lehrer ist noch nicht vom Tisch. Im Gegenteil: Der Widerstand der Länder könnte Wirkung zeigen.

Die Frage, wer wen verwaltet, wird in den Verhandlungen der Reformkommission mit Sicherheit wieder aufkommen. Die Verländerung der Lehrer ist also weiter auf dem Tisch. Immerhin ist es eine Frage mit einem „gewissen Matchcharakter“, wie es Minister Ostermayer ausdrückte. Ziehen die burgenländischen und vor allem die niederösterreichischen Abgeordneten nicht mit, dann wird es nichts mit der Übernahme aller Lehrer durch den Bund. Ostermayer will die Hoffnung, auch in dieser Frage einen Kompromiss zu finden, aber nicht aufgeben. Niessl habe ihm versprochen, nicht im Weg zu stehen, wenn die Zuständigkeiten in der Schulverwaltung nicht in Richtung Bundesländer wandern sollten. Wie das Erwin Pröll sieht, könne er aber nicht sagen, so der Minister. Ohnehin stelle sich nicht die Frage, wie die Position der Verhandler jetzt sei, sondern wie sie am 17.November aussehen werde.

Eine Einigung zwischen Bund, Ländern und den Koalitionspartnern in der Schulverwaltungsfrage ist aber noch nicht alles. Um hier Veränderungen zu beschließen, braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. Es gilt also Verhandlungsergebnisse zu erzielen, die auch von den Oppositionsparteien unterstützt werden können. Der grüne Bildungssprecher, Harald Walser, schickte voraus, für Verhandlungen bereitzustehen: „Alle Macht den Landesfürsten, wie Pröll und Niessl es wollten, wird's aber nicht spielen“, so Walser.

4. Für die Bundesregierung ist die Situation unangenehm, für die Bildungsministerin ein erneuter Dämpfer.

Für die rot-schwarze Regierung, die seit Ewigkeiten um eine Bildungsreform ringt und den Ruf genießt, hier ohnehin nicht weiterzukommen, ist der Rückzug ein neuerlicher Dämpfer. Für Heinisch-Hosek sind die Entwicklungen wohl auch ein weiterer persönlicher Rückschlag. Sie sieht sich nicht nur mit der Kritik der ÖVP-Landeschefs konfrontiert, ihr macht mit Niessl auch noch ein Parteikollege Probleme. Und die darf sie nicht selbst lösen, sondern nur mithilfe von Kanzleramtsminister Ostermayer (SPÖ). Der war es jedenfalls, der die zur Krisenbewältigung einberufene Pressekonferenz dominierte. Er erzählte von seinen Telefonaten mit Niessl und stellte sich – während die Bildungsministerin zügig nach der Pressekonferenz verschwand – auch danach bereitwillig Fragen der Journalisten. Das befeuert wiederkehrende Gerüchte, dass Ostermayer Heinisch-Hosek als Bildungsminister folgen könnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2015)

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