Wahlkampf: Wählerfang in den Elternhäusern

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mehr Kindergartenplätze, mehr Volksschullehrer und mehr Gymnasien: Alles Dinge, die die Parteien den Eltern im Vorfeld der Wien-Wahl versprechen. Ein Vergleich.

Wien. „G'scheite Kinder statt g'stopfte Politiker“ plakatieren die Neos. „Geld für Bildung statt für Bonzen“ die Grünen. Diese Wiener Plakat-Zwillinge führen zweierlei deutlich vor Augen. Erstens: Bildung ist im Wiener Wahlkampf ein großes Thema. Und Zweitens: Die Positionen der Parteien sind dabei oft nur schwer zu unterscheiden. Deshalb hat „Die Presse“ versucht, die Nuancen hinter den wahlkämpferischen Schlagworten Gesamtschule, Ganztagsschule, Sprachförderung und Schulautonomie herauszuarbeiten.

Die SPÖ versucht, Eltern mit dem Bau von Campusschulen zu begeistern.

Die SPÖ tut sich schwer: Die Sozialdemokraten sind nämlich nicht nur in der Stadt, sondern auch im Bund seit Jahren für das Thema Bildung zuständig – und immer noch gilt es als eine der größten Baustellen. Die Konkurrenz nützt das und geht mit Bildungsparolen in den unzufriedenen Elternhäusern auf Wählerfang. Die Wiener SPÖ ist da deutlich verhaltener. Man lobt das bisher Vollbrachte: Mit dem Gratiskindergarten und dem Ausbau der Ganztagsschule sei man auf dem richtigen Weg. Es brauche lediglich kleine Adaptierungen: So soll jedes Wiener Kind einen Kindergartenplatz bekommen. Dafür will die SPÖ 50 bis 70 zusätzliche Kindergartengruppen pro Jahr schaffen. Außerdem sollen Kindergartenpädagogen universitär ausgebildet werden. Das große ideologische Streitthema, die Gesamtschule, wird im Wahlprogramm der Wiener SPÖ nicht thematisiert. Heikles überlässt man lieber der Bundespartei. Die Wiener Wähler möchte man mit Zuckerln gewinnen – etwa mit neuen Campusschulen (Kindergarten, Volks- und Mittelschule befinden sich dabei am gleichen Standort). Erst in der vergangenen Woche versprach Bürgermeister Michael Häupl, bis 2023 neun neue Campusschulen zu bauen.

Die Grünen wollen 1000 zusätzliche Lehrer und ein Ende der Parteibuchwirtschaft.

Die Grünen sind in der Zwickmühle: Sie sehen zwar großen Handlungsbedarf in puncto Bildung, können als Mitregierende aber nur bedingt Kritik am System üben. Drei zentralen bildungspolitische Forderungen gibt es aber: 1000 zusätzliche Lehrer für die Pflichtschulen, einen garantierten Kindergartenplatz ab zwei Jahren (egal, ob beide Eltern berufstätig sind oder nicht) und das Ende der rot-schwarzen Postenbesetzungen an den Schulen. Mit der konnten die Grünen in den vergangenen Jahren nicht aufräumen. Konkurrenten der Grünen sind im Hinblick auf die bildungspolitische Positionierung aber weniger die SPÖ als die Neos. Denn nicht nur die Plakate, sondern auch die Ideen sind zum Verwechseln ähnlich. Beide Parteien wollen mehr Geld für Bildung, die Parteibücher raus aus den Schulen bringen, die Frühkindpädagogik stärken und den Schulen mehr Autonomie zukommen lassen. Bei Letzterem gibt es lediglich einen feinen Unterschied: Als völlig freien Wettbewerb zwischen den Schulen möchten die Grünen die Autonomie nicht verstanden wissen.

Die Neos wollen mehr Geld für Volksschulen und mehr Autonomie für Schulen.

Für die Neos scheint Schulautonomie hingegen ein Wundermittel zu sein: Sie wollen den Schulen finanzielle, personelle und pädagogische Autonomie geben. Standorte sollten Geld pro Schüler bekommen (private gleich wie öffentliche). Für Schüler aus sozial benachteiligten Familien wird ein „Chancenbonus“ draufgelegt. Über die Art des Unterrichts und die Stundentafel kann der Standort allein entscheiden. Es gibt lediglich ein gemeinsames Bildungsziel: Am Ende der neunten Schulstufe müssen die Schüler die Mittlere Reife bestehen. Das derzeitige Bildungssystem will Neos-Spitzenkandidatin, Beate Meinl-Reisinger, zerschlagen. Sie tat das gestern, Montag, symbolisch und zerschlug den „Bildungsbeton“ medienwirksam vor dem Parlament. Auch eine inhaltliche Botschaft war dabei: Die Neos wollen den Fokus auf Kindergarten und Volksschule legen. Sie wünschen sich einen „fließenden Übergang“ zwischen den Institutionen. Kindergartenpädagogen sollen universitär ausgebildet werden und besser verdienen. Generell soll es pro Volksschüler mehr Geld geben. Campusschulen halten die Neos prinzipiell für eine gute Idee. Organisatorisch und rechtlich müsste sich für die richtige Umsetzung aber einiges ändern.

Die ÖVP wünscht sich sechs zusätzliche Gymnasien für Wien.

Die Wiener ÖVP inszeniert sich als Retter der Gymnasien – und hebt sich damit nicht nur von den meisten politischen Mitbewerbern (einzig die FPÖ plädiert ebenso für die Beibehaltung des differenzierten Schulsystems), sondern auch von den schwarzen Parteifreunden in Westösterreich ab. Während die ÖVP in Tirol und Vorarlberg die Gesamtschule testet, wünscht sich die Wiener Volkspartei mehr Gymnasien – und zwar in Favoriten, Liesing, Penzing, Brigittenau, Floridsdorf und Aspern. Damit hätte die Stadt exakt 100 AHS. Der Stadtregierung wirft ÖVP-Spitzenkandidat Manfred Juraczka vor, die Gymnasien und insbesondere deren Unterstufen „ganz bewusst ideologisch auszudünnen“. Seit 13 Jahren seien trotz großen Andrangs keine neuen AHS-Unterstufen eröffnet worden. Die Wiener ÖVP fordert außerdem eigene Förderklassen für Schüler mit unzureichenden Deutschkenntnissen. Ähnlich wie Grüne und Neos wünscht sich die ÖVP mehr Schulautonomie – aber nicht zu viel. Schuldirektoren sollen keine völlige Personalhoheit erhalten.

Die FPÖ will die Sprachkenntnisse mehrmals prüfen und Deutschlernklassen.

Die Wiener Freiheitlichen legen den Fokus nicht auf die Bildung: Im Wahlprogramm findet man nur wenig Konkretes. Auf Nachfrage gibt es Details: Die FPÖ ist gegen ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr. In die Volksschule sollen Kinder nur dann kommen, wenn sie bei der Sprachstandsfeststellung zeigen, dass sie gut genug Deutsch können, um dem Unterricht folgen zu können. Für die übrigen Kinder soll es Deutschlernklassen geben. Am Ende der Volksschule soll es eine weitere Sprachstandsfeststellung geben. Kinder mit Deutschdefiziten sollen einen Sommer-Deutschkurs besuchen. Generell wünscht sich die FPÖ die Beibehaltung des differenzierten Schulsystems (NMS und AHS). Ganztagsschulen sollen zwar angeboten werden, aber nicht verpflichtend sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2015)

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