Finanzwissen: Österreichs erste Geldlehrerin sucht Schüler

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Die Vermögensberaterin Doris Hummelbrunner will Schülern finanzielle Kompetenzen vermitteln. Das passiere derzeit nämlich zu wenig. Als in Deutschland ausgebildete Geldlehrerin würde sie gern ehrenamtlich in österreichischen Schulen unterrichten.

Wien. Die Visitenkarte von Doris Hummelbrunner (37) birgt Überraschungen: „Geldlehrerin“ steht da unter ihrem Namen geschrieben. Eine Funktion, die kaum jemandem geläufig sein wird. Kein Wunder. Denn Hummelbrunner ist Österreichs erste Geldlehrerin.

Die Vermögensberaterin hat die Ausbildung zur Geldlehrerin kürzlich in Deutschland abgeschlossen. Dort wurde diese auch entwickelt – und zwar von Grischa Schulz. Der Finanzdienstleister und Vater von fünf Töchtern war verärgert. Seine älteste Tochter sollte ein Konto bei der Bank eröffnen. Zurück kam sie nicht nur mit einem Konto, sondern auch mit einem 50.000-Euro-Bausparer. Sie unterschrieb, wusste aber nicht genau, was.

Seither versucht Schulz jungen Menschen finanzielles Wissen zu vermitteln, damit sie Geldentscheidungen im Alltag verstehen. Er hat ein Buch geschrieben, eine Ausbildung entwickelt und einen Lehrplan konzipiert. Mittlerweile gibt es 103 Geldlehrer (meist Personen aus der Finanzbranche). Sie haben in Deutschland bereits 4270 Schüler unterrichtet.

In Österreichs Klassenzimmer haben es die Geldlehrer noch nicht geschafft. Hummelbrunner will das ändern und sucht derzeit Schulen, an denen sie unterrichten darf. Notwendigkeit für den Geldunterricht sieht sie auf alle Fälle: „Als Finanzberaterin weiß ich, dass viele Menschen ihre finanziellen Entscheidungen aus einer gewissen Unwissenheit heraus treffen oder sich komplett auf ihren Berater verlassen.“ Als Konkurrenz für den herkömmlichen Unterricht möchte Hummelbrunner das Angebot nicht verstanden wissen. „Die Pädagogen sollen sich nicht auf den Schlips getreten fühlen. Das heißt nicht, dass sie das nicht können. Die Dinge, die wir vermitteln, stehen meist gar nicht im Lehrplan.“

Apropos Lehrplan: Immer wieder wird – vor allem mit Hinblick auf die Alltagstauglichkeit des Wissens – gefordert, diesen zu überarbeiten. Zuletzt löste zu Jahresbeginn eine deutsche Schülerin mit ihrem Twitter-Eintrag („Ich bin fast 18 und hab' keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann 'ne Gedichtanalyse schreiben. In vier Sprachen.“) eine Debatte aus, die sogar nach Österreich überschwappte.

Keine Bezahlung für Geldlehrer

Was also wird von den Geldlehrern vermittelt? Die Jugendlichen lernen über die Geschichte des Geldes, Zins, Zinseszins, Kredit, Darlehen, Inflation und die Möglichkeiten der Altersvorsorge – aber wenig Theoretisches, sondern vor allem Praktisches. Eine der Aufgaben, die die Jugendlichen zu berechnen lernen, sieht so aus: „Sie möchten in 25 Jahren ein Vermögen von 200.000 Euro ansparen. Hierzu wählen Sie einen Investmentfonds als Produkt, der voraussichtlich einen effektiven Zins von sieben Prozent jährlich erzielt. Wie viel müssen sie monatlich sparen?“ Dabei hilft ein eigens programmierter Taschenrechner, den sie kostenlos erhalten.

Die Ausbildung zum Geldlehrer ist teuer. Hummelbrunner zahlte 2900 Euro. Verdienen wird sie damit nichts. Geldlehrer müssen sich nämlich dazu verpflichten, ehrenamtlich zu unterrichten. Für Schulen entstehen keine Kosten. Das Material – Lehrbuch und Taschenrechner – muss durch Fördergelder und Mitgliedsbeiträge des Geldlehrer-Vereins gedeckt sein.

Der Geldunterricht sollte idealerweise ein ganzes Jahr lang zweiwöchentlich in je zwei Unterrichtsstunden stattfinden. Das Angebot richtet sich an Oberstufenschüler – egal, welche Schulform sie besuchen. Am Ende des Kurses müssen die Schüler eine Prüfung ablegen. „Da kommen nicht alle durch. Das Zertifikat soll auch seinen Wert haben“, sagt Hummelbrunner.

Die Geldlehrer sollen Wissen vermitteln und dürfen keine Werbung machen. Dazu verpflichten sie sich durch einen Ehrenkodex. In Österreich soll der erste Geldlehrerkurs im März 2016 starten.

ZUR PERSON

Doris Hummelbrunner (37) ist Österreichs erste Geldlehrerin. Ihre Ausbildung hat sie in Deutschland abgeschlossen. Dort gibt es bereits mehr als 100 Geldlehrer. Nähere Infos unter: www.geldlehrer.com [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2015)

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