Bildungsaufstieg in Österreich "bemerkenswert schwach"

Die Presse/Clemens Fabry
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Österreich hinkt laut OECD bei der Kinderbetreuung hinterher und macht den Bildungsaufstieg schwierig. Dafür gilt es erstmals als Akademikerland.

Man könnte die am Dienstag präsentierte OECD-Studie "Bildung auf einen Blick 2015" als Warnschuss für Österreichs Bildungspolitiker verstehen, als Mahnung, sich nicht mit den in der vergangenen Woche in Aussicht gestellten Bildungsreformen zufrieden zu geben, sondern mit Nachdruck an deren Realisierung zu arbeiten. Denn noch gibt es viele Stolpersteine: Die Finanzierung ist nicht geklärt, die Zustimmung einer großen Oppositionspartei fehlt und der Widerstand der Lehrergewerkschaft ist programmiert. Dass diese Hürden sobald als möglich überwunden werden müssen, unterstreichen die Daten der OECD: Das bisherige System ist laut der Studie nämlich teuer, die Lehrer sind überaltert und die Kindergärten zu wenig beachtet. Ein Überblick:

Teures System: Österreich gibt pro Schüler verhältnismäßig viel Geld aus (siehe Grafik). In der Volksschule sind es 9563 Dollar (kaufkraftbereinigt) pro Schüler und damit um 1300 Dollar mehr als im OECD-Schnitt. In der Sekundarstufe (also in den Neuen Mittelschulen, Gymnasien und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen) ist die Differenz noch größer. 13.806 Euro werden pro Kopf in Österreich investiert, international sind es 9518 Euro. Eine Erklärung dafür liegt laut Studie in der komplexen österreichischen Verwaltungsstruktur. „Das österreichische föderale System ist durch große Volumina fiskalischer Transfers zwischen verschiedenen Ebenen der öffentlichen Hand geprägt“, heißt es im OECD-Bericht. Mit anderen Worten: Zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften werden hohe Summen verschoben.

Geringe Ausgaben: Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) gibt Österreich dennoch unterdurchschnittlich wenig für den Schulbereich aus. Österreich investiert 3,1 Prozent des BIP, im Schnitt sind es 3,7 Prozent. Der Anteil privater Mittel im Schulsystem spielt in Österreich mit nur vier Prozent (OECD: neun Prozent) kaum eine Rolle.

Alter der Lehrer: In kaum einem anderen Land sind die Lehrer so alt wie in Österreich – und sie werden stets älter. Gehörten 2005 noch 26 Prozent der Generation 50 plus an, waren es 2013 schon 45 Prozent. Da die Lehrer vor allem am Ende der Gehaltsskala gut verdienen, macht das das System teuer. Ändern wird sich das erst mit dem neuen Lehrerdienstrechts, das ab dem Schuljahr 2019/20 für alle neu eintretenden Lehrer gilt.

Hohe Gehälter: Die Lehrergehälter sind laut OECD in Österreich „sehr hoch“. Pädagogen verdienen in Österreich zu jedem Zeitpunkt ihrer Karriere und in allen Schultypen mehr. In der Sekundarstufe eins liegt das Einstiegsgehalt bei 34.100 und das Endgehalt bei 66.400 Dollar. Im OECD-Schnitt sind es 31.000 bzw. 50.400 Dollar. Aussagekräftiger ist der Vergleich zu anderen Akademikern. Da stehen Lehrer in Österreich teils schlechter da: So verdient ein Lehrer in der Volksschule 77 Prozent vom durchschnittlichen Akademikergehalt, in der Sekundarstufe eins sind es 89 und in der Sekundarstufe zwei 97 Prozent (OECD: 80 bzw. 86 und 91 Prozent).

Wenig Unterrichtszeit: Auch die Unterrichtszeit wurde erhoben. Volksschullehrer müssen in Österreich geringfügig länger unterrichten als im OECD-Schnitt. Im Sekundarbereich eins stehen dagegen die österreichischen Lehrer jährlich um 87 Stunden kürzer in der Klasse, in der AHS-Oberstufe sind es 54 Stunden.

Viele Lehrer pro Kind: Österreichs Schulklassen sind verhältnismäßig klein. 2013 saßen in Österreich im Schnitt in der Volksschule 18 Kinder in einer Klasse (OECD: 21), nur in Estland, Griechenland und Luxemburg waren es noch weniger. Auch im Sekundarbereich liegt Österreich im vorderen Mittelfeld. Generell kommen in Österreich auf einen Lehrer wenige Schüler.

Kaum Aufstiegschancen: „Die Aufwärtsmobilität im Bildungsbereich ist weiterhin bemerkenswert schwach ausgeprägt“, so die OECD. Nur 21 Prozent der jungen Erwachsenen erreichen einen höheren Abschluss als ihre Eltern (OECD-Schnitt: 32 Prozent). Noch weniger Aufsteiger gibt es nur in Tschechien und Deutschland. Die meisten verzeichnet Südkorea, gefolgt von Italien, Irland und Spanien. Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) glaubt, dass vor allem der frühe Eintritt in das Bildungssystem (also etwa der Pflichtkindergarten) Kinder davor bewahre, „familiäre Bildungsnachteile mitzuschleppen“.

Wenig Betreuung: Auch hier gibt es laut OECD aber noch Aufholbedarf. Zwar würden schon nahezu alle Vier- bis Fünfjährigen in den Kindergarten gehen, bei der Betreuung von Zwei- bis Dreijährigen hinke Österreich aber noch hinterher. Sind in Deutschland fast 60 Prozent der Zweijährigen und 92 Prozent der Dreijährigen in Fremdbetreuung, liegen diese Anteile in Österreich bei 34 und 71 Prozent. Verglichen mit den Vorreiterländern gibt es in Österreich auch weniger Pädagogen pro Kind. Und es wird verhältnismäßig wenig in diesen Bereich investiert.

Mehr „Akademiker“: Erstmals zählt Österreich in der OECD-Statistik fast zu den Akademikerländern. Die Akademikerquote liegt bei 30 Prozent (OECD-Schnitt: 34 Prozent). Änderungen in der statistischen Erhebung machen das möglich. Nun werden auch die vierten und fünften Jahrgänge der berufsbildenden höheren Schulen (BHS) sowie Aufbaulehrgänge zu den kurzen tertiären Bildungsprogrammen gezählt. Ohne die Änderung läge der Akademikeranteil in Österreich bei 20 Prozent (auch hier werden Meisterschulen mitgezählt). Übrigens: Erwachsene mit Abschluss einer tertiären Kurzausbildung haben sogar bessere Jobaussichten als jene mit Bachelor. Am besten sind aber jene für Diplom- bzw. Master- und Doktoratsstudenten.

(j.n./APA)

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