Islamische Schule: „Wir stehen unter Generalverdacht“

(c) Clemens Fabry
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Schüler sind bedrückt, die Schule will sich klar positionieren. Die Gefahr der Radikalisierung sei am Islamischen Gymnasium aber nicht da.

Wien. Bedrückung, vermischt mit Hilflosigkeit: So schildert Direktor Muhammet Tosun die Stimmung im Islamischen Realgymnasium in Wien am ersten Schultag nach den Anschlägen in Paris.

Viele der knapp 300 muslimischen Schüler, die die Privatschule im 15. Wiener Bezirk besuchen, würden fürchten, dass sich das jetzt auf sie auswirkt: „Was auch bei den Schülern immer wieder herauskommt, ist: ,Wir sind jetzt die, die darunter leiden. Alle Augen blicken auf uns, wir stehen unter Generalverdacht – obwohl wir mit den schrecklichen Ereignissen in Paris nichts zu tun haben‘“, sagt er. „Sie fürchten, dass sie an den Pranger gestellt werden.“ Vor allem in der Oberstufe der privaten Schule im 15. Wiener Gemeindebezirk seien die Attentate gleich ein größeres Thema gewesen. Und natürlich sei eine islamische Schule bei solchen Ereignissen in einer besonderen Position. „Es ist wichtig, dass wir bei solchen Themen agieren. Für die nächsten Tage denken wir an eine Aktion vor der französischen Botschaft, um uns klar zu positionieren.“

Tosun hat deshalb auch im vergangenen Schuljahr – als der IS-Terror bereits sehr präsent war – ein groß angelegtes Friedensprojekt umgesetzt. Neben einem Lied („Wir. Stimmen gengan Kriag.“) waren Krieg und Frieden da in einer Reihe von Workshops Thema. Das Ziel des Projekts: ein klares Zeichen setzen gegen ideologischen Missbrauch von Religion. „Solche großen Projekte können wir aber nicht jedes Jahr durchziehen“, sagt Schulleiter Tosun, selbst Muslim mit türkischen Wurzeln und in Oberösterreich aufgewachsen. „Wir sind immerhin primär eine Bildungsinstitution – und wir müssen wie jedes anderes Gymnasium schauen, dass wir die Matura gut über die Bühne bringen.“

„Fühlen sich geborgen“

Die Gefahr, dass sich seine Schüler radikalisieren, sieht Tosun übrigens nicht: „Diese Gefahr ist hier geringer als an anderen Schulen.“ Das liege unter anderem daran, wie mit Religion umgegangen werde und dass man sehr viel Wert darauf lege, den Jugendlichen zu zeigen, dass sie Teil der europäischen Gesellschaft sind. „Sie fühlen sich geborgen, und deshalb ist das Bedürfnis nicht da.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2015)

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