„Vieles, was in dem Papier steht, gibt es schon jetzt“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Für Bildungsexpertin Heidi Schrodt ist das vorgelegte Papier kein Schulreformpaket. Es fehle die Vision. Und der politische Einfluss sollte wohl erhalten bleiben.

Was sagen Sie zur Bildungsreform: Sind Sie enttäuscht – oder kann Sie die Regierung eh nicht mehr enttäuschen?

Heidi Schrodt:
Ehrlich gesagt habe ich mir nichts Großartiges erwartet. Insofern hält sich auch meine Enttäuschung in Grenzen. Aber es ist natürlich kein großer Wurf, weil es überhaupt kein Schulreformpaket ist. Eine große Schulreform braucht ein Ziel, eine Vision. Wo wollen wir in zehn oder zwanzig Jahren hin? Und wie kommen wir dorthin? Die Vision fehlt.

Wenn es kein Schulreformpaket ist, was ist es denn dann?

Es sind halt ein paar Maßmahmen, die umgesetzt werden sollen. Und es ist ein typisch österreichisches Kompromisspapier. In dem es natürlich auch ein paar Punkte gibt, die OK sind.

Was halten Sie für positiv?

Für positiv halte ich zumindest als Willenserklärung, dass jedes Kind einen Bildungskompass haben soll, der schon im Kindergarten beginnt und sich durch die Schullaufbahn durchzieht. Das finde ich vom Ansatz her super. Und das zweite verpflichtende Kindergartenjahr – auch wenn die Opt-out-Möglichkeit seltsam ist und die Kritik bleibt, dass der Kindergarten nicht im Bildungsressort verankert ist.

Für viele ist die Autonomie so eine Art Zauberwort. Ist das die Lösung für alle Probleme?

Was jetzt paktiert wurde, ist überhaupt keine Autonomie, die den Namen verdient. Wobei ich einschränken möchte, dass man in so einem zentral gesteuerten Schulsystem nicht von einem Tag auf den anderen völlig auf Autonomie umstellen kann. Aber personelle Autonomie und ein Globalbudget für die Schulen existiert nicht einmal als Zielvorstellung. Die Schulen haben immer nur ein Mitspracherecht. Und wenn man es sich genau ansieht, gibt es vieles von dem, was in dem Papier drinsteht, ohnehin schon jetzt.

Was zum Beispiel?

Dass man schulautonom Schwerpunktsetzungen durchführen kann. Dass man Mitarbeitergespräche macht – wenn man das bei einer Führungsspanne von eins zu 80 oder sogar noch viel mehr Lehrern schafft. Lustig finde ich, dass jetzt Direktoren außerhalb der Dienstzeit Klausuren durchführen dürfen. Das haben einige innovative Schulen schon vor zwanzig Jahren gemacht. Also ich bin enttäuscht, dass nicht einmal als mittelfristiges Ziel eine großzügige Schulautnonomie vorgesehen ist.

Woran liegt das und wer hat da gebremst?

Ich glaube, das liegt daran, dass man weiter den politischen Einfluss auf die Schulen bewahren will. Ich glaube, dass da vor allem die Länder gebremst haben. Wenn die Schulen in der Lehrerauswahl wirklich unabhängig werden, würde da ziemlich viel Einfluss verloren gehen.

Was sagen Sie zu den Modellregionen für eine gemeinsame Schule?

Diese Deckelung der Modellregionen auf 15 Prozent finde ich am schlimmsten; Das hat ja dann sowieso nichts mit Gesamtschule zu tun. Man hätte zumindest den Bundesländern, die das wollen, die Möglichkeit geben sollen, auf Modellregionen umzustellen. Und weil das 2025 evaluiert werden soll, wurde eigentlich ein Stillstand auf zehn Jahre paktiert. Auf zehn Jahre – oder, wenn man die Evaluierung einrechnet, wahrscheinlich auf zwölf Jahre ist die Sekundarstufe eins zubetoniert.

Was ist Ihnen sonst noch aufgefallen?

Negativ, dass die Ganztagsschule mit keinem Wort vorkommt. Positiv finde ich die Sprachförderung.

A propos Sprachförderung: Geht das alles ohne mehr Geld?

Nein. Das ist die nächste Illusion. Das ist ein großer Schwachpunkt, dass das alles kostenneutral sein soll. Das geht nicht. Dass man an Schulen Lehrerstellen zu fünf Prozent in Supportpersonal umwandeln können soll, ist ein bisschen zynisch. Auch, dass es keine sozialindexbasierte Ressourcenzuteilung gibt, ist enttäuschend. Stattdessen steht drin, dass bei benachteiligten Schulen nicht eingespart wird.

Was erhoffen sie sich jetzt noch?

Ich hoffe auf Nachbesserungen bei diesen 15 Prozent für die Gesamtschule. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Vorarlberg das gefallen lässt. Auch die Grünen haben sich dazu geäußert und um das Paket durchs Parlament zu bringen, braucht es ja die Opposition. Sonst erhoffe ich mir eigentlich von dem Papier nicht so viel. Ich würde mir wünschen, dass zumindest die positiven Ansätze auch finanziert werden können.

Zur Person

Heidi Schrodt war lange Direktorin der AHS Rahlgasse im sechsten Wiener Gemeindebezirk. Sie ist Vorsitzende der Initiative BildungGrenzenlos. Im Vorjahr hat die Bildungsexpertin ein Buch über Bildung und Migration vorgelegt. 

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Schule

"Über das Bildungssystem soll Gesellschaft reformiert werden"

Bildungshistoriker Wilfried Göttlicher warnt mit Blick auf Bildungsreformen vor „übertriebenen Machbarkeitsfantasien“, hält die Aussage, dass sich in Österreichs Schulen seit Maria Theresia nichts verändert hat, für „ausgemachten Blödsinn“ und sieht Volksschullehrer als Aufsteiger.
Schule

Bildungsreform: „Viele völlige Absurditäten“

Expertin Heidemarie Lex-Nalis hält die nur dreimonatige Kindergartenpflicht für Vierjährige für „fachlich suspekt“.
Im Alter von dreieinhalb Jahren sollen Kinder künftig Entwicklungs- und Sprachscreenings unterzogen werden.
Schule

Kindergarten: Opt-out erst nach drei Monaten

Eltern, die ihr vierjähriges Kind nicht in den Kindergarten schicken wollen, müssen das trotzdem tun – zumindest drei Monate lang.
Bildungsministeirn Heinisch-Hosek.
Schule

Bildungsreform: „Beinharte Verhandler“

Die Regierung braucht für die Umsetzung der Bildungsreform die Stimmen von FPÖ oder Grünen.
Schulgebaeude - school building
Schule

Direktorenvertreter ortet Licht und Schatten

Wilhelm Zillner sieht im Bildungsreform-Papier manches für besonnen, anderes für zweifelhaft.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.